KZ-Außenlager Hannover-Misburg

Mahnmal von Eugène Dodeigne auf dem ehemaligen Lagergelände

Das KZ-Außenlager Hannover-Misburg war ein Außenlager des KZ Neuengamme in Misburg, heute ein Stadtteil von Hannover. Am 26. Juni 1944 erreichten die ersten Häftlinge den Ort und mussten auf dem Gelände der Erdölraffinerie Deurag-Nerag am Mittellandkanal das Lager errichten. Anschließend verrichteten sie in den Werken der Deurag-Nerag Aufräumungsarbeiten nach Bombardierungen der alliierten Luftstreitkräfte.

Lager

Die Deurag-Nerag in Misburg war während des Zweiten Weltkrieges einer der wichtigsten Lieferanten von Flugmotorenölen und neben der Ölraffinerie waren auch Anlagen zur synthetischen Benzinherstellung aufgebaut. Damit war die Deurag-Nerag für die Alliierten ein kriegswichtiges Ziel und am 18. und 20. Juni 1944 wurden diese Anlagen bei Luftangriffen auf Hannover schwer beschädigt. Bereits am 23. Juni 1943 kam Edmund Geilenberg, der von Adolf Hitler persönlich zum Verantwortlichen des Mineralölsicherungsplans mit erheblichen Machtbefugnissen ernannt wurde, nach Misburg. In einer Besprechung mit den Direktoren der Deurag-Nerag, der zuständigen Rüstungsinspektion und dem Gauleiter sicherte er die Bereitstellung von KZ-Häftlingen zu.

Die Häftlinge, die am 26. Juni 1944 in Misburg ankamen, fanden ein umzäuntes Lager mit vier Wehrmachtzelten sowie ein Küchenzelt, ein Toilettenhaus mit sechs Latrinen und zwei Waschgelegenheiten unter freiem Himmel nebst einem Bunker, der zu einer Flakstellung gehörte, vor. Erst Ende September wurde mit dem Bau von Holzbaracken begonnen und es dauerte bis in den Dezember 1944 als die dritte und die vierte Baracke fertig wurde, daher mussten viele Häftlinge weiterhin im Freien ungeschützt vor Wettereinflüssen leben und übernachten. Misburg wurde als wichtiges Kriegsziel etwa 45 mal bombardiert und die Druckwellen führten zur Gefährdung der Häftlinge und auch teilweise zum Zerreißen der Zeltdächer.

Lagerhäftlinge

Neben den schlechten Lebensbedingungen waren die Arbeitsbedingungen der Häftlinge katastrophal. Die Verletzungsgefahren waren groß, da sie Schnitt- und Verletzungsgefahren beim Aufräumen scharfkantiger Stahl- und Eisenrohre ohne Hilfswerkzeuge ausgesetzt waren, ferner mussten sie in von Ölschlamm und Kalilauge verschmutzten Bereichen aufräumen und nach Bomben in kleinen elf Mann großen Kommandos unter Führung eines Kapos suchen.
Die Häftlinge mussten ausschließlich Räumungsarbeiten verrichten und in den Werken selbst wurden sie nicht eingesetzt. Die Wochenarbeitszeit betrug 67 Stunden, jeder dritte Sonntag war frei. Die Ernährung war mangelhaft, obwohl die im Geilenberg-Programm Beschäftigten eine Schwerstarbeiterzulage erhalten sollten.

Die 1000 bis 1200 Häftlinge, die stets im Lager anwesend waren, kamen zum größten Teil aus der Sowjetunion, Polen und Frankreich. Daneben gab es auch kleinere Nationalitätengruppen aus den Niederlanden, Belgien und Frankreich. Etwa 30, zumeist kriminelle, deutsche Insassen waren im Lager als Funktionshäftlinge eingesetzt.

Zwischen Juni 1944 und April 1945 wurden 55 tote Häftlinge registriert, vermutlich waren es wesentlich mehr. Denn Anfang November 1944 musste aufgrund der schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen in Misburg ein Transport von 600 bis 800 nicht mehr arbeitsfähigen KZ-Häftlingen ins Hauptlager KZ Neuengamme durchgeführt werden[1].

Das Lager wurde ab dem 6. April 1945 geräumt. Die marschfähigen Häftlinge mussten am 6. April 1945 das Lager verlassen und trafen im KZ Bergen-Belsen am 8. April ein. Die im Lager verbliebenen nicht marschfähigen KZ-Häftlinge wurden mit Lastkraftwagen am 8. April direkt nach Bergen-Belsen gebracht.[2]

Lagerpersonal

Bewacht wurde das Lager durch etwa 70 Männer des Landesschützenbataillons. Zuerst war ein Polizeileutnant und anschließend ein Infanterie-Hauptmann Kommandoführer. Ab Juli 1944 waren SS-Sturmführer Karl Wiedemann und anschließend SS-Hauptscharführer Hans Gehrt Lagerführer. Richard Winter, der einen belgischen Häftling erschossen hatte, wurde 1948 von einem belgischen Militärgericht zum Tode verurteilt. Diese Strafe wurde in eine 15-jährige Haftstrafe umgewandelt und er kam Ende 1954 frei. Die deutsche Justiz setzte die Strafverfolgung aus[3].

Mahnmal

Im Jahre 1979 wurde eine Bronzetafel am Ort dieses Außenlagers angebracht. Auf dem ehemaligen Lagergelände befindet sich seit 1989 ein steinernes Mahnmal des Künstlers Eugène Dodeigne.

Die Geschichte des Lagers, das Schicksal der Inhaftierten und die Aufarbeitung in der Nachkriegszeit, vor allem die Strafverfolgung, sind Mitte der 1980er Jahre umfassend dokumentiert worden.[4]

Gedenktafel auf dem Waldfriedhof

Gedenktafel auf dem Waldfriedhof Misburg

An die Zwangsarbeiter, die während der Zeit des Nationalsozialismus im Konzentrationslager arbeiten und leiden mussten, erinnert eine Gedenktafel in einer Mauer des nahegelegenen Waldfriedhofs Misburg.[5]

Literatur

  • Marc Buggeln: Hannover-Misburg. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 5: Hinzert, Auschwitz, Neuengamme. C.H. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-52965-8, S. 437 ff.

Weblinks

Commons: KZ-Außenstelle Misburg (Hannover) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Marc Buggeln: Hannover-Misburg. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors.. Bd. 5. 2007, S. 439.
  2. Vgl. Bundesministerium der Justiz: Verzeichnis der Konzentrationslager und ihrer Außenkommandos gemäß § 42 Abs. 2 BEG Nr. 572 Hannover-Misburg
  3. Marc Buggeln: Hannover-Misburg. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors.. Bd. 5. 2007, S. 438 und 440.
  4. Rainer Fröbe, Claus Füllberg-Stolberg, Christoph Gutmann, Rolf Keller, Herbert Obenaus, Hans Hermann Schröder: Konzentrationslager in Hannover. KZ-Arbeit und Rüstungsindustrie in der Spätphase des Zweiten Weltkriegs (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen. Bd. 35 = Quellen und Untersuchungen zur allgemeinen Geschichte Niedersachsens in der Neuzeit. Bd. 8). 2 Bände. Lax, Hildesheim 1985, ISBN 3-7848-2422-6.
  5. Ulrike Puvogel: Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation ( = Schriftenreihe. Arbeitshilfen für die politische Bildung, Bd. 245), hrsg. von der Bundeszentrale für Politische Bildung, Bonn: Bundeszentrale für Politische Bildung, 1987, ISBN 3-923423-67-5, S. 422; Vorschau über Google-Bücher

Koordinaten: 52° 22′ 58,8″ N, 9° 51′ 22,8″ O

Auf dieser Seite verwendete Medien