Kollegiengebäude (Göttingen)

Kollegiengebäude Göttingen, Fassadenentwurf von Joseph Schädeler, 1733 (Niedersächsisches Landesarchiv Hannover, Signatur: NLA HA, Kartensammlung, Nr. 23 d Göttingen 27 pm). - Nordfassade, im Hintergrund die Universitätskirche.

Das Kollegiengebäude (auch Auditoriengebäude) war ein in der Gründungszeit der Georg-August-Universität Göttingen nach Entwürfen von 1733 des Universitätsbaumeisters Joseph Schädeler in den Jahren 1735–1737 errichtetes Bauwerk in der Innenstadt von Göttingen in Niedersachsen.

Geschichte

Das vierflügelige Kollegiengebäude im Ausschnitt des Göttingen-Stadtplans von Georg Daniel Heumann (1747): T = „das Auditorium publicum“, E = „Universitaets- oder Pauliner Kirche“, w = „die Professoren Häußer“. - Norden ist links.

Das barocke Kollegiengebäude war ursprünglich eine zweigeschossige Vierflügelanlage unmittelbar nördlich der Universitätskirche (Paulinerkirche) und entstand auf den Grundmauern des Paulinerklosters, dessen Kreuzgang-Innenhof es nachbildete. Im Innern beherbergte das Gebäude anfangs neben mehreren Räumen für Vorlesungen u. a. auch Verwaltungsräume, eine Naturalienkammer sowie einen großen Bibliothekssaal im Obergeschoss.[1]

Schon 1784 und 1787 wurde das Kollegiengebäude als Universitätsbibliothek nach Entwürfen von Georg Heinrich Borheck durch einen Mittelrisalit mit Treppenhaus sowie einen Ostflügel erweitert.[2] Dadurch wurde die ehemalige Hauptfassade nach Norden zur Prinzenstraße erstmals erheblich verändert. Die gesamte Hauptfassade des Barockbaus wurde letztlich 1878–1882 durch den Neurenaissance-Bibliotheksneubau (Prinzenstraße 1) gänzlich verdeckt.

Von den barocken Ursprungsfassaden des zweigeschossigen Kollegiengebäudes sind heute nur noch das Erdgeschoss der ehemaligen Westfassade mit dem barocken Westportal Papendiek 14 sowie die Erdgeschossfassaden im Innenhof erhalten. Vom stilangepassten Ostflügel-Erweiterungsbau der 1780er-Jahre ist dessen Ostfassade erhalten. Dort befindet sich ein aufwändig gestaltetes (jetzt zugesetztes) Barockportal, das vermutlich als ehemaliger Haupteingang von der Nordfassade stammt, als dort der Borheck-Treppenhausvorbau entstand.[3] 1903–1904 wurde an der Ecke Prinzenstraße / Papendiek das Geographische Institut angebaut.[4]

Heute bildet das im Kern teilweise noch erhaltene barocke Kollegiengebäude zusammen mit dem Neurenaissancebau und der Paulinerkirche als sog. „Historisches Gebäude“ (Prinzenstraße 1, Papendiek 14) den ältesten Baubestand der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (kurz SUB Göttingen).

Beschreibung 1748

Aus einer Universitätsbeschreibung von Johann Christian Claproth, Göttinger Professor der Rechte, 1748:

„Sieben wolgebauete Kirchen sind dem Gottesdienste gewidmet, und ein ansehnliches Collegium dienet zu dem [sic] öffentliche Handlungen der Universität. Es ist ein Viereck und stösset an der einen Seite an die Universitätskirche, drey Seiten aber sind völlig frey. Alle vier Facultäten haben hier die schönsten Auditoria, wiewol das Juristische das Größte und Prächtigste ist. Ueber diesem juristischen Hörsale hat die Universitäts Bibliothek, wovon ich darnach besonders reden will, ihren Platz. Ueber dem Theologischen ist die Concilien= und Secretarienstube, und der übrige Raum schliesset die andern zu Ausübung der academischen Jurisdiction nöthigen Behältnisse in sich. Ich habe noch in Deutschland an keiner protestantischen Universität ein ansehnlichers und besser angelegtes Collegengebäude und Universitätskirche gefunden, als in Göttingen.“[5]

Lichtenberghof

Vor dem barocken Westportal an der Straße Papendiek befindet sich jetzt der sog. Lichtenberghof, wo eine Sitzskulptur von 1992 an Georg Christoph Lichtenberg[6] erinnert. Im Hof steht außerdem die Bronzeskulptur Butt im Griff von Günter Grass.[7] Eine weitere Installation im öffentlichen Raum des Hofs erinnert an die erste elektromagnetische Telegraphen-Verbindung von Weber und Gauß im Jahr 1833; sie verband das damalige Physikalische Kabinett im Kollegiengebäude mit der Sternwarte Göttingen.

Literatur

(chronologisch)

  • Reimer Eck: Vom Pädagogoium zur Keimzelle von Universität und Bibliothek. Zur Bau- und Nutzungsgeschichte des Pauliner-Klosters im 18. Jahrhundert. In: Elmar Mittler (Hrsg.): 700 Jahre Pauliner Kirche vom Kloster zur Bibliothek. Wallstein Verlag, Göttingen 1994, ISBN 3-89244-188-X, S. 160–163.
  • Alfred Oberdiek: Göttinger Universitätsbauten. Die Baugeschichte der Georg-August-Universität. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Verlag Göttinger Tageblatt, Göttingen 2002, ISBN 3-924781-46-X, S. 6, 12 f., 26, 29 f., 88 (Digitalisat auf gt-extra.de, abgerufen am 1. Februar 2023).
  • Elmar Mittler: Die Göttinger Forschungsbibliothek – Tradition und Bauaufgabe. In: Elmar Mittler (Hrsg.): 700 Jahre Pauliner Kirche vom Kloster zur Bibliothek. Wallstein Verlag, Göttingen 1994, ISBN 3-89244-188-X, S. 156–160. (Enthält historische Grundrisse)
  • Axel Venneberg, Ulrich Zech: Das historische Bibliotheksensemble der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen: Die neue bauliche Gesamtkonzeption. In: Elmar Mittler (Hrsg.): 700 Jahre Pauliner Kirche vom Kloster zur Bibliothek. Wallstein Verlag, Göttingen 1994, ISBN 3-89244-188-X, S. 153–155.
  • Werner Seidel: Baugeschichte der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek in Göttingen 1734–1953. Göttingen 1953. (Digitalisat auf gdz.sub.uni-goettingen.de, abgerufen am 10. September 2023) – Enthält zahlreiche Abbildungen von Bau- und Projektplänen des 18. Jahrhunderts.

Einzelnachweise

  1. Alfred Oberdiek: Göttinger Universitätsbauten. Die Baugeschichte der Georg-August-Universität. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Verlag Göttinger Tageblatt, Göttingen 2002, ISBN 3-924781-46-X, S. 6, 12 f.
  2. Alfred Oberdiek: Göttinger Universitätsbauten. Die Baugeschichte der Georg-August-Universität. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Verlag Göttinger Tageblatt, Göttingen 2002, ISBN 3-924781-46-X, S. 26.
  3. Reimer Eck: Vom Pädagogium zur Keimzelle von Universität und Bibliothek. Zur Bau- und Nutzungsgeschichte des Pauliner-Klosters im 18. Jahrhundert. In: Elmar Mittler (Hrsg.): 700 Jahre Pauliner Kirche vom Kloster zur Bibliothek. Wallstein Verlag, Göttingen 1994, ISBN 3-89244-188-X, S. 160–163, hier S. 163, Katalognummer 239.
  4. Alfred Oberdiek: Göttinger Universitätsbauten. Die Baugeschichte der Georg-August-Universität. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Verlag Göttinger Tageblatt, Göttingen 2002, ISBN 3-924781-46-X, S. 88.
  5. Johann Christian Claproth: Der gegenwärtige Zustand der Göttingischen Universität (...). Schmidt, Göttingen 1748 (Digitalisat auf gdz.sub.uni-goettingen.de, abgerufen am 24. Februar 2023), S. 6.
  6. Lichtenberg Denkmal Papendiek. In: denkmale.goettingen.de. Stadt Göttingen, Fachdienst Kultur, abgerufen am 1. Februar 2023.
  7. Butt im Griff. In: denkmale.goettingen.de. Stadt Göttingen, Fachdienst Kultur, abgerufen am 1. Februar 2023.

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Der Große und äußere Hof des Universitaets Collegii. Kollegiengebäude der Georg-August-Universität Göttingen, hinten die ehemalige Paulinerkirche,rechts Professorenhäuser. Kupferstich des Universitätskupferstechers Georg Daniel Heumann, Tafel IX aus Wahre Abbildung, Der Königl. GroßBritan. und Churfürstl. Braunschw. Lüneb. Stadt, Göttingen. Ihrer Grund-Lage, Aüserl. und Innerliche Prospecte und der Zum Georg Augustus Universitaet gehörigen gebäude Gezeichnet, und in Kupffer herauß gegeben, durch Georg Daniel Heumann Königl. Groß-Brit. Hoff und Universitaets Kupfferstecher in Goettingen