Knickebein (Funkfeuer)

Karte der Knickebein-Standorte

Das „Knickebein“-Verfahren war ein zu Beginn des Zweiten Weltkriegs von Bombern der deutschen Luftwaffe zur Zielfindung verwendetes Funk-Leitstrahl-System. Es wurde von der Firma Telefunken aus dem X-Verfahren entwickelt, das wiederum auf dem Lorenz-Landeverfahren aufbaute.

Funktionsweise

„Knickebein“ wurde bei deutschen Nachtangriffen in der Anfangsphase der Luftschlacht um England eingesetzt. Damit konnten einzelne Flächenziele in einer Entfernung von 250 km in einem Zielkreis von ± 1500 m mit ausreichender Genauigkeit getroffen werden.

Anders als beim bereits eingeführten X-Verfahren, für das separate Bordgeräte nötig waren, nutzte „Knickebein“ die in den Flugzeugen ohnehin vorhandenen Lorenz-Funk(blind)landeanlagen „FuBl 1“ im Frequenzbereich 30–33 MHz. Für größere Zielentfernungen kam später die Anlage „FuBl 2“ mit dem empfindlicheren „Superhet“-Leitstrahlempfänger vom Typ „EBl 3“ (anstelle des Zweikreis-Geradeausempfängers „EBl 1“) zum Einbau. Wegen des Wegfalls von zusätzlichen Bordgeräten, die noch beim X-Verfahren nötig waren, brauchten die Bordfunker/Bombenschützen für den Einsatz keine aufwendige Einweisung.

Knickebein-Antenne

Sendestellen

Für die nächtlichen Luftangriffe auf England wurden zunächst drei Knickebein-Sendestellen in Kleve, auf dem Stollberg und bei Maulburg auf eine zu bombardierende Stadt ausgerichtet, später kamen weitere hinzu. An folgenden Standorten wurden Sendestellen aufgebaut:

Nr.Ø [m]1StandortLandKoordinatenOrtsbeschreibung
K130KleppN58° 46′ 12,3″ N, 5° 37′ 11″ O22 km süd-südwestlich von Stavanger
K295StollbergD54° 38′ 40″ N, 8° 56′ 40″ O3 km nord-nordwestlich von Bredstedt
K330JulianadorpNL52° 54′ 47,8″ N, 4° 43′ 0,5″ O5 km süd-südwestlich von Den Helder
K495Kleve-MaterbornD51° 47′ 19,5″ N, 6° 6′ 13,2″ O58 km nordwestlich von Duisburg
K530Bergen op ZoomNL51 27' 03" N 4 18' 00 O50 km süd-südwestlich von Rotterdam
K630Mont VioletteF50° 37′ 2,4″ N, 1° 40′ 56,5″ O13 km süd-südöstlich von Boulogne-sur-Mer
K730GrenyF49 56' 55" N 1 17' 31"16 km ost-nordöstlich von Dieppe
K830Mont Pinçon nördlich Le Plessis-GrimoultF48° 58′ 31,3″ N, 0° 37′ 27,6″ W30 km südwestlich von Caen
K930Beaumont-HagueF49° 40′ 24,4″ N, 1° 51′ 9,2″ W16 km west-nordwestlich von Cherbourg
K1030Sortosville-en-BeaumontF49° 25′ 5,8″ N, 1° 42′ 32,6″ W25 km süd-südwestlich von Cherbourg
K1130Saint-Fiacre bei Plestin-les-GrèvesF48 39' 59" N 3 43' 49" O17 km ost-nordöstlich von Morlaix
K1295MaulburgD47° 38′ 2,4″ N, 7° 45′ 47,9″ O8 km ost-nordöstlich von Lörrach
K1330NotoI36 55' 52 N 14 58' 48.90 O27 km südwestlich von Syrakus (nicht fertig gebaut)
1 Antennendurchmesser

Gegenmaßnahmen

Hauptsächlich der britische Physiker Reginald Victor Jones analysierte die Funktion des Knickebein-Systems. Hierbei wurde er durch entzifferte Funksprüche der Luftwaffe unterstützt, die er von seinem Landsmann Frederick Norman, genannt „Bimbo“, aus Bletchley Park erhielt.[1] Ein besonders ausgerüstetes Flugzeug vom Typ Avro Anson der Royal Air Force erfasste am 21. Juni 1940 gerichtete Radiowellen aus dem Gebiet des Deutschen Reichs, die sich über dem Rolls-Royce-Stammwerk in Derby kreuzten.[2] Dort stellte das Unternehmen hauptsächlich „Merlin“-Flugmotoren her.

Bereits im gleichen Jahr 1940 konnte das Verfahren erfolgreich dadurch gestört werden, dass englische Radiosender ebenfalls das von den Knickebein-Anlagen verwendete Punkt-Morse-Signal aussendeten; dies irritierte die deutschen Flieger und brachte viele vom Kurs ab. Nach Winston Churchills Einschätzung haben die Gegenmaßnahmen 1940 maßgeblich dazu beigetragen, die Effizienz der deutschen Flächenbombardements auf unter 20 Prozent zu drücken.[3]

In der Folge reagierte die deutsche Seite auf die englischen Störmaßnahmen. Beispielsweise wurden die Knickebein-Sender aktiviert, ohne dass ein Angriff stattfand oder sie wurden erst kurz vor Angriffsbeginn eingeschaltet und das Flugziel konnte nicht mehr rechtzeitig ermittelt werden. Alternativ wurden viele der Anlagen gleichzeitig in Betrieb genommen, so dass wiederum nicht das genaue Ziel ermittelt werden konnte.

Allerdings befanden sich nach der verlorenen Luftschlacht um England und der Aufgabe des Unternehmens Seelöwe die meisten Kampfflugzeuge der Luftwaffe ohnehin an der Ostfront.

Siehe auch

Literatur

  • B. Johnson: Streng geheim – Wissenschaft und Technik im Zweiten Weltkrieg.
  • R. V. Jones: Most Secret War: British Scientific Intelligence 1939–1945. First published 1978 Hamish Hamilton. Coronet paperback edition 1979 ISBN 0-340-24169-1.
  • Stephen Small: Fort Bridgewoods. Radio Society of Great Britain 2015, ISBN 978-1-910193-09-9.
  • Fritz Trenkle: Die deutschen Funkführungsverfahren bis 1945.

Weblinks

Commons: Knickebein (Funkfeuer) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Fußnoten

  1. Michael Smith: Enigma entschlüsselt – Die „Codebreakers“ von Bletchley Park. Heyne 2000, ISBN 3-453-17285-X, S. 90.
  2. Kriegstagebuch
  3. Winston Churchill: The Wizard War. In: Their Finest Hour. Houghton Mifflin Company, 1949, ISBN 0-395-41056-8, S. 343.

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Autor/Urheber: Dahnielson, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Knickebein antenna used by Germany during WWII to direct bombers.
Map of Knickebein transmitters.svg
Autor/Urheber: Dahnielson, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Map showing the positions of Knickebein transmitters during the battle of Britain.