Karl Geiser

Büste auf Geisers Grabstein.

Karl Geiser (* 22. Dezember 1898 in Bern; † vor dem 5. April (nach Untersuchungen Ende März) 1957 in Zürich) war ein Schweizer Bildhauer.

Leben

Karl Geiser war der Sohn seines gleichnamigen Vaters, dem Juristen und Hochschullehrer Karl Geiser; seine Mutter starb, als er elf Jahre alt war. Nach der Matura 1917 am Literargymnasium in Bern und Rekrutenschule in Thun bezog Geiser im Oktober 1918 in Bern sein erstes Atelier. Er erhielt 1919 ein Eidgenössisches Stipendium und reiste im April 1920 nach München und Berlin. Nach einer Depression und einer Frankreichreise siedelte Geiser 1922 nach Zürich um. Unterbrochen von längeren Arbeitsaufenthalten in Paris (1926/1927 und 1936–1938) und mehreren Reisen nach Rom, Marseille, Genua und Berlin arbeitete und lebte Geiser bis zu seinem Tod in wechselnden Ateliers in Zürich[1], Küsnacht und Zollikon.

Geisers Grabstein mit Büste (links) aus seinem aufgelösten Grab. Rechts der Grabstein von Sasha Morgenthaler (1893–1975) mit ihrer Büste sowie davor die Grabplatte von dem Grab mit ihrem Mann Ernst (1887–1962).

Ab 1923 unterhielt Geiser eine Beziehung mit Sasha Morgenthaler, der Frau von Ernst Morgenthaler; ab 1925 hatte er erotische Beziehungen mit jungen Männern, die ihm oft Modell standen – Geiser selbst spricht in Briefen offen von «Knabenliebe». 1929 wurde er wegen der Beziehung zu einem 18-Jährigen erstmals verhaftet.

1932 trat Geiser in den zürcherischen Ableger der Gesellschaft der Freunde des neuen Russland ein.[2] Sein Interesse für den Aufbau der Sowjetunion führte bei ihm zu einem Überdenken seiner eigenen gesellschaftlichen Stellung und beeinflusste seine künstlerische Arbeit Richtung Sozialhumanismus.[3]

1940 wurde Geiser zum Aktivdienst einberufen. In die Kriegszeit fielen zwei Ausstellungen: 1941 zeigte das Kunsthaus Zürich 350 seiner Zeichnungen; von August bis Oktober richtete zudem das Kunstmuseum Winterthur eine grosse Geiser-Ausstellung aus. Die Frau des Bildhauers Peter Moillet, Maria Vanz stand für ihn Modell. Ab 1944 litt Geiser an arthritischen Beschwerden.

Karl Geiser wurde am 5. April 1957 tot in seinem Atelier gefunden. Untersuchungen zeigten, dass er sich etwa zwei Wochen zuvor mit Schlaftabletten das Leben genommen hatte. Er fand auf dem Friedhof Hönggerberg seine letzte Ruhestätte.

Werk

Schreitender Löwe; kant. Verwaltungsgebäude «Walche» in Zürich
Nachguss der Mädchengruppe in Lübeck
Erstguss der Mädchengruppe von 1937 in Bern[4]

Geisers Plastiken sind figürlich und stellen meistens Menschen dar, der Stil liegt zwischen Realismus und Klassizismus. Geiser arbeitete auch als Zeichner, Radierer und Fotograf. Viele seiner Plastiken entstanden als Kunst am Bau für Neubauten von Verwaltungs- und Schulgebäuden der Städte Zürich, Bern und Winterthur.

1926 wurde Geiser von Georg Reinhart mit einem Stipendium unterstützt. Im selben Jahr gewann er den Wettbewerb für Plastiken vor dem neuen Berner Gymnasium im Kirchenfeld. Er gestaltete zwei Figurengruppen – die Mädchengruppe und die Knabengruppe –, die am 8. April 1938 eingeweiht wurden. Die 1937 gegossene Mädchengruppe wurde vorher an der Weltausstellung 1937 in Paris gezeigt.[4] Sie besteht nicht, wie der Name annehmen liesse, aus drei Mädchen, sondern stellt zwei Mädchen und einen Knaben dar.

Weitere grosse Werke sind:

Ein Nachguss der Mädchengruppe, angefertigt von der Kunstgiesserei Pastori in Genf, steht in einem kleinen Park am Rande des Burgfelds in der Hansestadt Lübeck. Der Nachguss, gestiftet von Rodolfo Groth, war ursprünglich als Ersatz für den 1934 abgebrochenen Brunnen am Markt gedacht. Nach der Fertigstellung entschied man sich gegen diesen prominenten Standort.[6] Ein weiteres Werk Geisers in Lübeck befindet sich im Museum Behnhaus.

Ende der 1920er Jahre arbeitete Emilio Stanzani mit Geiser zusammen und unterstützte ihn vor allem bei der Vergrösserung und Umsetzung der Modelle in Stein. 1930 entstand fast das gesamte druckgrafische Werk. 1937 wurden in der NS-Aktion «Entartete Kunst» seine beiden Lithografien Nacktes Mädchen (21 × 19,5 cm) und Sitzender Knabe (27 cx 19 cm) aus dem Stadtmuseum Ulm beschlagnahmt und vernichtet.[7]

1952 ging Geiser erfolgreich aus dem Wettbewerb um ein Denkmal für die Arbeiterschaft auf dem Zürcher Helvetiaplatz hervor. Geiser vermochte die Auftragsarbeit zu Lebzeiten nicht zu vollenden.[8] Zwar beflügelte ihn zunächst der Gedanke, im Arbeiterdenkmal endlich seine Vorstellung eines Neuen Realismus in einer Grossplastik verwirklichen zu können, aber er quälte sich mit dem Anspruch, für die Öffentlichkeit etwas Würdiges zu schaffen. Dadurch zögerte er die Vollendung immer wieder hinaus.[3] Schliesslich wurde das Denkmal der Arbeit am 1. Mai 1964 eingeweiht. Finanziert wurde es durch den Einnahmeüberschuss der Schweizerischen Landesausstellung 1939.[8]

Atelierstandorte

  • Lentulusstrasse 35, Bern (ab 1918)
  • Wagnerstrasse, Bern (ab 1921)
  • Spielweg 7, Zürich-Letten (ab 1922)
  • Rue Croulebarbe 33, Paris (ab 1926)
  • Sempersteig 3, Zürich (1927)
  • Seestrasse 109, Zollikon (1927–1940)
  • Paris-Montrouge (ab 1938)
  • Badenerstrasse 18, (Zürich?) (ab 1940)
  • wieder am Spielweg 7, Zürich (ab 1941)

Ausstellungen

  • Karl Geiser, Impressions de Paris. Zeichnungen und Radierungen. Kunstmuseum Winterthur, 3. März bis 15. Juli 2007

Literatur

  • Hans Naef: Karl Geiser – Zeichnungen Manesse Verlag Conzett und Huber, Zürich 1959.
  • Jan Morgenthaler: Der Mann mit der Hand im Auge. Die Lebensgeschichte von Karl Geiser. Limmat Verlag, Zürich 1988.
  • Hans Naef: Karl Geiser. In: Du – Zeitschrift für Kultur. Verlag Conzett & Huber, Oktober 1957, S. 28; Seiten 13–41.
  • Tapan Bhattacharya: Geiser, Karl. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  • David Streiff: Karl Geiser, Fotografien. Herausgegeben von der Fotostiftung Schweiz. Limmat Verlag, Zürich 2007.
  • Walter HugelshoferGeiser, Karl. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964, ISBN 3-428-00187-7, S. 155 (Digitalisat).
  • Karl Geiser 1898–1957. Plastiken, Zeichnungen, Radierungen, Photographien. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Kunsthaus Zürich vom 2. September bis 30. Oktober 1988, hrsg. vom Kunsthaus Zürich und Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft Zürich SIK. Kunsthaus, Zürich 1988.
  • Ausstellungsführer zur Ausstellung: Karl Geiser, Fotografien der Fotostiftung Schweiz, Fotomuseum Winterthur (3. März bis 20. Mai 2007).

Film

  • Geysir und Goliath. Karl Geiser – Bildhauer, Zeichner, Fotograf. Filmporträt von Alexander J. Seiler. Gesendet am 27. Februar 2011 in 3sat.

Weblinks

Commons: Karl Geiser – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Zürcher Illustrierte, 1933: Warum ich in Zürich lebe. Abgerufen am 29. Oktober 2019.
  2. Geiser, Karl. Abgerufen am 30. Juni 2023.
  3. a b Koller Auktionen AG, Zurich, Switzerland. Abgerufen am 30. Juni 2023.
  4. a b Hans Naef: Karl Geiser. Chronologie von Geisers Leben. In: Du – Zeitschrift für Kultur. Verlag Conzett & Huber, Oktober 1957, S. 1&41: „1937 – Frühjahr: Die Mädchengruppe für das Berner Gymnasium nach zwölfjähriger Arbeit gegossen und vor dem Schweizer Pavillon der Pariser Weltausstellung aufgestellt.“
  5. Löwe an der Landesausstellung von 1934.
  6. Klaus Bernhard: Plastik in Lübeck – Dokumentation der Kunst im öffentlichen Raum (1436–1985). Veröffentlichungen des Senates der Hansestadt Lübeck, Amt für Kultur, Lübeck 1986, ISBN 3-924214-31-X, Nr. 40.
  7. Datenbank zum Beschlagnahmeinventar der Aktion «Entartete Kunst», Forschungsstelle «Entartete Kunst», FU Berlin
  8. a b Denkmäler Stadt Zürich – Stadt Zürich. Abgerufen am 30. Juni 2023.

Auf dieser Seite verwendete Medien

2019-06-09 Lübeck 08.jpg
Autor/Urheber: Nemo bis, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Views of Lübeck
GraveSculpture-KarlGeiser-HoenggerbergCemetery RomanDeckert11112023.jpg
Autor/Urheber: RomanDeckert, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Der Grabstein des Schweizer Bildhauers Karl Geiser (1898-1957) aus seinem aufgelösten Grab auf dem Friedhof Hönggerberg in Zürich.
Bronzeplastik Mädchengruppe (Karl Geiser 1937) 04.jpg
Autor/Urheber: AnBuKu, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Bronzeplastik Mädchengruppe (Karl Geiser 1937)
GraveMarkers-GeiserMorgenthaler-HoenggerbergCemetery RomanDeckert11112023.jpg
Autor/Urheber: RomanDeckert, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Die Grabmale des Schweizer Bildhauers Karl Geiser (1898–1957), links, der Künstlerin und Puppenmacherin Sasha Morgenthaler (1893–1975) und ihres Mannes Ernst (1887–1962), der Maler war, aus ihren aufgelösten Gräbern auf dem Friedhof vom Hönggerberg in Zürich.