Khalil as-Sakakini

Khalil as-Sakakini
Sakakini (zweiter von links) mit seiner Familie vor seinem Haus in Katamon, Jerusalem 1947

Khalil as-Sakakini (arabisch خليل السكاكيني Chalil as-Sakakini; * 23. Januar 1878 in Jerusalem, Osmanisches Reich; † 13. August 1953 in Kairo, Ägypten) war ein palästinensischer Pädagoge, Schriftsteller und arabischer Nationalist.

Leben

Khalil as-Sakakini wurde 1878 in Jerusalem in einer arabisch-christlichen Familie geboren. Seine schulische Ausbildung erhielt er in Jerusalem an der griechisch-orthodoxen Schule, der anglikanischen Schule der Christian Mission Society und dem Zion English College.

Nach einem neunmonatigen Aufenthalt in den Vereinigten Staaten, wo er nicht nur Arabischstunden[1] gab, als Marktverkäufer[1] arbeitete und in einer Fabrik[1] sein Auskommen fand, sondern auch an der Columbia University[1] studierte, kehrte er nach Jerusalem zurück und gründete 1909 eine Schule unter dem Namen Dusturiyyah[2] („Konstitutionelle Schule“), in der erstmals Grundsätze der Reformpädagogik verwirklicht wurden. Es gab weder Examen,[2] Auszeichnungen noch Bestrafungen für die Schüler.[2] Dem kritischen Verstehen der Unterrichtsthemen gab sein pädagogischer Ansatz den Vorzug gegenüber dem Auswendiglernen.[2] Sowohl Schüler als auch Lehrer mussten sich dabei selbst evaluieren. Der Schwerpunkt im Unterricht lag vermehrt auf Musik und Sport, und anstatt wie bisher in osmanischem Türkisch erfolgte der Unterricht nun in arabischer Sprache.[2] Einer seiner Schüler war der spätere palästinensische Politiker Musa Alami.[1]

Mit seiner Frau Sultana hatte er die beiden Töchter Hala und Dumia.[1] 1910 bis 1913 war er Herausgeber der Zeitung Al-Dustur (dt. Die Verfassung).[3] Danach übergab er deren Leitung Jamīl al-Khālidī.[3] Kurzzeitig gehörte er der Jerusalemer Sektion des Komitees für Einheit und Fortschritt[4] an, wozu er bald nach seiner Rückkehr aus New York eingeladen wurde, während zahlreichen anderen Interessenten diese Möglichkeit verweigert[4] wurde. Die Einführung in die Organisation beinhaltete einen feierlichen Eid[4] auf die Zweite Osmanische Verfassung. Gleichzeitig gehörte er der Osmanisch-arabischen Bruderschaft an.[4]

Als Erwachsenenbildner unterrichtete Sakakini trotz seiner Ablehnung des Zionismus auch zionistisch eingestellte Schüler in Arabisch, so 1914[5] den Landaufkäufer Binyamin Ivri,[5] ein Anhänger des Kulturzionisten Achad Ha'am.[5] In seinen Memoiren berichtet Sakakini von den Debatten die er mit Ivri über den Zionismus geführt hatte.[5]

1917 wurde Sakakini in Damaskus von osmanischen Behörden verhaftet, weil er seinen Schüler und Freund, den US-Amerikaner Alter Levine, einen jüdischen Versicherungsagenten[1] und angeblichen Spion,[5] der Gedichte unter dem Pseudonym Assaf Halevi[5] veröffentlichte, in seinem Haus beherbergt hatte.[5] Levin war als späteres Mitglied der „elitär-exklusiven“[5] Palestine Oriental Society[5] sehr gut vernetzt. Beide wurden nach Damaskus ausgeliefert und sollten dort gehängt werden, wurden jedoch begnadigt. Sakakini wurde im Januar 1918[1] aus dem Gefängnis entlassen, sein Freund Levine Ende April 1918.[1] Sie blieben einige Zeit in Damaskus. Levine verhalf ihm zu einem Darlehen[1] der Anglo-Palestine Bank. 1919[1] zog Sakakini nach Westjerusalem und bewohnte eine alte Windmühle. Aus der Gegend wurde bald der gepflegte Stadtteil Rechavia.[1] Mit Judah Leib Magnes,[5] dem ersten Präsidenten der Hebräischen Universität Jerusalem, verband ihn eine persönliche Freundschaft, die Arbeit im Erziehungsministerium der britischen Mandatsverwaltung brachte ihn mit Avinoam Yellin[5] zusammen. Auch mit Yaakov Yehoshua[5] war Sakakini befreundet.

Erstmals um 1860[6] und verstärkt seit Ende des 19. Jahrhunderts und erneut um 1908[6] begannen sich griechisch-orthodoxe Gläubige in Palästina aus der Vormundschaft der griechischen Mutterkirche zu lösen.[6] Sakakini hatte 1913 über diese sogenannte Nahda der Orthodoxie[7] geschrieben, die in Anlehnung an die „arabische Renaissance“ der Nahda so bezeichnet wird. Er veröffentlichte darüber das Buch Al-Nahda al-Urthuduksiyya fi Filastin[7] (dt. Die orthodoxe Renaissance in Palästina). Die Historikerin Michelle U. Campos, die Sakakini, neben Jurji Zakaria,[4] als einen der Anführer dieser Befreiungsbewegung gegen das „griechische Joch“ (arabisch: nīr al-Yūnān[4]) nennt, bezeichnet die Nahda der Orthodoxie auch als Griechisch-orthodoxe Revolution.[4]

Sakakini veröffentlichte zudem auch Artikel in der Zeitschrift al-Siyasa[3] (Die Politik) in Kairo. Während der Mandatszeit in Palästina wurde er 1926 zum Schulinspektor ernannt. Er baute ein Haus im Quartier Katamon für seine Familie. 1938 eröffnete er die Khulliyyat al-Nahda-Schule,[5] die sich zwischen dem arabischen Viertel Baqʿa[5] und dem jüdischen Viertel Talpiot[5] befand. Als erster jüdischer Schüler absolvierte Gideon Weigert[5] die Khulliyyat al-Nahda. Ein weiterer jüdischer Schüler war Yehuda Piamenta.[5]

Im Palästinakrieg 1948, einige Tage vor der Teilung der Stadt in Ost- und Westjerusalem, flüchtete die Familie Sakakini als eine der letzten aus Jerusalem nach Kairo. Dort wurde Sakakini vom ägyptischen Schriftsteller Taha Hussein eingeladen, der Akademie der arabischen Sprache beizutreten. Der plötzliche Tod seines Sohnes Sari, der 39-jährig an einem Herzinfarkt verstarb, erschütterte ihn. Er starb drei Monate später am 13. August 1953. Seine zwei Töchter Dumya und Hala kehrten nach Ramallah zurück, wo sie zu Beginn des 21. Jahrhunderts starben.

Sakakinis Publikationen befinden sich heute in der Hebräischen Universität Jerusalem.[3] In Ramallah ist das Khalil-Sakakini-Kulturzentrum[3] nach ihm benannt. Menachem Klein, Professor der Universität Bar-Ilan, schreibt in Lives in Common. Arabs and Jews in Jerusalem, Jaffa, and Hebron (2014), dass Khalil as-Sakakinis antizionistische Haltung nie in Antisemitismus umgeschlagen ist.[5]

Schriften

  • Filastīn ba’ad al-harb al-kubra [Palästina nach dem Großen Krieg]. Bayt al-Maqdis, Jerusalem 1925.[3]

Weblinks

Commons: Khalil as-Sakakini – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j k l Tom Segev: Es war einmal ein Palästina – Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels. Siedler Verlag (Random House), München 1999, ISBN 3-88680-805-X, S. 94 ff., 115, 162 f. (Originalausgabe: One Palestine, Complete: Jews and Arabs under the British Mandate, New York 2000; übersetzt von Doris Gerstner).
  2. a b c d e Paola Pizzo: La croce e la kefiah – Storia degli arabi cristiani in Palestina. Salerno Editrice, Roma 2020, ISBN 978-88-6973-524-0, S. 58 f.
  3. a b c d e f Lorenzo Kamel: Terra contesa – Israele, Palestina e il peso della storia. In: Collana Frecce. Nr. 345. Carocci editore, Roma 2022, ISBN 978-88-290-1450-7, S. 231; 66 und Fußnote 140, S. 233.
  4. a b c d e f g Michelle U. Campos: Ottoman Brothers – Muslims, Christians, and Jews in Early Twentieth-Century Palestine. Stanford University Press, Stanford (California) 2011, ISBN 978-0-8047-7068-2, S. 53, 98 f., 233.
  5. a b c d e f g h i j k l m n o p q r Menachem Klein: Jerusalem: geteilt, vereint – Araber und Juden in einer Stadt. Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Berlin 2018, ISBN 978-3-633-54289-5, S. 75 f., 92 (gekürzte deutschsprachige Ausgabe von Lives in Common. Arabs and Jews in Jerusalem, Jaffa, and Hebron, C. Hurst & Co. Publishers, 2014; übersetzt von Eva-Maria Thimme).
  6. a b c Gudrun Krämer: Geschichte Palästinas – Von der osmanischen Eroberung bis zur Gründung des Staates Israel (= Beck’sche Reihe. Nr. 1461). Verlag C. H. Beck, München 2002, ISBN 3-406-47601-5, S. 240.
  7. a b Mark Tessler: A History of the Israeli-Palestinian Conflict. In: Mark Tessler (Hrsg.): Indiana Series in Middle East Studies. 2. Auflage. Indiana University Press, Bloomington and Indianapolis 2009, ISBN 978-0-253-22070-7, S. 129, 861.

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Khalil Sakakini, Died in 1953
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Autor/Urheber: תמר הירדני, Lizenz: CC BY-SA 3.0
עיבוד לצילום של משפחת סכאכיני בפתח ביתה בקטמון ב-1947