Karl Wilhelm Jerusalem

Karl Wilhelm Jerusalem

Karl Wilhelm Jerusalem (* 21. März 1747 in Wolfenbüttel; † 30. Oktober 1772 in Wetzlar) war ein deutscher Jurist. Durch seinen Suizid wurde er zum Vorbild für das tragische Ende von Goethes Werther.

Leben

Das Billet Jerusalems an Kestner vom 29. Oktober 1772: „Dürfte ich Euer Wohlgeboren wohl zu einer vorhabenden Reise um ihre Pistolen gehorsamst ersuchen? - J.“, dazu in anderer Handschrift Datum und Uhrzeit
Elisabeth Herd, Scherenschnitt 1771
Gedenkstein für Karl Wilhelm Jerusalem in Wetzlar

Karl Wilhelm Jerusalem war Sohn des protestantischen Theologen Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem.

In seiner Leipziger Studienzeit lernte er Goethe kennen, den er aber nicht mochte.[1] Danach stand er als Gesandtschaftssekretär in braunschweigischen Diensten. Er studierte am Reichskammergericht in Wetzlar die Prozessführung. Dort traf er Goethe und Johann Christian Kestner wieder.

Durch seinen bürgerlichen Stand wurde er vom Adel nicht angemessen geachtet, hatte Zusammenstöße mit seinen Vorgesetzten und fand – wie Goethe in seiner Frankfurter Juristerei – keine Befriedigung in seiner Tätigkeit. Die unglückliche Liebe zu der bereits vergebenen Elisabeth Herd (geb. Egell, 1741–1813), Gattin eines kurpfälzischen Legationssekretärs, brach ihm das Herz.

Er erschoss sich am 29. Oktober 1772 in seiner Wohnung (heute Schillerplatz 5) in Wetzlar und starb am darauffolgenden Tag. Auf dem Tische lag aufgeschlagen Lessings Trauerspiel Emilia Galotti. Die Wohnung ist heute Gedenkstätte (Jerusalemhaus). Dieses Ereignis verarbeitete Goethe im tragischen Ausgang seines Romans Die Leiden des jungen Werthers.

„… von unbefriedigten Leidenschaften gepeinigt, von außen zu bedeutenden Handlungen keineswegs angeregt, in der einzigen Aussicht, uns in einem schleppenden, geistlosen bürgerlichen Leben hinhalten zu müssen, befreundete man sich in unmutigem Übermut mit dem Gedanken, das Leben, wenn es einem nicht mehr anstehe, nach eignem Belieben allenfalls verlassen zu können.“

Johann Wolfgang von Goethe: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit[2]

Lessing gab nach dem Erscheinen des „Werther“, als einen Protest gegen die Darstellung Goethes, Jerusalems „Philosophische Aufsätze“ mit einer polemischen Vorrede und scharfen Anmerkungen heraus. Insbesondere war Lessing verärgert, seinen verstorbenen Freund bei Goethe als „empfindsamen Narren“ dargestellt zu sehen, während er Jerusalem als „wahren, nachdenkenden Philosophen“ schätzte.[3] Einer von Jerusalems philosophischen Aufsätzen war bezeichnenderweise eine Verteidigung des Selbstmords.[1]

Schriften

  • Gotthold Ephraim Lessing (Hrsg.): Philosophische Aufsätze von Karl Wilhelm Jerusalem. Buchhandlung des Fürstlichen Waisenhauses, Braunschweig 1776. (Digitalisat)
  • Paul Beer (Hrsg.): Philosophische Aufsätze von Karl Wilhelm Jerusalem. (1776). Mit G. E. Lessings Vorrede und Zusätzen. Berlin 1900 (Digitalisat)
  • Heinrich Schneider (Hrsg.); Karl Wilhelm Jerusalem: Aufsätze und Briefe. Weißbach, Heidelberg 1925.

Literatur

  • Adalbert Elschenbroich: Jerusalem, Karl Wilhelm. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 10, Duncker & Humblot, Berlin 1974, ISBN 3-428-00191-5, S. 416–418 (Digitalisat).
  • Jakob MinorJerusalem, Karl Wilhelm. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 13, Duncker & Humblot, Leipzig 1881, S. 783–785.
  • Friedrich Koldewey: Werthers Urbild. In: Friedrich Koldewey: Aufsätze und Vorträge aus verschiedenen Wissensgebieten. Band 2: Lebens- und Charakterbilder. Wolfenbüttel 1881, S. 167–202.
  • Roger Paulin: Der Fall Wilhelm Jerusalem. Zum Selbstmordproblem zwischen Aufklärung und Empfindsamkeit. Wallstein, Göttingen 1999, ISBN 3-89244-044-1.
  • Isa Schikorsky: Jerusalem, Karl Wilhelm. In: Horst-Rüdiger Jarck, Dieter Lent u. a. (Hrsg.): Braunschweigisches Biographisches Lexikon: 8. bis 18. Jahrhundert. Appelhans Verlag, Braunschweig 2006, ISBN 3-937664-46-7, S. 376f.
  • „… Kein Geistlicher hat ihn begleitet.“ Dokumente aus dem Nachlass von Johann Christian Kestner über den Selbstmord Carl Wilhelm Jerusalems am 30. Oktober 1772 in Wetzlar. Hrsg. Magistrat der Stadt Wetzlar. Textkommentar: Manfred Wenzel. Petersberg 2015, ISBN 978-3-7319-0218-8.
  • Jerusalem, Karl Wilhelm, in: Encyclopaedia Judaica, 1972, Band 9, Sp. 1593

Weblinks

Belege

  1. a b Beer (Hrsg.): Philosophische Aufsätze von Karl Wilhelm Jerusalem. 1900, S. IV.
  2. Johann Wolfgang von Goethe: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. In: Berliner Ausgabe. Bd. 13, Berlin 1960.
  3. Beer (Hrsg.): Philosophische Aufsätze von Karl Wilhelm Jerusalem. 1900, S. V.

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Gedenkstein für Karl Wilhelm Jerusalem in Wetzlar, selbst fotographiert
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Die unglückliche Liebe zu Elisabeth Herd, Gattin des kurpfälzischen Legationssekretärs Philipp Herd, brach Karl Wilhelm Jerusalem das Herz. Er erschoss sich 1772. Durch seinen Suizid wurde er zum Vorbild für das tragische Ende von Goethes Werther.
BilletDesJungenWertherJerusalemKestners.jpg
Billet, mit dem das Urbild des jungen Werthers, Jerusalem, Kestners Reisepistolen erbat. Es ist im Goethe- und Schillerarchiv in Weimar erhalten.
Der Text lautet: „Dürfte ich Euer Wohlgeboren wohl zu einer vorhabenden Reise um Ihre Pistolen gehorsamst ersuchen? - J.“, dazu in anderer Handschrift Datum und Uhrzeit.
Karl Wilhelm Jerusalem.JPG
Karl Wilhelm Jerusalem, Pastell, Kopie nach einem Porträt. Die gepuderten Haare lassen ihn älter erscheinen