Kühlschrankmutter

Die Bezeichnung Kühlschrankmutter (engl. refrigerator mother) wurde im 20. Jahrhundert lange in der Bindungstheorie verwendet und bezeichnete emotionsarme Mütter, die ihre Kinder mutmaßlich zu wenig trösten, in den Arm nehmen oder mit ihnen kuscheln.[1] Die sogenannte Kühlschrankmutter-Theorie wurde vor allem auch als Erklärung für das Entstehen von Autismus und Schizophrenie herangezogen und wird heute in den meisten Ländern als unwissenschaftlich abgelehnt. Allerdings gibt es immer noch einige Psychotherapeuten, die diese Theorie vertreten.

Thema Autismus

Leo Kanner, der 1943 frühkindlichen Autismus beschrieb, hielt es für möglich, dass Autismus auf einen Mangel an mütterlicher Wärme zurückzuführen sei. Fortgeführt wurde diese Theorie vor allem durch das Buch Die Geburt des Selbst (1967) des Psychoanalytikers Bruno Bettelheim, dessen Publikationen heute allerdings als weitgehend substanzlos angesehen werden, weil er seinen Lebenslauf gefälscht hat und nie ein Psychologiestudium absolvierte.[2][3][1]

Folgen der „Kühlschrankmutter“-Theorie

Aufgrund dieser Theorie, Autismus werde durch psychische Faktoren verursacht, litten Eltern autistischer Kinder in der Vergangenheit unter ungerechtfertigten Vorwürfen. Teilweise werden auch heute noch Eltern von ihrer Umgebung für das autistische Verhalten ihrer Kinder verantwortlich gemacht.[1]

Erblichkeit hat größeren Einfluss als die Umwelt

Mittlerweile steht fest, dass Autismus neurologische Ursachen hat und man geht davon aus, dass er möglicherweise genetisch bedingt ist (siehe Autismus).[1] Eine große Meta-Studie untersuchte die Erblichkeit von Autismus anhand von Zwillingsdaten. In diese Studie gingen die Daten von 14.921 Zwillingspaaren ein, von denen ein Zwilling oder beide autistisch waren (einschließlich Asperger-Syndrom) oder autistische Züge hatten. Das Ergebnis der Studie: Erblichkeit hat einen wesentlich größeren Einfluss als die Umwelt. Wenn ein eineiiger Zwilling autistisch ist, ist der andere es mit 98-prozentiger Wahrscheinlichkeit auch. Für zweieiige Zwillinge ist diese Wahrscheinlichkeit viel geringer: In der Studie liegt sie bei 53–67 %, je nachdem, wo man die Grenze zieht zwischen Autismus und Nicht-Autismus.[4]

Weblinks

  • Herbert van Oorschot: Autismus: Vererbung. (PDF; 82 kB) Heike Frank (www.aspergia.de), abgerufen am 23. März 2012 (aus dem Niederländischen von Heike Frank): „Mit freundlicher Genehmigung von PAS Nederland (www.pasnederland.nl).“

Einzelnachweise

  1. a b c d Judith Sinzig: Frühkindlicher Autismus. Springer, 2011, S. 3, 31–40 (Auszug (Google))
  2. Heinrich Zankl: Falscher Doktor - Die seltsamen Wege des Bruno Bettelheim. In: Fälscher, Schwindler, Scharlatane - Betrug in Forschung und Wissenschaft. S. 180–184. Wiley-VCH, Weinheim 2003, ISBN 3-527-30710-9.
  3. Serge Cicotti: 150 psychologische Aha-Experimente: Beobachtungen zu unserem eigenen Erleben und Verhalten. Springer, 2014, S. 3 (Auszug (Google))
  4. Linus Müller: Autismus-Ursachen – Was wir wissen, und was nicht, auf autismus-kultur.de