KISS-Prinzip

Das KISS-Prinzip (englisch keep it simple [and] stupid) fordert, zu einem Problem eine möglichst einfache Lösung anzustreben.[1]

In seiner Grundaussage ähnelt das KISS-Prinzip stark der Aussage von Ockhams Rasiermesser: Wenn es mehrere Erklärungen für einen bestimmten Sachverhalt gibt, dann ist diejenige Erklärung zu bevorzugen, die am einfachsten ist, also mit den wenigsten Annahmen und Variablen auskommt. Es handelt sich hierbei auch um ein Prinzip von Clean Code.

Varianten

Ursprünglich steht die Abkürzung KISS für „Keep it simple, stupid!“, also „Halte es einfach, Dummkopf!“.
Stupid ist hier als scherzhafte Anrede zu verstehen, die dem Satz eine flapsige, aber wohlmeinende Bedeutung gibt: „Sei nicht so blöd, dir den Kopf zu zerbrechen, wenn es auch einfach geht.“[2][3]

Die Abkürzung wird inzwischen unterschiedlich aufgelöst („simple“ ist jedoch stets enthalten), beispielsweise:

Keep it simple, stupid[4]Halte es einfach, Blödmann!; sinngemäß: Mach’s doch so einfach wie möglich.
Keep it simple [and] stupid[5]Halte es einfach und beschränkt; sinngemäß: Mit einfachsten Mitteln verständlich und idiotensicher.
Keep it simply stupidHalte es einfach beschränkt
Keep it short and simple[4]Gestalte es kurz und einfach; aus dem Bereich des Marketing
Keep it simple and smart[6]Mach es einfach und schlau
Keep it simple and straightforward[7]Gestalte es einfach und verständlich

Da das Akronym KISS selbst wieder ein Wort bildet (englisch kiss, deutsch Kuss), wird es auch als Apronym bezeichnet.

Ursprung und Verbreitung

Das Apronym wurde angeblich von Clarence Johnson geprägt, der leitender Ingenieur bei Lockheed Martin Skunk Works war, einer Firma, die unter anderem die Spionageflugzeuge Lockheed U-2 und SR-71 Blackbird hergestellt hat.[8]

Während es von der Allgemeinheit jahrzehntelang als „Keep it simple[,] stupid“ aufgelöst wurde, löste Johnson selbst es als „Keep it simple [and] stupid.“ auf, und in dieser Variante wird es inzwischen von vielen Autoren verwendet.[9] Eine Anekdote aus dem Leben Johnsons soll seine Einstellung zur einfachen Problemlösung veranschaulichen: Einer Gruppe von Ingenieuren stellte er die Aufgabe, ein Düsentriebwerk zu entwerfen, und händigte dazu einige Werkzeuge aus. Das zu entwerfende Düsentriebwerk solle auch von einem durchschnittlichen Mechaniker repariert werden können, der sich in einem Kriegseinsatz befinde. Zur Reparatur dürften keine anderen als die ausgehändigten Werkzeuge benutzt werden. So sei das KISS-Prinzip insbesondere in der United States Air Force und dem Feld der Softwareentwicklung verbreitet. Als Designprinzip beschreibt es im Gegensatz zu einer Problemlösung in der Form einer Fehlerumgehung („workaround“) die möglichst einfache, minimalistische und leicht verständliche Lösung eines Problems.

Ein weiteres Beispiel ist das Internet, welches auf der TCP/IP-Protokollfamilie basiert. Der einfache Aufbau dieser Protokolle hat dafür gesorgt, dass dieses Netz das sehr schnelle Wachstum seit dem Aufkommen des World Wide Web ohne große Probleme überstanden hat, obwohl die TCP/IP-Protokolle ursprünglich für ein wesentlich kleineres Netzwerksystem (für die Forschungszentren der DARPA)[10] entwickelt wurden.

Ferner wird die „Keep It Short and Simple“-Version gemeinsam mit PEE (Point, Evidence, Explain: Behaupte, Belege, Erkläre) an englischen Schulen und Universitäten im Zusammenhang mit dem Schreiben von Essays, Inhaltsangaben und Interpretationen gelehrt und auch als Maxime für gutes Marketing propagiert.[4]

KISS-Prinzip in der Unix-Philosophie

Sowohl bei der Entwicklung des Betriebssystems Unix als auch bei der Entwicklung der Unix-Kommandos für den Unix-Baukasten zeigte sich der Vorteil von einfachen, spezialisierten Programmeinheiten gegenüber monolithischen, großen und komplexen Programmen: angefangen bei der Zerlegung des Programmieraufwandes in einzelne Einheiten, weiter bei der Fehlersuche in diesen Einheiten und deren Optimierung sowie in der Wartbarkeit des Quellcodes.[11]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Heinz-Hermann Meyer: KISS-Prinzip. In: Lexikon der Filmbegriffe. Institut für Neuere Deutsche Literatur und Medien, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 18. November 2013, abgerufen am 3. Juli 2016.
  2. Der Ursprung der Phrase liegt wohl im militärischen Bereich. Siehe: The Routledge Dictionary of Modern American Slang and Unconventional English, Tom Dalzell, 2009, 1104 pages, p.595, webpage: BGoogle-5F: notes U.S. Navy "Project KISS" of 1960, headed by Rear Admiral Paul D. Stroop, Chicago Daily Tribune, p.43, 4 December 1960.
  3. The Concise New Partridge Dictionary of Slang, Eric Partridge, Tom Dalzell, Terry Victor, Psychology Press, 2007, p.384.
  4. a b c Keep it Simple Stupid. The Jargon File, version 4.4.7, abgerufen am 29. Februar 2012.
  5. Keep It Simple Stupid (KISS). Principles Wiki, 7. April 2016, abgerufen am 3. Juli 2016.
  6. Klaus D. Niemann: Von der Unternehmensarchitektur zur IT-Governance. Vieweg+Teubner Verlag, 2005, doi:10.1007/978-3-8348-9066-5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  7. Kiss principle definition by MONASH Marketing Dictionary. Archiviert vom Original am 30. Januar 2016; abgerufen am 28. Juni 2016.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/business.monash.edu
  8. Ben R. Rich: Clarence Leonard (Kelly) Johnson 1910–1990: A Biographical Memoir. (PDF; 179 kB) National Academies Press, Washington DC 1995, S. 231 (englisch); abgerufen am 30. Januar 2016.
  9. Ram B. Misra: Global IT Outsourcing: Metrics for Success of All Parties. In: Journal of Information Technology Cases and Applications, Volume 6, 2004, Issue 3, S. 21, njit.edu (Memento vom 29. Januar 2012 im Internet Archive) (PDF; 2,0 MB); abgerufen am 19. Dezember 2012.
  10. Stefano Albrecht: Hardwareview: Netzwerktechnologie TCP/IP
  11. Raymond, Eric S.: The art of programming, Boston, Addison-Wesley, 2004, ISBN 0131429019