Ketty Guttmann

Ketty Guttmann, auch Katharina Eckey, (29. April 1883 in Hungen25. September 1967 in Wermelskirchen[1]) war eine deutsche linke Politikerin und Aktivistin für die Rechte der Prostituierten.

Leben

Ketty Guttmann wird am 29. April 1883 unter den Namen Katharina Mathilde Margarethe Eckey in Hungen als Tochter des Buchdruckers Bernhard Eckey geboren. Am 18. Dezember 1906 heiratete sie Felix Hermann Guttmann (der 1918 verstarb), am 25. September 1907 wurde der Sohn Max geboren. Ketty Guttmann schloss sich vor dem Ersten Weltkrieg in Hamburg der SPD an und trat während der Novemberrevolution 1918 zur USPD über. Die in dieser Zeit als Versammlungsrednerin bekannte Guttmann trat bald darauf der KPD bei und wurde am 20. Februar 1921 in die Hamburgische Bürgerschaft gewählt. Am 8. August 1921 legte sie das Mandat nieder.

Daneben setzte sie sich für die Rechte der Prostituierten in Hamburg ein und zählte zu den Gründerinnen und Autorinnen der Zeitschrift Der Pranger – Organ der Hamburger Kontrollmädchen, die von der Hamburger Prostituierten-Vereinigung herausgegeben wurde. Lenin nahm auf diese Aktivitäten in seinen Gesprächen mit Clara Zetkin Bezug:

„Mir wurde erzählt, daß eine begabte Kommunistin in Hamburg eine Zeitung für die Prostituierten herausgibt und diese für den revolutionären Kampf organisieren will. Rosa [gemeint ist Rosa Luxemburg] hat als Kommunistin menschlich gefühlt und gehandelt, als sie sich in einem Artikel der Prostituierten annahm, die irgendein Vergehen gegen die Polizeivorschriften über die Ausübung ihres traurigen Gewerbes ins Gefängnis gebracht hat. Sie sind bedauernswerte doppelte Opfer der bürgerlichen Gesellschaft: erst ihrer verfluchten Eigentumsordnung und dann noch ihrer verfluchten moralischen Heuchelei. Das ist klar. Nur ein roher und kurzsichtiger Mensch kann das vergessen. Aber es ist doch etwas ganz anderes, das zu begreifen, als die Prostituierten - wie soll ich sagen - als eine besondere zukünftige revolutionäre Kampftruppe zu organisieren und eine Gewerbezeitung für sie herauszugeben.“

Clara Zetkin: Erinnerungen an Lenin. Berlin: Dietz Verl., 1985, S. 65

Nach dem Hamburger Aufstand im Oktober 1923 floh sie für einige Monate nach Moskau, nach ihrer Rückkehr nach Hamburg begann sie die Politik der KPD und der Kommunistischen Internationale als opportunistisch und konterrevolutionär zu kritisieren und wurde im Juli 1924 aus der Partei ausgeschlossen. Ketty Guttmann schloss sich nun der rätekommunistischen AAUE (Zwickauer Richtung) an, für welche sie in den Folgejahren aktiv war. In der AAUE-Schrift „Los von Moskau!“[2] skizzierte sie deren organisationsfeindliches Programm:

„Zeitungen soll man schaffen. Die werden bezahlt, und von dem Geld gibt man die neue Nummer heraus. Wenn sie niemand lesen will, ist sie nicht mehr wert, als dass sie krepiert. Druckereien brauchen wir nicht; werden uns im Kampfe sowieso genommen; nehmen wir uns gegebenenfalls im Kampf. Flugblätter, Betriebshetzereien machen wir selbst. Können ja lesen und schreiben. Zu Streikfonds sammeln wir nicht; streiken ohnehin ohne Unterstützung. Wenn unsere Genossen gefangen sitzen, sammeln wir; freiwillig. Wir schicken nichts an Zentralkassen ab. Die behalten immer den größten Teil für Gehälter von Leuten, die es nachher für ihre Aufgabe ansehen, uns über den Mund zu fahren. Brauchen wir mündliche Verständigung, rufen wir unsere Genossen zusammen, so viele oder so wenige ihrer sind. – Der Kampf um die wirtschaftliche und politische Macht wird uns gelingen, wenn jeder von uns eine Waffe hat, sie gebrauchen kann und zu gebrauchen entschlossen ist … Was im deutschen Proletariat nicht organisationsscheu ist, das ist nicht revolutionär …“

Ketty Guttmann: Los von Moskau! Hamburg o.J. (1924)[3]

1926 veröffentlichte Guttmann in der Zeitschrift Proletarischer Zeitgeist (Jg. 5. 1925/1926, Nr. 8) einen "Aufruf zur Bildung einer Anti-Kriegs-Liga", der in der Aussage gipfelte: "Arbeiter! Die Brandfackel des neuen Weltkrieges wird von Rußland geworfen!". Auch die von Heinrich Laufenberg redigierte linksradikale Kulturzeitschrift Die Harpune unterstützte Guttmanns Position.[4]

Im Juli 1946 wurde Ketty Guttmann, die damals in Burscheid lebte, von Ruth Fischer kontaktiert und es ergab sich bis zum Oktober 1947 ein intensiver Briefwechsel.[5]

Schriften

  • Liebe und Ehe. Briefe zweier Frauen. Hamburg: Internationaler Kultur-Verlag K. Hanf 1922 bzw. Leipzig: L. Staackmann 1922.
  • Los von Moskau! Allgemeine Arbeiter-Union (Einheits-Organisation), Hamburg o. J. (1924).
  • Die Frage der Familienerziehung im modernen Rußland. In: Die neue Erziehung. Monatsschrift für entschiedene Schulreform und freiheitliche Schulpolitik. Bd. 12. 1930, S. 654–658.
  • Frau und Frieden. Nicht für die Russen; nicht für die Amerikaner; nicht für den deutschen Militarismus: für die Menschheit! Gedruckt in der Buchdruckerei Karl Laufenberg in Hamburg. Hrsg. von der DFG-Ortsgruppe Burscheid (1952).

Literatur

  • Hans Manfred Bock: Geschichte des „linken Radikalismus“ in Deutschland. Ein Versuch. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1976, S. 134.
  • Erhard Eller: Ketty Guttmann – kommunistische Politikerin und Aktivistin für die Rechte der Prostituierten. In: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen. Bd. 100. 2015, S. 303–308.
  • Hermann Weber: Die Wandlung des deutschen Kommunismus. Die Stalinisierung der KPD in der Weimarer Republik. Frankfurt/Main: Europäische Verlagsanstalt 1969, Band 1, S. 100–101.
  • Hermann Weber, Andreas Herbst: Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945. 2., überarbeitete und stark erweiterte Auflage. Berlin: Dietz 2008. ISBN 978-3-320-02130-6.

Weblinks

  • Der Pranger. 1920 (PDF; 65 kB)
  • Die Welt umzugestalten Aus: Ketty Guttmann, Frau und Frieden, 1952. In: Information – Anarchistische Gedanken zur Politik, Geschichte und Literatur der Gegenwart, Jg. 3, Mai/Juni 1957 (2. Umschlagseite)

Einzelnachweise

  1. Zu Geburts- und Todesdatum siehe Kürschners Deutscher Literatur-Kalender, Nekrolog 1936–1970, Berlin 1972, S. 230.
  2. Die Schrift fand sich folgerichtig 1948 auf der Liste der auszusondernden Literatur der Deutschen Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone. Zweiter Nachtrag, Nr. 2743. Berlin: Deutscher Zentralverlag, 1948
  3. Hans Manfred Bock: Syndikalismus und Linkskommunismus von 1918–1923. Zur Geschichte und Soziologie der Freien Arbeiter-Union Deutschlands der Allgemeinen Arbeiter-Union. Meisenheim am Glan: Hain 1969, S. 320; coghnorti.files.wordpress.com (PDF; 25 MB)
  4. Ketty Guttmann und der Sowjetzarismus. In: Die Harpune. 1927, H. 3, S. 9–11
  5. Ruth Fischer Papers. Houghton Library. https://hollisarchives.lib.harvard.edu/repositories/24/archival_objects/468346; https://hollisarchives.lib.harvard.edu/repositories/24/archival_objects/469424