Kaiserliches Gesundheitsamt
Das Kaiserliche Gesundheitsamt, später Reichsgesundheitsamt, war eine deutsche Reichsbehörde für den Verbraucherschutz im Gesundheits- und Veterinärwesen mit Sitz in Berlin.
Geschichte
Das Kaiserliche Gesundheitsamt wurde am 28. April 1876[1] als zentrale Stelle für das Medizinal- und Veterinärwesen in Berlin gegründet. Zunächst war es im Geschäftsbereich der Reichskanzlei und seit 1879 dem Reichsamt des Innern unterstellt. 1879 wurde das „Gesetz betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen“ verabschiedet, für dessen Überwachung unter anderem das Kaiserliche Gesundheitsamt zuständig war. Das Kaiserliche Gesundheitsamt sah seine Aufgabe in erster Linie in der Förderung „der praktischen Verwertung wissenschaftlicher Lehren“.[2] Als Amtssitz wurde in den Jahren 1894 bis 1897 ein Gebäude in der Klopstockstraße 18 im Hansaviertel nach Plänen des Architekten August Busse[3] errichtet, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Der am 30. Juni 1900[4] errichtete Reichsgesundheitsrat, der aus Vertretern der Bundesstaaten bestand, unterstützte das Kaiserliche Gesundheitsamt bei seinen Aufgaben.
1918 wurde das Kaiserliche Gesundheitsamt in Reichsgesundheitsamt umbenannt. Zwischen 1933 und 1945 setzte die Behörde die Rassenpolitik der Nationalsozialisten um, indem sie mit Gutachten Zwangssterilisationen anordnete. Nach dem Zusammenbruch 1945 übernahm der Magistrat von Berlin Teile des Reichsgesundheitsamtes in das neu gegründete Zentralinstitut für Hygiene und Gesundheitsdienst. 1952 ging dieses im neu errichteten Bundesgesundheitsamt auf.
Leiter des Kaiserlichen Gesundheitsamtes
- 1876–1884: Direktor Heinrich Struck
- 1884–1885: kommissarische Leitung durch Robert Koch
- 1885–1905: Direktor, ab 1900 Präsident Karl Köhler[5]
- 1905–1926: Präsident Franz Bumm (ab 1918 Reichsgesundheitsamt)
- 1926–1933: Präsident Carl Hamel
- 1933–: Präsident Hans Reiter
Wissenschaftliche Arbeit
Der bekannteste Mitarbeiter des Kaiserlichen Gesundheitsamtes, mit dessen Gründung zum Beginn der modernen Hygiene[6] beigetragen wurde, war der Arzt und Bakteriologe Robert Koch, der hier einige seiner bahnbrechenden Entdeckungen machte. Julius Richard Petri erfand während seiner Arbeit im Kaiserlichen Gesundheitsamt die Petrischale.
Veröffentlichungen
- Vereinbarungen zur einheitlichen Untersuchung und Beurtheilung von Nahrungs- und Genussmitteln sowie Gebrauchsgegenständen für da Deutsche Reich. Ein Entwurf festgestellt nach den Beschlüssen der auf Anregung des Kaiserlichen Gesundheiitsmtes einberufenen Kommission deutscher Nahrungsmittel-Chemiker. Springer, Berlin / Heidelberg 1899; DNB 1021141194.
Literatur
- Hückels: Der Neubau des Kaiserlichen Gesundheitsamtes in Berlin. In: Zeitschrift für Bauwesen. Nr. 1, 1900, Sp. 19–40 (zlb.de – Atlas: Tafeln 6–11).
- Axel C. Hüntelmann: Hygiene im Namen des Staates. Das Reichsgesundheitsamt 1876–1933. Wallstein, Göttingen 2008, ISBN 3-8353-0343-0.
- Manfred Stürzbecher: Aufgaben und Leistungen der öffentlichen Gesundheitspflege. Die Behördenchefs des Reichsgesundheitsamtes in Berlin 1876–1945. In: Jahrbuch „Der Bär von Berlin“, hrsg. v. Verein für die Geschichte Berlins, 25. Jahrgang, Berlin 1976.
- Kurt Jeserich (Hrsg.): Deutsche Verwaltungsgeschichte, Band 3 und 4, Stuttgart 1984–85.
- Hans-Jürgen Hilling: „… eine vermehrte Einsicht in das hohe Ziel der Unfruchtbarmachung …“ – Nikolaus Hilling (1909–1985) als NS-Eugeniker am Berliner Reichsgesundheitsamt. Zur Biografie eines entnazifizierten emsländischen Arztes. In: Studiengesellschaft für Emsländische Regionalgeschichte (Hrsg.): Emsländische Geschichte, Band 27, Haselünne 2020, S. 48–136.
Weblinks
- Wolfgang Wippermann: 125 Jahre „Institut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin“. 2001; bfr.bund.de (PDF).
- Bundesarchiv R 86 Reichsgesundheitsamt bundesarchiv.de
Einzelnachweise
- ↑ Reichsgesetzblatt, Jahrgang 1875, S. 330.
- ↑ Kaiserliches Gesundheitsamt (Hrsg.): Gesundheitsbüchlein. Gemeinfaßliche Anleitung zur Gesundheitspflege. 3. Abdruck. Julius Springer, Berlin 1894, S. IV.
- ↑ Uwe Kieling: Berliner Baubeamte und Staatsarchitekten im 19. Jahrhundert. Berlin 1986, S. 15.
- ↑ Reichsgesetzblatt, Jahrgang 1900, S. 315.
- ↑ Siehe zu diesem Manfred Stürzbecher: Köhler, Karl. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 12, Duncker & Humblot, Berlin 1980, ISBN 3-428-00193-1, S. 307 (Digitalisat).
- ↑ Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin / Göttingen / Heidelberg 1960, S. 45.
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