Kirchenburg

Kirchenburg in Tartlau, Siebenbürgen

Als Kirchenburg bezeichnet man die Befestigungen um einen Kirchhof, die in Mittelalter und Früher Neuzeit von der Bevölkerung als Rückzugsort bei kriegerischen Auseinandersetzungen (Funktion der Fliehburg) und als Lagerort für Vorräte genutzt wurden. Die Kirchenburg kann aus Mauern, Gräben und Türmen bestehen. Weist die Kirche selbst solche Verteidigungsfunktionen auf, spricht man von einer Wehrkirche.

Baugeschichte der Kirchenburgen

Die Kirche ist dabei von einer wehrhaften Mauer umgeben, die mit Wehrgängen und Wehrtürmen ausgestattet ist oder mit Gaden. Eine Kirchenburg ist meist eine Kombination aus einer Wehrkirche, deren Verteidigungsmauern lediglich die Kirchenmauern selbst sind, mit einem befestigten Wehrkirchhof. Während eine Wehrkirche ein Einzelgebäude ist, ist eine Kirchenburg ein Gebäudekomplex. Fälschlich werden die Begriffe manchmal synonym verwendet.

Im Frühmittelalter wurden die frühen Bischofssitze, insbesondere in den neu christianisierten Gebieten wie dem Stammesherzogtum Sachsen, meist als Kirchenburgen ausgestaltet. Man spricht hier von einer Domburg.

Besonders häufig findet man Kirchenburgen in historischen Grenzregionen wie Franken, Niederösterreich, Kärnten, der Steiermark, der Mark Krain sowie in Siebenbürgen. Auch in Südfrankreich entstanden Kirchenburgen zum Schutz vor der Piraterie der Sarazenen, während in Italien hochgelegene Wehrdörfer häufiger sind. Insbesondere in Siebenbürgen, seit dem 12. Jahrhundert Siedlungsgebiet der Siebenbürger Sachsen in Rumänien, gibt es weit über hundert Kirchenburgen, von denen sieben zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurden (Birthälm/Biertan 1993, Kelling/Calnic, Wurmloch/Valea Viilor, Dersch/Darjiu, Deutsch-Weißkirch/Viscri, Keisd/Saschiz und Tartlau/Prejmer 1999). Erbaut und instand gehalten wurden sie, um sich gegen die immer wiederkehrenden Türkeneinfälle zu verteidigen.

Die heutzutage noch erhaltenen Kirchenburganlagen entstanden ab dem 15. Jahrhundert. Die Dörfler hatten im Gegensatz zu den Städtern nicht das Geld, um Wehranlagen rings um das Dorf zu errichten. Sie waren aber nicht minder den kriegerischen Auseinandersetzungen ihrer Landesherren und damit auch Überfällen und Plünderungen ausgesetzt. Auch größere Räuberbanden waren eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Die Kirche, oft der einzige Steinbau im Ort, war am ehesten geeignet, um sich darinnen zu verteidigen, so entstanden die unterschiedlichen Formen, vom befestigten Wehrfriedhof, über einfache Wehrkirchen bis zur Kirchenburg. Besonders in Franken sind die Kirchen mit Gaden umgeben, die als Speicher dienten, wodurch man eine mehrtägige Belagerung aushalten konnte.

Kirchenburgen haben sich in Norddeutschland nicht erhalten. Vermutlich liegt das daran, dass in den steinarmen Gegenden das Material demontierter Ringmauern um die Kirchen anderweitig verbaut wurde. Die bisher einzig bekannte Kirchenburg im Küstenbereich ist die Dionysiuskirche in Bremerhaven-Wulsdorf, für die eine Feldstein-Ringmauer in einer Höhe bis zu 3,60 m überliefert ist.

Liste von Ortschaften mit bestehenden Kirchenburgen

Deutschland

Laichingen auf der Schwäbischen Alb

Baden-Württemberg

Landkreis Alb-Donau:

Landkreis Böblingen:

Enzkreis:

Landkreis Heilbronn:

Landkreis Ludwigsburg:

Landkreis Main-Tauber:

Wehrkirche Oberschüpf
Wehrkirche Urphar

Landkreis Tuttlingen:

Landkreis Rottweil:

Bayern

Landkreis Ansbach:

Landkreis Bad Kissingen:

Landkreis Bayreuth:

Landkreis Cham:

Landkreis Eichstätt:

Landkreis Erlangen-Höchstadt:

Landkreis Forchheim:

Kirchenburg Effeltrich

Landkreis Haßberge:

Landkreis Kitzingen:

Kirchenburg Kleinlangheim
Kirchenburg/Wehrkirche Zum Heiligen Geist in Grafengehaig

Landkreis Kulmbach:

Landkreis Landsberg am Lech:

Landkreis Main-Spessart:

Landkreis Miltenberg:

Landkreis Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim:

Landkreis Passau:

  • KößlarnPfarrkirche Heiligste Dreifaltigkeit

Landkreis Rhön-Grabfeld:

Landkreis Schweinfurt:

(c) Andreas König, CC BY-SA 3.0
Kirchgaden in Geldersheim

Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen

Kirchenburg in Cronheim

Landkreis Würzburg:


Stadt Nürnberg:

Niedersachsen

Landkreis Osnabrück:

Thüringen

Sachsen

Landkreis Görlitz

  • HorkaWehrkirche Horka

Luxemburg

  • Echternach: die ehemalige Pfarrkirche Sankt Peter und Paul wurde innerhalb römischer Mauern errichtet, die sie bis ins 18. Jahrhundert hinein beschützten.
  • Luxemburg: es besteht noch ein Turm des ansonsten gänzlich zerstörten befestigten Klosters Altmünster[1]

Österreich

Schweiz

Schönberg (Rumänien)

Rumänien (Siebenbürgen)

In Siebenbürgen sind noch 165 Kirchenburgen erhaltenen.[2] Sieben Kirchenburgen in Rumänien wurden zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt.[3][4]

Literatur

  • Karl Kolb: Wehrkirchen, Kirchenburgen. Edition Kolb im Echter-Verlag, Würzburg 1977.
  • Karl Kolb: Wehrkirchen in Europa: eine Bild-Dokumentation. Echter, Würzburg 1983, ISBN 3-429-00818-2.

Deutschsprachiger Raum

  • Wolfram Freiherr von Erfa: Wehrkirchen in Oberfranken. Kulmbach 1956.
  • Reinhard Schmitt: „Wehrhafte Kirchen“ und der „befestigte Kirchhof“ von Walldorf, Kreis Schmalkalden-Meiningen. In: Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt. 9, 2000, S. 127–149. (kritisch u. a. zu G. Seib)
  • Dieter Bischop, Nicola Borger-Keweloh, Dieter Riemer (Hrsg.): Burg und Kirche in Wulsdorf. Bremerhaven 2014, ISBN 978-3-931771-00-3.
  • Karl Kolb: Wehrkirchen und Kirchenburgen in Franken. 2. Auflage. Echter, Würzburg 1981, ISBN 3-921056-16-0.
  • Fred Kaspar (Hrsg.): Im Speicher auf dem Kirchhof. Wohnen und Arbeiten im Zentrum von Kleinstadt und Dorf. (= Einblicke. Schriften der Stiftung Kleines Bürgerhaus. Band 5). Petersberg 2018.
  • Joachim Zeune: Gottes Burgen. Kirchenburgen, Wehrkirchhöfe und Wehrkirchen in Franken, Friedrich Pustet/Morsbach, Regensburg 2022.
  • Hans u. Berta Luschin: Kärntens schönste Wehrkirchen. Carinthia, Klagenfurt 1985, ISBN 3-85378-237-X.
  • Heinz Müller: Wehrhafte Kirchen in Sachsen und Thüringen. Oberlausitzer Verlag, Waltersdorf 1992, ISBN 3-928492-26-8.
  • Ursula Pfistermeister: Wehrhaftes Franken : Burgen, Kirchenburgen, Stadtmauern. Carl, Nürnberg 2000, ISBN 3-418-00387-7.
  • Dirk Höhne und Reinhard Schmidt (Hrsg.): Wehrhafte Kirchen und befestigte Kirchhöfe (Veröffentlichung der Landesgruppen Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen der Deutschen Burgenvereinigung e. V. zur Tagung in Meiningen vom 12.-14. Oktober 2012). Beier u. Beran, Langenweißbach 2015.
  • Michael Weithmann: Wehrkirchen in Oberbayern. Eine typologische Übersicht. In: Schönere Heimat. ISSN 0177-4492. 1992, Heft 4, S. 211–222.
  • Gerhard Seib: Wehrhafte Kirchen in Nordhessen. (= Beiträge zur hessischen Geschichte. 14). Trautvetter & Fischer, Marburg an der Lahn 1999, ISBN 3-87822-111-8.
  • Joachim Zeune: Neue Forschungen an fränkischen Kirchenburgen. In: Burgenforschung aus Sachsen. 5/6 1995, S. 226–239. (kritisch hierzu, insbesondere zu den Publikationen von Kolb)
  • Dirk Höhne, Christine Kratzke (Hrsg.): Die mittelalterliche Dorfkirche in den Neuen Bundesländern II. Funktion, Form, Bedeutung (= Hallesche Beiträge zur Kunstgeschichte. 8). Halle 2006. (elf Aufsätze zum Thema „Wehrhaftigkeit von Dorfkirchen“)
  • Dirk Höhne: Bemerkungen zur sogenannten Wehrhaftigkeit mittelalterlicher Landkirchen. In: Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt. 12 (2003), S. 119–149. (kritisch u. a. zu H. Müller)

Siebenbürgen

  • Hermann und Alida Fabini: Kirchenburgen in Siebenbürgen. Abbild und Selbstdarstellung siebenbürgisch-sächsischer Dorfgemeinschaften 2. Auflage. Koehler und Amelang, Leipzig 1991, ISBN 3-7338-0073-7.
  • Hermann Fabini: Atlas der siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen und Dorfkirchen. Monumenta-Verlag, Hermannstadt, ISBN 3-929848-15-5. (AKSL, Heidelberg 1999, ISBN 973-98825-0-1) (527 Kirchenburgen, alle bekannten, sind mit Grundrissen und Beschreibungen der Baugeschichte vertreten)
  • Heinrich Lamping: Kirchenburgen in Siebenbürgen. Geographische Analysen, Kurzbeschreibungen, Bilddokumentation. (= Frankfurter wirtschafts- und sozialgeographische Schriften. Heft 57). Selbstverlag des Instituts für Wirtschafts- und Sozialgeographie, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main 1991.
  • Arne Franke: Das wehrhafte Sachsenland. Kirchenburgen im südlichen Siebenbürgen. Deutsches Kulturforum östliches Europa, Potsdam 2007, ISBN 978-3-936168-27-3. Kurzbeschreibung Das wehrhafte Sachsenland. online

Siehe auch

Weblinks

Commons: Kirchenburgen und Wehrkirchen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Kirchenburg – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Siebenbürgen
Bayern

Einzelnachweise

  1. Albert Jacquemin: Burgbefestigungen der Stadt Luxemburg. Imprimerie Saint-Paul, Luxembourg 1991, S. 163–164.
  2. Markus Bauer: Kleinode der Weltarchitektur. Die Kirchenburgen der Siebenbürger Sachsen. In: Neuer Zürcher Zeitung vom 6. Juli 2017, S. 38.
  3. Villages with Fortified Churches in Transylvania. UNESCO World Heritage Centre 1992–2010.
  4. Sören Pichotta: Museen der Kirchenburgen – Kleinode in Siebenbürgen. Schiller, Hermannstadt/Bonn 2008.

Auf dieser Seite verwendete Medien

Prejmer 200609.jpg
Kirchenburg in Tartlau, Siebenbürgen, Rumänien
Effeltrich-Ansicht von Südsüdosten mit Kirchhofmauer (Torbogen und rekonstruierter Wehrgang) sowie Südost- und Nordost- Rundtürmen-29052012.JPG
Autor/Urheber: Robert Pietschmann, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Effeltrich-Ansicht von Südsüdosten mit Kirchhofmauer (Torbogen und rekonstruierter Wehrgang) sowie Südost- und Nordost- Rundtürmen-29052012
Laichinger Kirchenburg.jpg
Autor/Urheber: Dr. Eugen Lehle, Lizenz: CC BY-SA 3.0
In der Laichinger Kirchenburg ist auch das Heimat-und Webereimuseum der Leinenweberstadt untergebracht.
Tour Altmünster Luxembourg.JPG
Autor/Urheber: Philippe Henri Blasen, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Tour de l'ancien monastère Altmünster, Luxembourg-ville
Friedhofstor und Kirchturm in Cronheim.JPG
Autor/Urheber: Aarp65, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Friedhofstor und Kirchturm in Cronheim
Kbschoenberg.jpg
(c) Stbichler, CC BY-SA 3.0

Kirchenburg Schönberg

Dieses Bild zeigt das historische Denkmal in județul Sibiu mit der Nummer SB-II-a-A-12378.
KibuKl.JPG
Autor/Urheber: Irmgard (Sucomo) (Diskussion), Lizenz: CC BY-SA 3.0
Kirchenburg Kleinlangheim
Eglise-Pierre-et-Paul-Echternach.JPG
Autor/Urheber: Philippe Henri Blasen, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Ancienne église paroissiale Saints-Pierre-et-Paul d'Echternach
Gaden Geldersheim 2014 15.jpg
(c) Andreas König, CC BY-SA 3.0
Gadenanlage der Kirchenburg von St. Nikolaus. Würzburger Straße 14, Geldersheim, Unterfranken, Bayern, Deutschland.
Grafengehaig Kirche 3.JPG
Autor/Urheber: Benreis, Lizenz: CC BY 3.0
Die Kirche von Grafengehaig