Kalte Betten

Kaltes Bett ist ein politisches Schlagwort für eine Wohnung, die nicht dauernd bewohnt wird.

Ursache für kalte Betten sind saisonale Nachfrageschwankungen im Massentourismus, verschärft durch einen hohen Anteil an Zweit- und Ferienwohnungen[1] sowie Immobilienspekulation in touristisch attraktiven Regionen und Großstädten.[2] Der Ausdruck wurde in der Schweiz geprägt. In Deutschland, Österreich[3] und Südtirol[4] ist das Phänomen auch unter dem Stichwort Ferien- und Zweitwohnsitzproblematik bekannt.

Problematik

Allgemein stellt das Problem der verödenden Zweitwohnsitzsiedlungen sowohl im urbanen wie auch im ländlichen Raum in allen europäischen Tourismusregionen ein enormes stadt- und bauleitplanerisches Problemfeld dar. Neben dem Faktor Zersiedelung ist das Kalte-Betten-Phänomen im Alpenraum einer der Kofaktoren der Bergflucht, der Zentralisierung und Zer- und Entsiedelung des alpinen Raums in Richtung der urbaneren Talräume. Wenn Orte nur mehr episodisch belebt sind, suchen sich die Einheimischen anderorts Arbeit und beginnen, nur mehr in ihren Heimatort zu pendeln, sodass sie selbst Zweitwohnsitznutzer werden. Außerdem steht die Zweitwohnsitzproblematik auf Kommunalebene direkt mit dem Thema sozialer Wohnungsbau in Konkurrenz: Es muss Wohnraum geschaffen werden, obwohl ungenutzter Wohnraum vorhanden ist. Und es muss eine Infrastruktur für Spitzenbelegung geschaffen werden, die aber von einer abnehmenden Zahl Daueransässiger erhalten werden muss. Begleiterscheinungen sind verödende, still gelegene oder gar ausgestorbene Nachbarschaften, in Stadtvierteln wie in Dörfern.

Begrenzende Maßnahmen

In den EU-Mitgliedsstaaten des Alpenraums setzt man im Allgemeinen auf erhöhte Ortstaxen, die Einheimische wie Ausländer gleich betreffen und auch das Kommunalbudget konsolidieren.[5] Die auseinanderbrechende dörfliche oder städtische Lebenstruktur kann man damit aber nicht kontrollieren, weil es Tourismusgemeinden geradezu animiert, kalte Betten anzusiedeln, die kaum Kosten verursachen, aber Einnahmen bringen.[6]

Um dem Leerstand von Wohnraum entgegenzuwirken, haben sich in Deutschland unter dem Begriff Collaborative Consumption verschiedene Timesharing-Modelle (Ferienwohnrechte) etabliert.[7]

In Baden-Württemberg[8] und in Berlin[9] gibt es seit 2014 Zweckentfremdungsverbotsgesetze, um zu verhindern, dass Wohnraum nicht nur vorübergehend gewerblich für Zwecke der Fremdenbeherbergung genutzt bzw. als Ferienwohnung vermietet wird. Das Berliner Verwaltungsgericht bestätigte mit Urteil vom 8. Juni 2016 das Berliner ZwVbG als verfassungsgemäß.[10][11]

Situation in der Schweiz

In der Schweiz gilt zur Verhinderung dieses Phänomens seit 1985 das Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (Lex Koller), da die Problematik besonders auf Urlaubswohnsitze bezogen ist. Analoge rechtliche Regelungen zum Grunderwerb durch Ausländer in Österreich, Italien und anderen Alpenregionen waren durch die EU-Freizügigkeits-Gesetzgebung abgeschafft worden.

Am 11. März 2012 wurde zudem Franz Webers Eidgenössische Volksinitiative Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen abgestimmt und angenommen, um den Zweitwohnungsanteil für jede Gemeinde auf höchstens 20 % zu begrenzen. Nach Art. 6 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Zweitwohnungen vom 20. März 2015,[12] das zum 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist,[13] dürfen in Gemeinden, in denen der Zweitwohnungsanteil bereits über 20 Prozent liegt, keine neuen Zweitwohnungen mehr bewilligt werden. Liegt dieser Anteil zwar noch unter 20 Prozent, hätte die Erteilung einer Baubewilligung aber zur Folge, dass die Gemeinde den Zweitwohnungsanteil von 20 Prozent überschreiten würde, so darf die Bewilligung ebenfalls nicht erteilt werden.

Bereits nach einer Entscheidung des Bundesgerichts vom Mai 2013 mussten alle Baugesuche, die nach dem 11. März 2012 eingereicht worden waren, neu geprüft werden, ob sie das 20-Prozent-Plafond einhalten. Die Organisation Helvetia Nostra hatte zuvor 2350 Einsprüche eingereicht.[14][15]

Literatur

  • Jörg Krummenacher: Bündner Rezepte gegen kalte Betten. Modell-Resorts zur nachhaltigen touristischen Wertschöpfung. In: NZZ Online. Neue Zürcher Zeitung, 3. Januar 2010, abgerufen im Jahr 2011.
  • Willimann I., Danielli G.: Auslastung bestehender Zweitwohnungen, Bundesamt für Raumentwicklung, Bern 2011 (PDF, 2 MB).
  • Barbara Bernhart: Grundverkehr vor dem Hintergrund des Zweitwohnungswesens, dargestellt am Beispiel Bad Aussee. Dissertation. Hrsg.: Universität für Bodenkultur. HB--DIP: D-7029. Wien Dezember 1995 (abstract, zidapps.boku.ac.at).
  • Werner Bätzing: Die aktuellen Veränderungen von Umwelt, Wirtschaft, Gesellschaft und Bevölkerung in den Alpen. Im Auftrag des Umweltbundesamtes, gefördert durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Berlin 2002 (PDF, 4,7 MB, auf Mediendatenbank, umweltbundesamt.de; zur Siedlungsproblematik der Alpen im Allgemeinen)

Einzelnachweise

  1. Aurelia Kogler, Philipp Boksberger: Von kalten und warmen Betten (Memento vom 2. Dezember 2012 im Internet Archive) Swiss Equity magazin 6/09
  2. Vermieten statt kalte Betten? zweitwohnungen.ch, abgerufen am 28. April 2016
  3. Nils Klawitter: Kalte Betten: Österreichs Nobel-Skiort Lech hat betuchten Gästen unter der Hand Immobilien zugeschoben - auch manchen deutschen Prominenten. Der Spiegel 52/2014, 20. Dezember 2014
  4. Hans-Herbert Holzamer: Die Signora, errötende Berge und kalte Betten 7. Februar 2016
  5. Ortstaxen: Reformchance neuerlich vertan (Memento desOriginals vom 2. April 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ak-salzburg.at. Arbeiterkammer Salzburg, 2. Juni 2010.
  6. hpl: Ausverkauf der Heimat. Podiumsdiskussion in Sexten. In: PZ. Band 93/08, Nr. 21-4, 24. Oktober 2008, Bürger & Heimat , S. 18–19 (pdf S. 18–19). pdf S. 18–19 (Memento vom 17. April 2012 im Internet Archive) Podiumsdiskussion zum Thema „Ausverkauf der Heimat“ am 26. September im Haus Sexten. In: Gemeinde Sexten (Hrsg.): Der Sextner. Informationen aus der Gemeinde. Dez. 08, Nr. 47. Sexten Dezember 2008, Sextner Vereine, S. 20 f. (Online [PDF; 2,6 MB; abgerufen am 15. Oktober 2021]). - pdf S. 18–19 (Memento vom 17. April 2012 im Internet Archive)
  7. Timesharing - ein nachhaltiges Tourismuskonzept (Memento vom 24. September 2018 im Internet Archive) 31. Juli 2012
  8. Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsverbotsgesetz – ZwEWG) (Memento vom 4. Mai 2016 im Internet Archive) vom 19. Dezember 2013, GBl. vom 30. Dezember 2013, 484
  9. Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsverbot-Gesetz - ZwVbG) vom 29. November 2013, GVBl. 2013, 626 und Verordnung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsverbot-Verordnung-ZwVbVO) vom 4. März 2014, GVBl. 2014, 73
  10. Az.: VG 6 K 103.16. Pressemitteilung des VG Berlin vom 08. Juni 2016
  11. Dominik Schüller: VG bestätigt Zweckentfremdungsverbot. Keine Ferienwohnungen für Berlin-Touristen Legal Tribune Online, 8. Juni 2016
  12. Bundesgesetz über Zweitwohnungen (Zweitwohnungsgesetz, ZWG) vom 20. März 2015
  13. Bundesamt für Raumentwicklung ARE: Zweitwohnungen abgerufen am 26. April 2016
  14. Bundesgerichts-Entscheid zur Zweitwohnungs-Initiative: Voller Erfolg für Franz Weber Blick, 22. Mai 2013
  15. Trotz Gerichtsurteil werden weitere Zweitwohnungen gebaut Tages-Anzeiger, 23. Mai 2013