Kleinbardorf

Kleinbardorf
Koordinaten: 50° 16′ 33″ N, 10° 24′ 3″ O
Eingemeindung:1. Januar 1978
Postleitzahl:97633
Vorwahl:09761
Kleinbardorf (Bayern)

Lage von Kleinbardorf in Bayern

Kleinbardorf vom Westen gesehen

Kleinbardorf ist ein Ortsteil der Gemeinde Sulzfeld im unterfränkischen Landkreis Rhön-Grabfeld (Bayern). Am 1. Januar 1978 wurde Kleinbardorf nach Sulzfeld eingemeindet.[1]

Jüdische Gemeinde

Mindestens seit dem 19. Jahrhundert waren jüdische Familien in Kleinbardorf ansässig. Am Steilen Berg (im Volksmund Judenhügel genannt) befindet sich der jüdische Friedhof mit dem jüdischen Kriegerdenkmal und dem Taharahaus. Die Synagoge Kleinbardorf an der Unteren Hauptstraße wurde beim Novemberpogrom 1938 von SA-Männern zerstört. Eine Gedenktafel am Friedhofseingang erinnert an die Opfer des Nationalsozialismus.[2]

Sehenswürdigkeiten

Katholische Pfarrkirche St. Aegidius (Ägidius)

Bereits auf 1438 datiert eine erste Erwähnung als Pfarrkirche.[3] Am viergeschossigen Chorturm gehören die drei Untergeschosse zu einem um 1600 aufgeführten Renaissancebau, worauf die Vorhangbögen der Fenster im ersten Obergeschoss sowie die Schallfenster des zweiten Obergeschosses mit ihrem nachgotischen Maßwerk deuten. Von 1722 bis 1725 wurde ein alternierend achtseitiges Glockengeschoss mit Lisenengliederung aufgesetzt, das von einer hohen, kuppelartigen Haube mit (heute geschlossener) Laterne bekrönt wird. Für die Barockisierung des Turms zeichnete der erfahrene Zimmermeister Christian Gruber aus (Bad) Neustadt an der Saale verantwortlich. Dieser stand nach Ausweis der Akten beim Kleinbardorfer Kirchenbau[4] lange Zeit als Palier bei dem Hochfürstlich Würzburgischen Stadt- und Landbaumeister Joseph Greissing (1664–1721) in Diensten und ist von vielen Bauwerken in Neustadt, Königshofen im Grabfeld und Umgebung her als Greissing-Schüler bekannt, der den Stil seines Meisters noch Jahrzehnte nach dessen Tod getreulich weiterpflegte.[5][6] Der ursprünglich aus Vorarlberg stammende Joseph Greissing hatte bereits 1706 eine Ortseinsicht zum vorhabenden Kirchenneubau durchgeführt. Wegen Baufälligkeit war unverzügliches Handeln angesagt. Im Jahre 1709 erfolgte der Abbruch des Langhauses und anschließend konnte der Grundstein für ein neues Langhaus gelegt werden, zu dem Greissing die Pläne lieferte.[7] Dass es sich um das Konzept eines überregional renommierten Architekten handelte – Greissing war einer der Lehrmeister sowie direkter Amtsvorgänger Balthasar Neumanns – zeigt ein Blick auf die exzellent proportionierte Westfassade in römischer Manier, die in ihrer edlen Schlichtheit durch ihre harmonischen Verhältnisse zum Besten gehört, was in jener Epoche bei Landkirchen zu finden ist. Gleichzeitig sind mährische Anklänge in der Gestaltung wahrzunehmen, welche die enge Verwandtschaft mit der nur wenig später begonnenen Fassade der Talkirche bei Münnerstadt erweisen. Auch in Kleinbardorf zeigen sich die Früchte von Greissings mährischer Reise, auf der er, wie zuvor wohl bereits in Wien, die Architektur des Domenico Martinelli kennengelernt hatte.[8] Nicht weniger elegant sind die aufwändig von Pilastern gegliederten Seitenwände. Alles ist aus einem ausgewogen proportionierten Grundriss entwickelt. Die praktische Ausführung legte man in die Hände des Steinhauer- und Maurermeisters Johann Jacob Bader aus Sternberg im Grabfeld, dessen Vorfahren aus Tirol stammten. Die Hauptbauphase fiel in die Jahre 1709 und 1710; schon 1711 konnte das Gotteshaus benediziert, also provisorisch zur Benutzung eingesegnet werden. Einen vorläufigen Abschluss fanden die Arbeiten am Langhaus im folgenden Jahr, wovon die über dem Hauptportal eingemeißelte Jahreszahl „1712“ kündet. 1716 erfolgte die endgültige Konsekration durch einen Bischof.

Söhne und Töchter des Ortes

Weblinks

Commons: Kleinbardorf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart / Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 741.
  2. Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation, Band 1. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1995, ISBN 3-89331-208-0, S. 195
  3. August Amrhein: Realschematismus der Diöcese Würzburg. Hrsg.: Bischöfliches Ordinariat Würzburg. Würzburg 1897, S. 333.
  4. Diese Akten sind zum Teil 1945 mit dem Ordinariatsarchiv in Würzburg verbrannt, glücklicherweise jedoch bereits 1915 in den Kunstdenkmälern - zumindest in Auszügen - veröffentlicht worden. Siehe dazu Karlinger 1915 (KDB).
  5. Hans Karlinger (Bearb.): Bezirksamt Königshofen. In: Die Kunstdenkmäler des Königreichs Bayern. Band 3, Heft XIII. München 1915, S. 67–72, hier S. 67 u. 68.
  6. Neben Gruber hatte auch der später berühmt gewordene Johann Michael Schmitt aus Königshofen einen nicht erhaltenen Entwurf eingereicht, der aber abgelehnt wurde. Diesen Hinweis liefert Karlinger in den KDB 1915, S. 68.
  7. Johannes Mack: Der Baumeister und Architekt Joseph Greissing. Mainfränkischer Barock vor Balthasar Neumann. Dissertation. Saarbrücken 2007. In: Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. 8. Reihe: Quellen und Darstellungen zur fränkischen Kunstgeschichte. Band 16. Würzburg 2008, ISBN 978-3-86652-816-1, S. 52, 158–160, 613, 622, 683.
  8. Ausführlich zum Leben und zum Werk Greissings bei Mack 2008. Dort über ein Personen- und Ortsregister umfassend erschlossen.

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