Kalkklippen südlich des Iberges

Kalkklippen südlich des Iberges

IUCN-Kategorie IV – Habitat/Species Management Area

Kalkfelsabbrüche, die durch Bergrutsche entstanden sind, prägen das Schutzgebiet.

LageBad Sooden-Allendorf im Werra-Meißner-Kreis in Hessen.
Fläche47,3 Hektar
Kennung1636028
WDPA-ID163985
Geographische Lage51° 16′ N, 10° 3′ O
Kalkklippen südlich des Iberges (Hessen)
(c) Karte/Map: NordNordWest/Lencer, Lizenz/Licence: Creative Commons by-sa-3.0 de
Einrichtungsdatum1995
BesonderheitenBesonderer Schutz als Naturschutzgebiet und Teil des Natura-2000-Gebiets „Kalkklippen der Gobert“.

Die Kalkklippen südlich des Iberges sind ein Naturschutzgebiet auf dem Muschelkalk-Höhenzug der Gobert in der Gemarkung der Stadt Bad Sooden-Allendorf im Werra-Meißner-Kreis im östlichen Nordhessen. Geschützt werden die großflächigen Buchenwälder im Allendorfer Stadtwald, die forstlich nicht mehr oder nur noch wenig genutzt werden. Charakteristisches Kennzeichen des unmittelbar an der Landesgrenze zu Thüringen liegenden Gebietes sind die aus Bergstürzen oder Erdrutschen entstandenen steilen, offenen Felshänge mit ihren typischen Vegetationsabfolgen.

Geografische Lage

Das Naturschutzgebiet „Kalkklippen südlich des Iberges“ umfasst den Buchenwaldkomplex im östlichen Teil der Gemarkung von Bad Sooden-Allendorf. Das Gebiet grenzt an das thüringische Eichsfeld und stellt eine Fortsetzung der in Thüringen liegenden Berge Iberg (426,1 m) und Hesselkopf (504,4 m) dar. Nordwestlich liegt Asbach, ein Ortsteil der thüringischen Gemeinde Asbach-Sickenberg im Landkreis Eichsfeld.

Das Schutzgebiet gehört zum „Geo-Naturpark Frau-Holle-Land“. Naturräumlich wird es der Teileinheit „Gobert“ der „Nordwestlichen Randplatte des Thüringer Beckens“ zugeordnet.[1]

Unterschutzstellung

Mit der Ausweisung als Naturschutzgebiet im September 1995 durch eine Verordnung des Regierungspräsidiums in Kassel sollten die „orchideen- und edellaubholzreichen Buchenwälder mit den Kalkbrüchen und blockreichen Steilhängen als Lebensraum für die dort vorkommenden, zum Teil seltenen und gefährdeten Pflanzen- und Tierarten erhalten und langfristig gesichert werden.“[2] Das Schutzgebiet besitzt eine Größe von 47,3 Hektar, hat die nationale Kennung 1636028 und den WDPA-Code 163985.[3]

Zusammen mit dem südlich benachbarten Naturschutzgebiet „Hessische Schweiz bei Meinhard“ bilden die „Kalkklippen südlich des Iberges“ das Fauna-Flora-Habitat-Gebiet 4726-350 „Kalkklippen der Gobert“.[4] Das 289,22 Hektar große FFH-Gebiet erstreckt sich über eine Höhe von 300 m bis 569 m und ist Teil des europäisch vernetzten Schutzgebietssystems Natura 2000.[5]

Westlich grenzt es unmittelbar an eine Teilfläche des FFH-Gebiets 4825-302 „Werra- und Wehretal“[6] und im Osten an das 716 Hektar große thüringische FFH-Gebiet 4726-320 „Stein-Rachelsberg-Gobert“, das mit seinen naturnahen Buchenwäldern und Halbtrockenrasen auf Muschelkalk eine ähnliche Biotop- und Artenausstattung besitzt.[7] Es liegt vollständig in dem EU-Vogelschutzgebiet 4626-420 „Werrabergland südwestlich Uder“, deren große unzerschnittene Fläche ein bedeutendes Refugium für Rotmilan, Uhu und waldbewohnende Spechtarten ist[8] und dem Landschaftsschutzgebiet „Obereichsfeld“.[9] Sie gehören zu dem im Jahr 2011 gegründeten Naturpark Eichsfeld-Hainich-Werratal.

Besondere Bedeutung besitzen die Schutzgebiete „Kalkklippen südlich des Iberges“, „Hessische Schweiz bei Meinhard“ und „Stein-Rachelsberg-Gobert“ im Biotopverbund Eichsfeld-Werratal des „Grünen Bandes“. Das mit der Entscheidung des Thüringer Landtages vom 9. November 2018 zum Nationalen Naturmonument erklärte Naturschutzgroßprojekt verbindet zahlreiche seltene Lebensräume entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze und soll zur Erhaltung der biologischen Vielfalt beitragen.[10]

Natur

Das Schutzgebiet besitzt großflächige von Rotbuchen geprägte Wälder.

Die Vegetation dominieren die großflächigen Waldgesellschaften des „Waldmeister-Buchenwaldes“ und des „Mitteleuropäischen Orchideen-Kalk-Buchenwaldes“. Durch ihren Reichtum an Orchideen und Edellaubholzbeständen gelten die Wälder als bundesweit bedeutend und waren ein Hauptgrund für die Ausweisung zum Naturschutzgebiet und Natura-2000 Gebiet. An den nicht zu steil geneigten Hängen im Schutzgebiet kommen „Waldmeister-Buchenwälder“ vor, „Orchideen-Buchenwälder“ haben sich an den wärmebegünstigten kalkreichen Steilhängen entwickelt. Auf den Kalkschutthalden unterhalb der Felswände sind noch „Ahorn-Linden-Hangschuttwälder“ zu finden.[11]

Eiben sind im Wald, als zweite Baumschicht unter Buchen, noch zahlreich zu finden.

Der Name Iberg wurde von der Eibe abgeleitet, die sich bis heute in der Region erhalten hat. In Deutschland steht die einzige natürlich vorkommende, heimische Nadelbaumart auf der Roten Liste der gefährdeten Arten und wird nach dem Bundesnaturschutzgesetz besonders geschützt, da ihr Bestand im Laufe der Jahrhunderte stark dezimiert wurde. Im Kreisgebiet und im benachbarten Eichsfeld hat sie eines der landesweit bedeutendsten Vorkommen und ist hier fast immer auf den kalkreichen Böden anzutreffen. Wegen der noch recht hohen Anzahl von Eibenbäumen bezeichnete der Kunsthistoriker und Fotograf Thomas Wiegand die Eibe als den charakteristischen Waldbaum des Werralandes.[12]

Die Wälder im Schutzgebiet des Allendorfer Stadtwalds sind vollständig im kommunalen Besitz Bad Sooden-Allendorfs. 18,8 Hektar stehen unter Prozessschutz als „Grenzwirtschaftswald“[13] und wurden aus der Nutzung genommen. Die anderen Flächen werden nachhaltig bewirtschaftet.

Vegetationskundlich bedeutsam ist das Gebiet vor allem durch sein artenreiches Vorkommen an Orchideen. Neben dem Frauenschuh und der Fliegen-Ragwurz finden sich auch verschiedene Arten der Waldvöglein, der Knabenkräuter und der Stendelwurzen. Einige Felsbereiche entlang des „Grünen Bandes“ tragen unterschiedlich ausgeprägte Blaugrasrasen, die als Eiszeitrelikt angesehen werden. Bemerkenswerte Pflanzenarten sind hier die als gefährdet eingestuften Berg-Kronwicke, Gemüse-Schwarzwurzel, Astlose Graslilie, Erd-Segge, Braunrote Stendelwurz, Berg-Heilwurz und Frühblühender Thymian. Von den nach der Roten Liste Hessens als extrem selten geltenden Arten sind auf den Blaugrashalden Berg-Distel, Gabeliges Habichtskraut und Breitblättriges Laserkraut anzutreffen.[14]

Geologische Bedeutung

Die Muschelkalkplatten, die das Thüringer Becken umranden, erstrecken sich mit ihren nordwestlichen Randplatten im Bereich des Ringgaus, der Wanfrieder Werrahöhen und der Gobert bis nach Hessen. Die Gobert, mit den Naturschutzgebieten „Hessische Schweiz bei Meinhard“ und „Kalkklippen südlich des Ibergs“, ist ein sogenannter Zeugenberg, der von seinem Umfang her schon als Zeugengebirge bezeichnet wurde. Der von dem Leinetalgraben abzweigende Eichenberg-Gotha-Graben trennte das stark gegliederte Gobert-Massiv von dem ursprünglichen Gesteinsverband der Randplatten.

Als geologisch bedeutsam gelten die Kalkfelsabbrüche in dem Gebiet. Felshänge, die durch Bergrutsche und bergsturzartige Abbrüche des Muschelkalks entstanden sind, sollen in Deutschland nirgends so häufig vorkommen wie in dem Bereich der beiden Schutzgebiete der Gobert und des südlicher gelegenen Naturschutzgebiets „Boyneburg und Schickeberg bei Breitau“. Sie gelten als die größten aktiven Bergsturzgebiete Hessens.

Bergstürze oder Bergrutsche können in niederschlagsreichen Zeiten an der geologischen Schichtgrenze zwischen dem Unteren Muschelkalk und dem darunter liegenden Oberen Buntsandstein, der Röt genannt wird, entstehen. Regenwasser versickert in den Klüften und Spalten des Muschelkalks und trifft auf den tonigen Röt der aufquillt und fließfähig wird. Dadurch gerät der über dem Röt befindliche Muschelkalk in Bewegung und wird instabil. Die Felsbereiche, die sich dabei ablösen, bewegen sich auf dem breiartigem Röt allmählich talabwärts und lassen Schluchten entstehen. Diese ermöglichen ein verstärktes Versickern von Niederschlägen, die den sogenannten Massenverlagerungsprozess beschleunigen. Die letzten Abbrüche von Gesteinsmassen ereigneten sich zuletzt 1956 mit dem Bergsturz am Schickeberg und 1985 mit dem Bergrutsch am Nordhang der Hörne. Es wird befürchtet, dass die tiefen Spalten und Klüfte im Muschelkalk schon künftige weitere Abbrüche andeuten.[15]

Touristische Erschließung

Das Gebiet ist durch Wanderwege und Forstwege kaum erschlossen. Der Rheanuspfad (26) von Bad Sooden-Allendorf zur Hörne berührt am westlichen Rand das Schutzgebiet. Im Osten führt entlang des „Grünen Bandes“ der ehemalige Kolonnenweg, auf dem teilweise der „Werra-Burgen-Steig X5“ und der „Eichsfeld-Wanderweg“[16] verlaufen.

Literatur

  • Büro für angewandte Ökologie und Forstplanung: Grunddatenerfassung zum FFH-Gebiet Nr. 4726-350 „Kalkklippen der Gobert“. Erstellt im Auftrag des Regierungspräsidiums Kassel. Kassel, Februar 2005.
  • Lothar und Sieglinde Nitsche, Marcus Schmidt: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 3, cognitio Verlag, Niedenstein 2005, ISBN 3-932583-13-2.

Weblinks

Commons: Kalkklippen südlich des Iberges – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Naturräumliche Gliederung nach Otto Klausing im Umweltatlas Hessen auf atlas.umwelt.hessen.de; abgerufen am 11. Mai 2019.
  2. Zitiert aus der Verordnung über das Naturschutzgebiet „Kalkklippen südlich des Iberges“ vom 25. September 1995 im Staatsanzeiger für das Land Hessen, Ausgabe 42/1995 vom 16. Oktober 1995, S. 3277 f.
  3. „Kalkklippen südlich des Iberges“ in der Weltdatenbank zu Schutzgebieten; abgerufen am 11. Mai 2019.
  4. Verordnung über die Natura 2000 Gebiete in Hessen im Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. Teil I - Nr. 4, vom 16. Januar 2008.
  5. Steckbrief des FFH-Gebiets 4726-350 „Kalkklippen der Gobert“ auf der Website des Bundesamtes für Naturschutz (BfN); abgerufen am 11. Mai 2019.
  6. Steckbrief des FFH-Gebiets 4825-302 „Werra- und Wehretal“ auf der Website des Bundesamtes für Naturschutz (BfN); abgerufen am 11. Mai 2019.
  7. Steckbrief des FFH-Gebiets 4726-320 „Stein-Rachelsberg-Gobert“ auf der Website des Bundesamtes für Naturschutz (BfN); abgerufen am 11. Mai 2019.
  8. Steckbrief des EU-Vogelschutzgebiet 4626-420 „Werrabergland südwestlich Uder“ auf der Website des Bundesamtes für Naturschutz (BfN); abgerufen am 11. Mai 2019.
  9. Landschaftsschutzgebiete des Landkreises Eichsfeld auf der Webseite der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie; abgerufen am 11. Mai 2019.
  10. „Das Grüne Band Thüringen - Nationales Naturmonument“ auf der Webseite des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz; abgerufen am 11. Mai 2019.
  11. Liste der in Deutschland vorkommenden Lebensräume des Anhangs I der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie; abgerufen am 11. Mai 2019.
  12. Thomas Wiegand: Bäume aus dem Werraland - Eine Fotodokumentation. Herausgegeben von der Kreissparkasse Eschwege, 1984.
  13. „Grenzwirtschaftswald“ gilt als ein veralteter Begriff, der heute nicht mehr gebräuchlich ist. Die Nutzungsangabe wird nach der aktuellen Terminologie mit „Wald außer regelmäßigem Betrieb“ (Wald a. r. B.) angegeben.
  14. Grunddatenerfassung zum FFH-Gebiet Nr. 4726-350 „Kalkklippen der Gobert“ erstellt vom Büro für angewandte Ökologie und Forstplanung. s. 9 f.
  15. Lothar und Sieglinde Nitsche, Marcus Schmidt: Naturschutzgebiete in Hessen, Band 3. S. 20 f.
  16. Das Markierungszeichen des Eichsfeld-Wanderwegs ist ein sechsspeichiges rotes Rad auf weißem Grund, das an das Fürstentum Eichsfeld und die 700-jährige Zugehörigkeit zum Kurfürstentum Mainz erinnern soll.

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