Kirchenlehrer

Heilige und Kirchenlehrer, unbekannter Maler um 1475

Als Kirchenlehrer (lateinisch: doctores ecclesiae) werden Theologen und Heilige bezeichnet, die einen prägenden Einfluss auf die Theologie der christlichen Kirche hatten. Mit diesem Ehrentitel wurden nur wenige Personen ausgezeichnet; in älterer Zeit (und bis heute in den Ostkirchen) geschah dies relativ spontan, aber auch durch einige Konzilien. In der Westkirche wird die Erhebung zum Kirchenlehrer formell durch den Papst ausgesprochen. Einige herausragende frühchristliche Schriftsteller bis etwa zum 6. Jahrhundert werden zudem als Kirchenväter bezeichnet.

In seiner Kommentierung frühchristlicher Schriftsteller vom Februar 2009 erwähnt Papst Benedikt XVI. die von Beda dem Ehrwürdigen gewählte Bezeichnung (doctores ac doctrices) für Gelehrte beiderlei Geschlechts. Bei der Ernennung der heiligen Hildegard zur Kirchenlehrerin durch Benedikt XVI. am 7. Oktober 2012 griff er jedoch auf die Titelform Doctor Ecclesiae universalis zurück.[1]

Die ersten acht Kirchenlehrer der Ost- und der Westkirche werden von beiden Kirchen als solche bezeichnet. Die römisch-katholische Kirche definierte in der Gegenreformation den Titel „Kirchenlehrer“ und verlieh ihn auch an Theologen späterer Jahrhunderte.

Kirchenlehrer der Ostkirchen

In der Ostkirche gab es ursprünglich drei Kirchenlehrer, Johannes Chrysostomos, Basilius von Caesarea und Gregor von Nazianz, denen in der orthodoxen Kirche das Fest der drei Hierarchen am 30. Januar gewidmet ist. Später wurde analog zu den vier Kirchenlehrern der Westkirche noch Athanasius von Alexandria hinzugefügt. In den orthodoxen Kirchen ist der Begriff des Kirchenlehrers nicht genau bestimmt. Allerdings kann man wohl Gregor von Nyssa, Papst Leo den Großen, Maximus den Bekenner, Johannes von Damaskus, Symeon den Neuen Theologen, Gregorios Palamas und Markus von Ephesus weitgehend unbestritten dazu zählen.

Kirchenlehrer der lateinischen Kirche

Die vier lateinischen Kirchenväter, Michael Pacher 1471–79

In der lateinischen Kirche waren ursprünglich nur Hieronymus, Ambrosius von Mailand, Augustinus von Hippo und Papst Gregor der Große Kirchenlehrer. Als solche wurden sie 1295 von Papst Bonifatius VIII. bestätigt. Im 16. Jahrhundert wurde die Liste erstmals erweitert. Papst Pius V. erklärte 1567 Thomas von Aquin und 1568 Athanasius den Großen, Basilius den Großen, Gregor von Nazianz und Johannes Chrysostomos zu Kirchenlehrern. 1588 folgte Bonaventura. Einerseits ging es darum, die Bedeutung des Aquinaten und seiner Summa theologica als maßgebliches Lehrbuch der Theologie herauszustellen; andererseits war das Interesse an den griechischen Theologen der Alten Kirche durch Humanismus und Gegenreformation gestiegen. Ein consensus patrum, der die römisch-katholische Position stützte, war in zeitgenössischen kontroverstheologischen Gesprächen ein wertvolles Argument.[2]

Seit dem 18. Jahrhundert wurden weitere Kirchenlehrer hinzugefügt, zuletzt 2015 mit Gregor von Narek auch ein Mönch der armenischen Kirche. Unter den Kirchenlehrern der römisch-katholischen Kirche sind vier Frauen: Teresa von Ávila, Katharina von Siena, Thérèse von Lisieux und Hildegard von Bingen. Sie wurden 1970 oder später der Liste der Kirchenlehrer hinzugefügt. Darin zeigt sich eine höhere Bewertung von Frauen durch die Kirche, aber auch eine stärkere Gewichtung von mystischer Begabung und Spiritualität für die Zuerkennung des Kirchenlehrertitels.[2]

Der Titel wird in der lateinischen Kirche durch die Heiligsprechungskongregation verliehen und vom Papst genehmigt, nachdem die Schriften des Heiligen durch die Glaubenskongregation sorgfältig geprüft wurden. Geregelt ist dies in der apostolischen Konstitution Pastor Bonus, 28. Juni 1988, Art. 73. Es handelt sich dabei nicht um eine Entscheidung ex cathedra und es wird dadurch nicht erklärt, dass es in den Schriften des Kirchenlehrers keinen Irrtum gebe. Die römisch-katholische Kirche hat die Bedingungen für den Titel ausgeführt: orthodoxa doctrina (Rechtgläubigkeit, aber nicht Irrtumslosigkeit), eminens doctrina (herausragende Lehre), insignis vitae sanctitas (ein hoher Grad von Heiligkeit) und ecclesiae declaratio (Erhebung zum Kirchenlehrer durch die Kirche); diese zusammenfassende Festlegung stammt von Papst Benedikt XIV. (De servorum Dei beatificatione et beatorum canonizatione, 1741).[2]

Vollständige Liste der katholischen Kirchenlehrer (37 Heilige)

Namegeb.gestern.Tätigkeit
Gregor der Große5406041295Benediktiner, Papst
Ambrosius von Mailand3403971295Bischof von Mailand
Augustinus von Hippo3544301295Bischof von Hippo
Hieronymus3474201295Priester, Bibelübersetzer
Thomas von Aquin122512741567italienischer Dominikaner, Hauptvertreter der Scholastik
Johannes Chrysostomos349/3504071568Erzbischof von Konstantinopel
Basilius von Caesarea3303791568Bischof von Cäsarea
Gregor von Nazianz3293901568Erzbischof von Konstantinopel
Athanasius der Große2983731568Bischof von Alexandria
Bonaventura122112741588Franziskaner, Bischof von Albano
Anselm von Canterbury103311091720Benediktiner, Erzbischof von Canterbury, Begründer der Scholastik
Isidor von Sevilla5606361722Bischof von Sevilla
Petrus Chrysologus3804501729Bischof von Ravenna
Leo der Große4004611754Papst
Petrus Damiani100610721828Benediktiner, Bischof von Ostia
Bernhard von Clairvaux109011531830französischer Zisterzienser, Mystiker
Hilarius von Poitiers3153671851Bischof von Poitiers
Alfons von Liguori169617871871Bischof von Sant’Agata de’ Goti und Ordensgründer der Redemptoristen
Franz von Sales156716221877Bischof von Genf, Gründer der Salesianerinnen
Kyrill von Alexandria3764441883Patriarch von Alexandria
Kyrill von Jerusalem3153861883Bischof von Jerusalem
Johannes von Damaskus6507541890Mönch, Dogmatiker
Beda Venerabilis6737351899englischer Benediktiner, Geschichtsschreiber
Ephräm der Syrer3063731920Einsiedler
Petrus Canisius152115971925erster deutscher Jesuit
Johannes vom Kreuz154215911926spanischer Karmelit und Mystiker, Gründer der Unbeschuhten Karmeliten
Robert Bellarmin154216211931Jesuit, Erzbischof von Capua
Albertus Magnusum 120012801931Dominikaner, Bischof von Regensburg, Universalgelehrter
Antonius von Padua119512311946portugiesischer Franziskaner, Prediger
Laurentius von Brindisi155916191959italienischer Kapuziner
Teresa von Ávila151515821970spanische Karmelitin, Mystikerin, Gründerin der Unbeschuhten Karmelitinnen
Katharina von Siena134713801970italienische Mystikerin
Thérèse von Lisieux187318971997französische Karmelitin
Johannes von Ávila149915692012spanischer Priester, Mystiker
Hildegard von Bingen109811792012deutsche Benediktinerin, Mystikerin
Gregor von Narek[3]95110032015armenischer Mönch und Mystiker
Irenäus von Lyon1352022022Bischof von Lyon

Literatur

  • Paul Bernhard Wodrazka: Das Verfahren zur Erhebung eines Heiligen zum Kirchenlehrer (Kanonistische Reihe 26), St. Ottilien 2015.
  • Ferdinand Holböck: Die 33 Kirchenlehrer. Christiana-Verlag, Stein am Rhein 2003. ISBN 3-7171-1107-8.
  • Walter Kasper (Hg.): Lexikon für Theologie und Kirche. Sechster Band, Freiburg i. Br. 2006. ISBN 978-3-451-22012-8.
  • Benedikt XVI.: Kirchenlehrer der Neuzeit. Mit einem Vorwort von Daniel Eichhorn. Bonn, Lepanto Verlag 2012. ISBN 978-3-942605-04-5.

Weblinks

Commons: Kirchenlehrer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Kirchenlehrer – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Apostolisches Schreiben Benedikts XVI. vom 7. Oktober 2012 auf Lateinisch und auf Deutsch
  2. a b c Heribert Smolinsky: Kirchenlehrer, Kirchenlehrerin. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 6. Herder, Freiburg im Breisgau 1997, Sp. 20–22.
  3. San Gregorio di Narek Dottore della Chiesa Universale. In: Tägliches Bulletin. Presseamt des Heiligen Stuhls, 23. Februar 2015, abgerufen am 23. Februar 2015 (italienisch).

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