Kibyra

Koordinaten: 37° 10′ N, 29° 29′ O

Reliefkarte: Türkei
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Kibyra
Theater
Stadion
Gladiatorenreliefs im Archäologischen Museum Burdur

Kibyra (altgriechisch Κίβυρα) war eine antike Stadt in Kleinasien im Süden von Phrygien an der Grenze zu Lykien. Es wurde auch „das große Kibyra“ (ἡ μεγάλη) genannt im Gegensatz zum in Pamphylien gelegenen „kleinen“ Kibyra. Die Ruinen der Stadt liegen 3 km nordwestlich vom heutigen Ort Gölhisar (ehemals Horzum) in der Provinz Burdur entfernt.

Die Gründung durch Sparta ist eine Ursprungsüberlieferung, die erst unter der Regierungszeit von Kaiser Hadrian (reg. 117–135 n. Chr.) inschriftlich belegt ist und dazu diente, die Zugehörigkeit zum Panhellenion zu legitimieren. Die Stadt wurde indes im späten 3. Jh. v. Chr. von ihrem alten Siedlungsplatz weg (s. u.) verlegt und neu gegründet, vermutlich als Kolonie von Termessos in Pisidien. Im Jahr 189 v. Chr. konnte der Stadtherr Moagetes, der bei Polybios als Tyrann qualifiziert wird, nur mühsam und durch das Versprechen hoher Kontributionen abwehren, dass Gnaeus Manlius Vulso während seines Feldzuges durch Südwest-Kleinasien die Stadt und ihr Territorium plünderte.[1] Obwohl Manlius Vulso dem Moagetes vorgeworfen hatte, während des Krieges gegen Antiochos III. gegen die Römer agiert zu haben, gelang es den Kibyraten innerhalb weniger Jahre, den Abschluss eines formellen Bündnisvertrages mit Rom zu erwirken (174 v. Chr.). Der Vertrag ist durch eine zweisprachige Inschrift (Griechisch/Latein) überliefert, die in den Jahren 2011–2013 während archäologischer Ausgrabungen entdeckt wurde. Sie ist derzeit das älteste Exemplar eines auf Stein überlieferten römischen Bündnisvertrages.[2]

In späthellenistischer Zeit führte Kibyra einen Vierstädtebund (Tetrapolis) an, der vermutlich schrittweise aus einem Friedensvertrag hervorging, den Kibyra zunächst mit Balboura, Bubon und einem wohl unabhängigen Söldnerführer geschlossen hatte, der ebenfalls Moagetes hieß.[3] Nach der Mitte des 2. Jhs. v. Chr. trat auch Oinoanda hinzu.[4] Darüber hinaus unterhielt Kibyra vertragliche Beziehungen insbesondere zu karischen Städten wie Apollonia Salbake,[5] Plarasa/Aphrodisias und Tabai.[6] Der Städtebund wurde 82/81 v. Chr. von den Römern unter Lucius Licinius Murena aufgelöst.[7] Kibyra gehörte danach zur römischen Provinz Asia, seit 249 n. Chr. zur Provinz Caria, wie aus einer Ehreninschrift für Q. Fabius Clodius Agrippianus Celsinus hervorgeht, der bis 251 n. Chr. als Statthalter der neuen Provinz fungierte. Kibyra war eine wichtige Handelsstadt und erlitt bei einem Erdbeben 23 n. Chr. schwere Schäden, wurde aber wieder aufgebaut. Heute zeugen ausgedehnte Ruinen von der ehemaligen Größe der Stadt, darunter ein Theater, ein Odeion, ein von türkischen Ausgräbern freigelegtes Stadion und eine Gräberstraße.

Seit 1995 führt Thomas Corsten (Universität Wien, Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik) epigraphische Surveys in Kibyra und der als Kibyratis bezeichneten westlichen Provinz Burdur durch. Von 2008 bis 2014 hat er gemeinsam mit Oliver Hülden (LMU München, Institut für Klassische Archäologie; jetzt: Österreichische Akademie der Wissenschaften/Österreichisches Archäologisches Institut, Wien) ein stärker archäologisch orientiertes Feldforschungsprojekt durchgeführt, das von der Gerda Henkel Stiftung in Düsseldorf gefördert wird und sich in der Publikationsphase befindet. Im Zuge dieser Forschungen konnte die offenbar lydische Vorgängersiedlung des hellenistisch-kaiserzeitlichen Kibyra[8] mit einem primär archaischen Siedlungsplatz identifiziert werden, der ca. 10 km von Gölhisar entfernt auf einer felsigen Halbinsel am Gölhisar Gölü (Gölhisar-See) bei Uylupınar gelegen ist. Im Stadtgebiet des hellenistischen, kaiserzeitlichen und spätantik-byzantinischen Kibyra sind Ausgrabungen durch die Mehmet Akif Ersöy Universität Burdur im Gange. Die Funde aus Kibyra, darunter ein beachtlicher Gladiatoren-Fries, sind im Archäologischen Museum Burdur ausgestellt.

Literatur

  • Thomas Corsten, Oliver Hülden, Jörg Gebauer: Research in the Kibyratis in 2009. In: AnadoluAkden 8, 2010, S. 143–147.
  • Thomas Corsten, Rosalinde Kearsley, G. Horsley: Inscriptions from Kibyra in the Museum at Burdur/Turkey. In: Epigraphica Anatolica. Band 28, 1997, S. 53–56.
  • Thomas Corsten: Kibyra 2001. In: 20. Araştırma Sonuçları Toplantısı. Ankara 2003, II, S. 83–84 (PDF online).
  • Thomas Corsten: Die Inschriften von Kibyra, 1. Die Inschriften der Stadt und ihrer näheren Umgebung. Habelt, Bonn 2002, ISBN 3-7749-3034-1 (Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien, 60).
  • Thomas Corsten, Thomas Drew-Bear, M. Özsait: Forschungen in der Kibyratis. In: Epigraphica Anatolica. Band 30, 1998, S. 47–80.
  • Thomas Corsten: Kibyra. Bericht über die Forschungsreise 1996. In: 15. Araştırma Sonuçları Toplantısı. Ankara 1998, I, S. 367–369 (PDF online).
  • Thomas Corsten: Kibyra 1998. In: 17. Araştırma Sonuçları Toplantısı. Ankara 2000, I, S. 215–216 (PDF online).
  • Thomas Corsten, Oliver Hülden: Research in the Kibyratis in 2010. In: AnadoluAkden 9, 2011, S. 180–183.
  • George Ewart Bean: Kibyra maior (Horzum [Gölhisar]) Phrygia, Turkey. In: Richard Stillwell u. a. (Hrsg.): The Princeton Encyclopedia of Classical Sites. Princeton University Press, Princeton NJ 1976, ISBN 0-691-03542-3 (englisch, perseus.tufts.edu).
  • Thomas Corsten: Kibyratis in Antiquity. In: Anatolian Archaeology. Band 11, 2005.
  • Dieter Erkelenz: Zur Provinzzugehörigkeit Kibyras in der römischen Kaiserzeit. In: Epigraphica Anatolica. Band 30, 1998, S. 81–95.
  • Thomas Corsten: Kibyra 2003. In: 22. Araştırma Sonuçları Toplantısı. Band 1. Ankara 2005, S. 29–34 (PDF online).
  • Marco Vitale, Kibyra, die Tetrapolis und Murena: eine neue Freiheitsära in Boubon und Kibyra?. In: Chiron. Band 42, 2012, 551–566.
  • Thomas Corsten: Kibyra. Bericht über die Forschungsreise 1995. In: 14. Araştırma Sonuçları Toplantısı. Ankara 1997, S. 63–72 (PDF online).
  • Rosalinde A. Kearsley: The Asiarchs of Cibyra again. In: Tyche. Band 11, 1996, S. 129–155.
  • N. P. Milner: An Epigraphical Survey in the Kibyra-Olbasa Region conducted by A. S. Hall. London 1998, ISBN 1-898249-10-5 (= British Institute of Archaeology at Ankara Monograph No. 23).
  • Thomas Corsten: Kibyratis in Antiquity. In: Anatolian Archaeology. Band 10, 2004, S. 22–23.
  • Thomas Corsten: Kibyratis in Antiquity. In: Anatolian Archaeology 7, 2001, S. 17.
  • Thomas Corsten, Oliver Hülden: Forschungen in der Kibyratis im Jahre 2008. In: 27. Araştırma Sonuçları Toplantısı. Ankara 2010, H. 1, S. 351–363 (PDF online).
  • Sarah Japp: Die lokale Keramikproduktion von Kibyra. In: Rei Cretariae Romanae Fautores Acta. Band 39, 2005, S. 237–241.
  • Thomas Corsten: Kibyra 2002. In: 21. Araştırma Sonuçları Toplantısı. Ankara 2004, I S. 229–234 (PDF online).
  • Peter Herz, Asiarchen und Archiereiai. Zum Provinzialkult der Provinz Asia. In: Tyche 7, 1992, 93–115, hier: 93–103 (zur Familie der Claudii Polemones von Kibyra).
  • Thomas Corsten: Kibyra 2004. In: 23. Araştırma Sonuçları Toplantısı. Ankara 2006, I, S. 19–20 (PDF online).
  • George Ewart Bean: Notes and inscriptions from the Cibyratis and Caralitis. In: The Annual of the British School at Athens. Band 51, 1956, S. 136–149.
  • Daria de Bernardi Ferrero: Teatri classici in Asia Minore, 1: Cibyra, Selge, Hierapolis. Rom 1966.
  • S. S. Başer: 1988–1989 Yılları Kibyra Kurtarma Kazıları [Rettungsgrabung in Kibyra, 1988–89]. In: I. Müze Kurtarma Kazıları Semineri, Ankara 19–20 nisan 1990. Ankara 1991, S. 235–260.
  • Şükrü Özüdoğru: Kibyra. Kibyra Maior / Caesarea Cibyra (= Kibyra Kazı ve Araştırmaları Monografi Serisi. Band 1). Istanbul 2020, ISBN 978-605-396-516-9.
  • Rosalinde A. Kearsley: A Leading Family of Cibyra and some Asiarchs of the First Century. In: Anatolian Studies. Band 38, 1988, S. 43–46.
  • Ludwig Meier, Kibyra und die Räuber: Ein neues Grabepigramm. In: H. Metin, B. A. Polat Becks, R. Becks, M. Fırat (Hrsg.), Pisidia Yazıları. Hacı Ali Ekinci Armağanı – Pisidian Essays in Honour of Hacı Ali Ekinci, Istanbul 2015, 71–76.
  • Thomas Corsten: Kibyra und Lykien. In: Christof Schuler (Hrsg.): Griechische Epigraphik in Lykien. Eine Zwischenbilanz. Akten des internationen Kolloquiums München, 24.–26. Februar 2005, Wien 2007, 175–181.
  • Thomas Corsten, Oliver Hülden, Zwischen den Kulturen. Feldforschungen in der Kibyratis. Bericht zu den Kampagnen 2008–2011. Mit Beiträgen von J. Gebauer und K. B. Zimmer. In: Istanbuler Mitteilungen. Band 62, 2012, 7-117 (online auf academia.edu).
  • Dennis Rousset, De Lycie en Cabalide. La convention entre les Lyciens et Termessos près d’Oinoanda, Fouilles de Xanthos X, Genf 2010.
  • Thomas Corsten: Kibyratis in Antiquity. In: Anatolian Archaeology. Band 8, 2002, S. 20.
  • Thomas Corsten, Oliver Hülden, Jörg Gebauer, Forschungen in der Kibyratis im Jahre 2009. In: 28. Araştırma Sonuçları Toplantısı. Ankara 2011, H. 1, 67-81 (PDF online).
  • Ludwig Meier, Kibyra in hellenistischer Zeit. Neue Staatsverträge und Ehreninschriften, Ergänzungsbände zu den Tituli Asiae Minoris 29, Wien 2019.
  • Thomas Corsten: Ein neues Buchstabenorakel aus Kibyra. In: Epigraphica Anatolica. Band 28, 1997, S. 41–49.
  • Thomas Corsten: Kibyra 1999. In: 18. Araştırma Sonuçları Toplantısı. Ankara 2001, I, S. 255–256 (PDF online).
  • Thomas Corsten: Kibyra 1997. In: 16. Araştırma Sonuçları Toplantısı. Ankara 1999, I, S. 387–390 (PDF online).
  • Thomas Corsten: Estates in Roman Asia Minor: the case of Kibyratis. In: St. Mitchell, C. Katsari (Hrsg.): Patterns in the Economy of Roman Asia Minor. Swansea 2005, S. 1–52.
  • Thomas Corsten: Kibyratis in Antiquity. In: Anatolian Archaeology. Band 9, 2003, S. 26–27.

Weblinks

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Anmerkungen

  1. Polybios 21, 34, 1–13; Livius 38, 13, 11–14, 14.
  2. Ludwig Meier, Kibyra in hellenistischer Zeit. Neue Staatsverträge und Ehreninschriften, Ergänzungsbände zu den Tituli Asiae Minoris 29, Wien 2019, 9ff. Nr. 1.
  3. vgl. Meier 2019, 51ff. Nr. 3.
  4. Dennis Rousset, De Lycie en Cabalide. La convention entre les Lyciens et Termessos près d’Oinoanda, Fouilles de Xanthos X, Genf 2010, 99.
  5. Meier, Kibyra, 41ff. Nr. 2.
  6. Thomas Corsten: Die Inschriften von Kibyra, 1. Die Inschriften der Stadt und ihrer näheren Umgebung, Bonn 2002, S. 13 ff. Nr. 2.
  7. Marco Vitale, Kibyra, die Tetrapolis und Murena: eine neue Freiheitsära in Boubon und Kibyra?. In: Chiron. Band 42, 2012, 551–566.
  8. Strabon 13, 4, 17; vgl. Thomas Corsten, Oliver Hülden, Zwischen den Kulturen. Feldforschungen in der Kibyratis. Bericht zu den Kampagnen 2008–2011. Mit Beiträgen von J. Gebauer und K. B. Zimmer. In: Istanbuler Mitteilungen. Band 62, 2012, 7-117.

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