KZ-Außenlager Trostberg

KZ-Außenlager Trostberg (Bayern)
KZ-Außenlager
Trostberg
Lage des KZ-Außenlagers Trostberg in Bayern.[1]

Das KZ-Außenlager Trostberg war ab Monatswechsel Oktober/November 1944 eines der 169 Außenlager des Konzentrationslagers Dachau. Etwa 650 KZ-Häftlinge aus mindestens zehn Nationen, viele aus Russland und der Ukraine, wie auch Polen und Italien, können aus Überstellungslisten bis Mitte November 1944 nachgewiesen werden,[2] bis Ende Januar 1945 wurden es schließlich 935.[3] Die meisten Gefangenen waren zwischen 20 und 30 Jahre alt.[4] Das KZ-Außenlager mit vier Häftlingsbaracken[5] war mit Stacheldraht umzäunt und wurde von der SS bewacht.[4]

Zwangsarbeit für BMW

Die KZ-Häftlinge mussten Teile für diesen Flugzeugmotor BMW 801 herstellen.

Die Gefangenen mussten vor allem für BMW in der Produktion von Flugzeugmotoren für den Kriegseinsatz arbeiten.[2] Die dazu benötigten 430 Produktionsmaschinen[3] waren im Frühjahr 1944 vom München-Allach zur Produktion im KZ-Außenlager Markirch (Elsass) Ende 1944 weiter nach Trostberg verlagert worden, auch der Großteil der Inhaftierten nahm diesen Weg.[2] Die Gefangenen mussten in einem unterirdischen Fabrikstollen Teile für BMW 801-Flugzeugmotoren[6] produzieren und im ehemaligen Fabrikgebäude der Süddeutschen Kalkstickstoffwerke (SKW) Flugzeugmotoren reparieren. Manche mussten in einem nahe gelegenen Steinbruch Loren ziehen, Erde für eine Wassergrube ausheben oder Lade- und Entsorgungstätigkeiten übernehmen.[2]

Sterben und Räumung

Die hygienischen Zustände waren mangelhaft. So war die Kleidung im Winter 1944/45 so schlecht, dass Ersatz aus dem Stammlager angeliefert wurde. Doch dieser war so schlecht, dass die Häftlinge aus Sorge vor Krankheiten stattdessen die eigene Kleidung auskochten und nackt warteten, bis diese getrocknet war.[7]

Etliche KZ-Häftlinge verhungerten oder starben an Typhus[2] und möglicherweise auch an den Misshandlungen durch die Kapos,[3] andere verhungerten trotz Lebensmittelpaketen von Angehörigen.[7] Die Leichen wurden zunächst außerhalb des Friedhofs verscharrt,[8] später auf den Friedhof in Trostberg umgebettet[4] und schließlich weiter auf den KZ-Friedhof Flossenbürg, sofern sie nicht in die Heimat überführt wurden.[9] Zudem wurden mindestens 37 Häftlinge als krankheitsbedingt nicht mehr arbeitsfähig an das KZ Dachau rücküberstellt,[2] nach neuerer Forschung 108.[5] Ob bzw. wie viele von ihnen dies überlebten, ist nicht bekannt.

Das Lager wurde wegen des nach alliierten Luftangriffen nicht mehr möglichen Betriebs nach Aussagen von ehemaligen Häftlingen um den Monatswechsel März/April 1945 geschlossen,[2] wohl der größere Teil[10] der Gefangenen in das KZ-Außenlager München-Allach überstellt.[2] Die im KZ-Außenlager Trostberg Verbliebenen wurden nach Zeugenaussagen am 4. Mai 1945 von der US-Armee befreit.[4]

Aufarbeitung und Gedenken

Juristische Folgen hatte der Betrieb des KZ-Außenlagers für die Verantwortlichen nicht. Die bundesdeutsche Justiz eröffnete kein Verfahren.[2]

Lager, Baracken und Fabrikhalle sind nicht erhalten. Der Stollen ist zugeschüttet, doch der Eingang sichtbar.[2]

Ein öffentliches Mahnmal oder eine Gedenktafel für die KZ-Häftlinge gibt es nicht.[2] In einer abgelegenen Ecke des Trostberger Friedhofs befindet sich auf Betreiben der Arbeitsgruppe „Bürger/innen für das Erinnern“ ein kleines Denkmal mit der Aufschrift[9]

Den Opfern des
Nationalsozialismus
in Trostberg

Literatur

  • Friedbert Mühldorfer: Widerstand und Verfolgung in Traunstein 1933 – 1945. Panther, Tietmann, Ingolstadt 1992, ISBN 978-3-9802831-1-3, S. 89–91 (157 S.).
  • Susanne Weiße: Das Außenlager Trostberg des KZ Dachau und seine Rolle in der NS-Rüstungsproduktion. Diplomarbeit. Universität Wien, Wien 2013 (192 S., aggb-katalog.de – Betreuer Bertrand Perz).

Enzyklopädien

  • Robert Sigel: Frühe Lager, Dachau, Emslandlager. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors – Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 2. C. H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52962-3, S. 512–514 (607 S.).
  • Evelyn Zegenhagen: Early Camps, Youth Camps, and Concentration Camps and Subcamps under the SS-Business Administration Main Office (WVHA). Enzyklopädie. In: United States Holocaust Memorial Museum, Geoffrey P. Megargee (Hrsg.): Encyclopedia of Camps and Ghettos, 1933–1945. I A. Indiana University Press, Bloomington, USA 2009, ISBN 978-0-253-35328-3, S. 552 f. (englisch, 900 S., ushmm.org [PDF; 68,0 MB; abgerufen am 23. September 2020] Encyclopedia Vol-I, Part A, Eintrag „Trostberg“).

Ergänzend

  • Constanze Werner: Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit bei BMW: Im Auftrag von MTU Aero Engines und BMW Group, Oldenbourg Verlag, München 2006, 447 Seiten, ISBN 978-3-486-57792-1, S. 330, 332, 335.

Weblinks

  • KZ-Außenlager Trostberg. kz-aussenlager-trostberg.de, abgerufen am 1. Oktober 2021 (Freilegung Geschichte & virtuelle Gedenkstätte): „basierend auf Recherchen in den einschlägigen Archiven soll diese Webseite damit eine erste umfassende Darstellung der Geschichte und Funktion des Außenlagers Trostberg liefern“
  • Eintrag Trostberg in Arolsen Archives International Center on Nazi Persecution (UNESCO-Weltdokumentenerbe) über International Tracing Service (ITS), Bad Arolsen, online unter collections.arolsen-archives.org. Abgerufen am 23. September 2021.

Einzelnachweise

  1. KZ-Außenlager Trostberg – Das Lager & der Ort. kz-aussenlager-trostberg.de, abgerufen am 1. Oktober 2021 (Karte): „am süd-östlichen Stadtrand, hinter den Gebäuden der Firma ‚Süddeutsche Kalkstickstoffwerke‘ (SKW; heute AlzChem)“
  2. a b c d e f g h i j k Robert Sigel: Frühe Lager, Dachau, Emslandlager. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Band 2. C. H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52962-3, S. 512–514.
  3. a b c Constanze Werner: Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit bei BMW: Im Auftrag von MTU Aero Engines und BMW Group, Oldenbourg Verlag, München 2006, ISBN 978-3-486-57792-1, S. 330, 335: „In Trostberg, dem zweitgrößten ‚Außenwerk‘, waren die Kurbelgehäusefertigung sowie Teile der Härterei und Zahnradproduktion untergebracht. Ca. 430 Maschinen […] Misshandlungen durch die Häftlings-Kapos scheinen hier an der Tagesordnung gewesen zu sein. […] Unter den damit insgesamt 935 KZ-Häftlingen waren 423 Russen und Ukrainer, 133 Polen, 135 Italiener, 87 Jugoslawen, 43 Franzosen und 37 Holländer.“
  4. a b c d Evelyn Zegenhagen: Early Camps, Youth Camps, and Concentration Camps and Subcamps under the SS-Business Administration Main Office (WVHA). Enzyklopädie. In: United States Holocaust Memorial Museum (Hrsg.): Encyclopedia of Camps and Ghettos, 1933–1945. I A. Indiana University Press, Bloomington, USA 2009, ISBN 978-0-253-35328-3, S. 552 f. (englisch).
  5. a b OVB: ‚Gräuel auch in der Nachbarschaft‘. In: Rosenheim / Region Wasserburg. ovb-online.de, 24. Mai 2016, abgerufen am 3. Oktober 2021: „Auf einem konfiszierten Gelände der SKW wurden vier Baracken für Häftlinge und eine Baracke für die Aufseher gebaut. ‚In Trostberg waren nur Männer. Maximalbelegung waren 951 Häftlinge, die insgesamt aus 17 verschiedenen Nationen kamen. Sie wurden zu Zwangsarbeit für die BMW-Rüstungsindustrie, aber auch bei der SKW selber, bei der Stadt Trostberg und bei der BayWa eingesetzt. […]‘ In Trostberg waren acht Häftlinge verstorben. 108 Kranke wurden ins Lager Dachau zurückgeschickt.“
  6. KZ-Außenlager Trostberg – Zwangsarbeit im AL Trostberg. kz-aussenlager-trostberg.de, abgerufen am 1. Oktober 2021: „Produktion des 801-Motors. Ein von BMW entwickelter und produzierter Sternmotor, der sowohl in Jagd- als auch in Bomberflugzeugen“
  7. a b Sabine Schalm: Überleben durch Arbeit? Außenkommandos und Außenlager des KZ Dachau 1933–1945. In: Geschichte der Konzentrationslager 1933-1945. Band 10. Metropol, Berlin 2009, ISBN 978-3-940938-45-9, S. 215, 227 (368 S., zugleich Diss. an der TU Berlin 2008 / Überblick über räumliche und zeitliche Ausdehnung, Machtstrukturen und Handlungsoptionen der führenden Akteure, Häftlingszwangsgesellschaft mit einzelnen Häftlingsgruppen, Existenzbedingungen der Häftlinge).
  8. Knochenfunde bei früherem KZ-Lager. In: taz. 3. September 1997, ISSN 1434-4459, S. 4 (taz.de [abgerufen am 3. Oktober 2021]).
  9. a b Thomas Thois: Neu gestaltetes Denkmal hält Erinnerung an Nazi-Verbrechen wach. In: Trostberg. Trostberger Tagblatt, 31. März 2017, abgerufen am 7. Oktober 2021: „Ihre sterblichen Überreste wurden zunächst in der Pechlerau verscharrt, später in ein Sammelgrab am Friedhof umgebettet und schließlich in die Heimat der Opfer oder zum Friedhof der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg überführt.“
  10. Martin Weinmann, Anne Kaiser, Ursula Krause-Schmitt, International Tracing Service: Das nationalsozialistische Lagersystem – Catalogue of camps and prisons in Germany and German-occupied territories September 1939-May 1945. 1. Auflage. Zweitausendeins, Frankfurt am Main August 1990, OCLC 24248562, S. 206 (englisch, 1167 S., Snippets [abgerufen am 1. Oktober 2021]): “CC Kdo. of Dachau: BMW factory, established Nov. 44, […], decreasing to 230 pris. on 14.4.45”

Koordinaten: 48° 0′ 53,8″ N, 12° 33′ 1″ O

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