Kleine Aussichten

Alice Munro, Nobelpreis für Literatur 2013

Kleine Aussichten. Ein Roman von Mädchen und Frauen (im Original Lives of Girls and Women, 1971) ist die zweite Kurzgeschichtensammlung von Alice Munro.[1] Eine deutschsprachige Übersetzung von Hildegard Petry erschien erstmals 1983 bei Klett-Cotta in Stuttgart. In der jüngsten Ausgabe beim Berliner Taschenbuch-Verlag 2006 hat die Sammlung einen Umfang von 362 Seiten.

Die Hauptfigur Del Jordan besteht von Erzählung zu Erzählung Kämpfe und durchlebt wiederholt Krisen. Anfangs eher dazu geneigt, zwei getrennte Welten zu sehen, stellt sich im Laufe der Sammlung heraus, dass die Grenzen fließend sind und eine Entscheidung für eine der beiden Seiten nicht möglich und auch nicht sinnvoll ist, so Rae McCarthy MacDonald (1978) in einer Analyse der Sammlung, in der es heißt, der Band hätte die Form eines Romans.[2] Jeremy Lalonde (2004) bezeichnet den Band als eine (Ab)Folge von Kurzgeschichten („short story sequence“).[3]

Enthaltene Werke

  • Die Flats Road (The Flats Road)
Wie der Geschichtenerzähler und Mitarbeiter des Vaters, Uncle Benny, in der Familie der jugendlichen Ich-Erzählerin zu Mittag aß, eine Ehefrau erhielt und deren Tochter nicht wiederfinden konnte. „But what was crystal clear to my mother was obviously hazy and terrifying to Uncle Benny.“ „So lying alongside our world was Uncle Benny's world like a troubling distorting reflection, the same but never at all the same.“[4]
  • Die Erben des menschlichen Körpers (Heirs of the Living Body)
Zwei Tanten der jugendlichen Ich-Erzählerin verändern sich, nachdem der von ihnen umhegte Bruder gestorben ist, der ein Amt hatte und bei dessen Beerdigung es ihr nicht gut ergeht. Wie die unpersönliche Art, in der der Onkel seine Urteile in Bezug auf sie äußerte, ihr Freiheit gelassen hatte und wie sie später zu der Einsicht gelangt, dass Freiheit nicht so leicht zu erlangen ist wie es ihr durch ihren Biss in den Unterarm einer Cousine erschienen war. Wie eng beieinander Höflichkeit und schlagfertige Böswilligkeit liegen können und Gewissensbisse und unbefleckte Zufriedenheit.[5]
  • Prinzessin Ida (Princess Ida)
Die beruflich selbständige Mutter im Außendienst während des Krieges mietet ein Haus in der Stadt und bekommt es mit Kommentaren der Schwestern und des jüngsten Bruders zu tun, der unerwartet mit seiner neuen jungen Ehefrau von Ohio hergefahren kommt, was sich als Abschiedsbesuch herausstellt. Welche Beobachtungen die jugendliche Ich-Erzählerin zum Verhältnis der Geschlechter anstellt. Jennifer Murray zitiert in ihrem Beitrag über dieses Werk (2010) eine Passage aus einem Interview mit Munro von 1994, in dem Munro sagt, wie sie beim Schreiben dieser Geschichte gemerkt hat, dass es kein Roman, sondern eine Reihe von Erzählungen werden würde.[6][7]
  • Alter der Gläubigkeit (Age of Faith)
Die jugendliche Ich-Erzählerin versucht mit Gesprächen, kleinen Tests und logischen Experimenten herauszubekommen, was am christlichen Glauben dran ist und wundert sich: „I could not get it straight.“ Die Aussage der Mutter „God was made by man! Not the other way around!“ stellt sie auf die Probe und macht sich an einem Karfreitag auf die Suche nach einem wahren Gläubigen, „a true believer, on whom I could rest my doubts“. Sie hat schon entschieden, den Pastor auslassen: „I preferred to believe his grasp was good, and not try it out“. Sie findet Paradoxe und kann es nicht lassen, zu grübeln: "But why – I could not stop this thinking though I knew it could bring me no happiness – why would God hate anything that He had made? If He was going to hate it, why make it?" Eines Tages beginnt der alte Hund der Familie unerwartet beim Nachbarn Schafe zu reißen und soll erschossen werden. Sie testet, was ihr kleiner Bruder, der nicht will, dass sein Hund getötet wird, vom Beten hält: „I saw with dismay the unavoidable collision coming, of religion and life.“ Sie beobachtet ihn beim Beten und kommt zu dem Schluss: „Seeing somebody have faith, close up, is no easier than seeing someone chop a finger off.“[8]
  • Veränderungen und Zeremonien (Changes and Ceremonies)
  • Das Leben von Mädchen und Frauen (Lives of Girls and Women)
  • Taufe (Baptizing)
  • [fehlt auf Deutsch] (Ally and Lizzy)[9]
  • Epilog: Der Fotograf (Epilogue: The Photographer)

Forschungsliteratur

Weblinks

  • Alice Munro: Lives of Girls and Women, mookseandgripes.com. Eine Serie von Lektüren zu den Werken im Band Lives of Girls and Women, in englischer Sprache, die seit 11. September 2013 läuft.

Einzelnachweise

  1. Siehe auch die Angaben in der Tabelle der ausführlichen Liste der Kurzgeschichten von Alice Munro in der englischsprachigen Wikipedia
  2. Rae McCarthy Macdonald: Structure and detail in Lives of girls and women. In: Studies in Canadian Literature / Études en littérature canadienne, Band 3, 1978. Allan B. Weiss (1988) schreibt „Alice Munro - Because she calls it a novel I have omitted Lives of Girls and Women, which could easily be classified a short story collection“, in: A comprehensive bibliography of English-Canadian short stories, 1950–1983, ISBN 0-920763-67-7, S. 72.
  3. Jeremy Lalonde, Narrative Community in Edna Alford’s A Sleep Full of Dreams, in: Studies in Canadian Literature / Études en littérature canadienne (SCL/ÉLC), Volume 29, Number 2 (2004).
  4. Siehe auch: Alice Munro: “The Flats Road”, mookseandgripes.com, 18. September 2013
  5. Siehe auch: Alice Munro: “Heirs of the Living Body”, mookseandgripes.com, 8. Oktober 2013
  6. „Then it came to me that what I had to do was pull it apart and put it in the story form“, zitiert bei Jennifer Murray, “Like the Downflash of a Wing or Knife”: Repression, Sublimation, and the Return of the Repressed in Alice Munro’s Princess Ida, in: Journal of the Short Story in English (JSSE)/Les cahiers de la nouvelle, n° 55 (Autumn 2010), Absatz 2.
  7. Siehe auch Alice Munro: “Princess Ida”, mookseandgripes.com, 29. November 2013
  8. Siehe auch Alice Munro: “Age of Faith”, mookseandgripes.com, 16. Januar 2014
  9. Das Werk Ally and Lizzy fehlt in späteren englischsprachigen Auflagen.

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