Karl Eduard Nobiling

Karl Eduard Nobiling (1878)

Karl Eduard Nobiling (* 10. April 1848 in Domäne Kolno (Kulm) bei Birnbaum, Provinz Posen; † 10. September 1878 in Berlin) verübte 1878 ein Attentat auf Kaiser Wilhelm I.

Herkunft und Ausbildung

Karl Eduard Nobiling wurde als Sohn des wohlhabenden Special-Pächters der königlichen Domäne Kolno[1] und Dirigenten der staatlichen Ackerbauschule Kolno, H. E. Nobiling,[2] geboren. Zunächst von Hauslehrern unterrichtet, besuchte er 1863–1867 die fünf oberen Klassen des Pädagogiums in Züllichau. Nach dem Zeugniß der Reife, das er hier am Schluss des Sommer-Halbjahrs 1867 erwarb,[3] widmete er sich zunächst drei Jahre der praktischen Landwirtschaft. Anschließend studierte er drei Semester Staatswissenschaften und Landwirtschaft in Halle an der Saale (1870–1872), kehrte dann aber wieder für zwei Jahre in die Praxis zurück. Während dieser Zeit unternahm er einige – teils mehrmonatige – Reisen, „um eine größere Anzahl Wirthschaften, industrielle Etablissements verschiedener Art etc. kennen zu lernen“.[4] Von Ostern 1874 bis Ostern 1875 studierte er wiederum die bereits genannten Fächer in Halle und wechselte danach an die Universität Leipzig, wo er mit einer dem Nationalökonomen Wilhelm Roscher gewidmeten Dissertation mit dem Titel Beiträge zur Geschichte der Landwirthschaft des Saalkreises der Provinz Sachsen zum Dr. phil. promoviert wurde.[4]

Attentat auf den Kaiser

Nobiling, der während des Studiums und seiner anschließenden Tätigkeit im Statistischen Büro in Dresden Kontakt zu sozialistischen Agitatoren gesucht hatte, versuchte am 2. Juni 1878, kaum einen Monat nach dem Mordversuch durch Max Hödel, Wilhelm I. zu erschießen. Aus dem Haus Unter den Linden 18 gab er auf den im offenen Wagen vorbeifahrenden Kaiser zwei Schüsse aus einer mit grobem Schrot geladenen doppelläufigen Flinte ab und verletzte Wilhelm dabei mit über 30 Schrotkörnern schwer, aber nicht tödlich.

Als sich Nobiling entdeckt sah, schoss er sich bei einem Suizidversuch mit der Flinte in die Schläfe und wurde anschließend von Passanten überwältigt. Aufgrund seiner schweren Verletzungen waren Nobilings Aussagen im Polizeirevier am Molkenmarkt nur bruchstückhaft und ließen keinen Rückschluss auf eine anarchistisch oder sozialistisch motivierte Tat zu, auch wenn Nobiling vor der Tat losen Kontakt zu sozialistischen Agitatoren gehabt hatte. Der Schweizer Anarchist Paul Brousse etwa bezeichnete dementsprechend Nobilings Anschlag in der Zeitschrift L’Avant-Garde als „republikanisch“, nicht aber als anarchistisch motiviert.

Nobilings Gesundheitszustand verbesserte sich in den folgenden Wochen, er wurde mehrfach vom Untersuchungsrichter Johl vernommen und nahm auch den Besuch seiner Mutter und einer seiner Schwestern entgegen. Die Befragungen lieferten keine Hinweise auf Hintermänner, sie machten vielmehr deutlich, dass Nobilings Tat durch seine prekäre finanzielle Lage, Zukunftsängste, Geltungssucht und verworrene sozialistische Ansichten motiviert war. In der Nacht vom 2. auf den 3. September unternahm er einen weiteren Suizidversuch, bevor er eine Woche später an einer Hirnhautentzündung starb, die von der seit dem ersten Suizidversuch im Gehirn steckenden Kugel herrührte.

Obwohl ein Zusammenhang zwischen den Attentaten und der Sozialdemokratie nicht nachgewiesen werden konnte, wurden Nobilings und Hödels Handlungen von Reichskanzler Otto von Bismarck zur Durchsetzung des Sozialistengesetzes instrumentalisiert. Auch politisch exponierte Gegner der preußischen Regierung im katholischen Milieu in Deutschland wie Paul Majunke wurden hinsichtlich möglicher Verbindungen zu Nobiling vernommen.[5]

Die übrigen Familienmitglieder nahmen wegen des Attentats den Nachnamen „Edeling“ an.

Literarische Reaktion

Theodor Fontane (1819–1898) reimte auf das misslungene Attentat:

„Das war nicht nobel, Nobiling!
Du nahmst die Sache zu gering.
Man schießt mit ein paar Körnern Schrot
Nicht einen deutschen Kaiser tot!
Du warst kein Held, du warst ein Schelm,
Der Held, der war des Kaisers Helm,
Der stellte sich vor den Doppellauf
Und fing die dreißig Körner auf,
Ihn feiert mein Sang, ihn feiert mein Lied, –
Es lebe der Schroten-Winkelried.[6]

Schriften

  • Beiträge zur Geschichte der Landwirthschaft des Saalkreises der Provinz Sachsen. Diss. Leipzig. Unger, Berlin 1876.

Literatur

  • Freiherr von Hertzberg: Das Attentat auf Seine Majestät den Kaiser. Selbstverlag A. Schulze, Berlin 1878
  • Paul Brousse: Hoedel, Nobiling et la Propagande par le fait, in: L’Avant-Garde (17. Juli 1878), S. 1f.
  • Wilhelm Schlötel: Doctor Nobiling und seine Lehrmeister. Satyrspiel mit Trilogie. Zur Privatmittheilung bestimmt. Müller, Stuttgart 1879.
  • Sven Felix Kellerhoff: Attentäter. Wahnsinnige, Verführte, Kriminelle. Arean, Erftstadt 2005, ISBN 3-89996-344-X, S. 31 ff.
  • Nobiling (Karl Eduard). In: Brockhaus’ Conversations-Lexikon. 13. Aufl. Bd. 12. Brockhaus, Leipzig 1885, S. 267 f. (online bei Google Books).
  • Ernest A. Vizetelly: The Anarchists: Their Faith and Their Record. Edinburgh 1911 (ausführliche Beschreibung des Tathergangs in Kapitel 3).
  • Marcus Mühlnikel: ‚Fürst, sind Sie unverletzt?‘ Attentate im Kaiserreich 1871–1914. Schöningh, Paderborn 2014, ISBN 978-3-506-77860-4
  • Aanslag op het leven van Keizer Wilhelm 2 Junij 1878. o. O. 1878 (darin: Das Attentat auf Se. Maj. den Kaiser Wilhelm am 2. Juni 1878 … verübt durch Dr. phil. Carl Eduard Nobiling; Deutsches Montags-Blatt. Berlin, 3. Juni 1878; Mittags 1 Uhr. Neuestes Extrablatt des Berliner Börsen-Courier; Der Reporter. 6 Junij 1878; Der Reporter. 7 Junij 1878)

Weblinks

Wikisource: Trau! schau! wem? – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Handbuch über den Königlich Preussischen Hof und Staat für das Jahr 1848. Decker, Berlin [1844], S. 413 (online bei Google Books).
  2. Amtsblatt der Kgl. Regierung zu Bromberg. Nr. 9 vom 28. Februar 1851, S. 68 bzw. 71 (online bei Google Books).
  3. Jahres-Bericht über die Steinbart’schen Erziehungs- und Unterrichts-Anstalten, Waisenhaus und Königl. Pädagogium bei Züllichau, herausgegeben am Schlusse des Schuljahres von Ostern 1867 bis Ostern 1868. Lange, Züllichau 1868, S. 41 Nr. 5 (onlinebei Franckesche Stiftungen – Digital Collections).
  4. a b Karl Eduard Nobiling: Beiträge zur Geschichte der Landwirthschaft des Saalkreises der Provinz Sachsen. Diss. Leipzig. Unger, Berlin 1876, mit Lebenslauf S. (81) (online bei Google Books).
  5. Zur Untersuchung gegen Nobiling. In: Neue Freie Presse, 7. Juli 1878, S. 5 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfp
  6. Theodor Fontane: Kaiser Wilhelms Helm, in: Werke, Schriften und Briefe, Abt. 1, Bd. 6, Hanser, München 1978, S. 571 f.

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