Justizvollzugsanstalt Bützow

Justizvollzugsanstalt Bützow
JVA Bützow, 2010
Informationen zur Anstalt
NameJustizvollzugsanstalt Bützow
Bezugsjahr1839
Haftplätze438[1]
Mitarbeiteretwa 280[2]
AnstaltsleitungRegierungsdirektor Frank Grotjohann

Die Justizvollzugsanstalt Bützow befindet sich auf einem etwa 270.000 Quadratmeter großen Gelände auf Dreibergen im Nordwesten der Stadt Bützow im Landkreis Rostock in Mecklenburg-Vorpommern (Deutschland). Sie ist die größte der vier Justizvollzugsanstalten in Mecklenburg-Vorpommern.

Bützower Baudenkmal Nr. 0270

Geschichte

Die ehemalige Großherzoglich Mecklenburg Schwerinsche Landesstrafanstalt zu Dreibergen gehört zu den ältesten und berüchtigtsten Haftanstalten in Deutschland. Schon 1832 trug man sich mit den Plänen zum Bau einer Strafanstalt.[3] So heißt es dazu im Freimüthigen Abendblatt vom 23. März 1832:

Bützow den 13. März:
Erwartungsvoll sehen wir der Bestimmung des Ortes entgegen, wo die neue Strafanstalt errichtet werden wird;
ob nun auf dem Schloßplatze oder Hopfenwall, auf dem Weinberge oder Forsthofe, das soll uns gleich seyn, denn immer kann im Ganzen das nahrungslose Bützow, durch das Entstehen eines so großartigen und tief durchdachten Baues, nur gewinnen. Bereits sind Risse, Anschläge und Gutachten zur weiteren Prüfung eingereicht.[4]
Landesstrafanstalt zu Dreibergen um 1845
Siegelmarke der Landesstrafanstalt zu Dreibergen

Der Bau begann 1835 mit dem Kauf der Länderei. Das Grundstück bestand aus, dreien, nahe beieinander liegende Hügel. (40–50 Fuß über dem Wasserspiegel des Bützower Sees).[3] Am 29. März 1838 begannen 12 Sträflinge aus der Festung Dömitz mit dem Bau des Gefangenenhauses 1. Die Strafanstalt wurde am 25. April 1839 als Großherzoglich Mecklenburg-Schwerin Landesstrafanstalt zu Dreibergen eröffnet und das Gefangenenhaus mit 60 Sträflingen belegt. Erster Anstaltsleiter wurde 1842 Oberinspektor August Ehlers.[3] 1844 betrug die Anzahl der Sträflinge schon 247, davon 44 weibliche.[5] Die dann folgende Bauphase dauerte fast zehn Jahre bis 1847. Fertiggestellt wurden bis dahin neben der Männerstation und einer Männerisolierstation auch ein vorläufiges Frauenhaus. Im direkten Umfeld errichtete man Beamtenhäuser und Flügel für Büroräume. Im Jahr 1847 hatte die Anstalt eine Belegungsfähigkeit von 294 Sträflingen, davon 60 Frauen. 1860 entstand ein weiteres Männerverwahrhaus mit Isolierzellen, und 1883 wurde das Weiberzuchthaus in Gebrauch genommen, das sich auf einem von den Männerhäusern abgetrennten Areal befindet. In den Jahren 1902 bis 1906 erfolgte ein weiterer großer Umbau der Männerverwahrhäuser, um den Anstaltsbetrieb effektiver durchführen zu können. Es wurden mehr Einzelzellen für die Unterbringung geschaffen, aber auch Arbeitsräume, Bäder, Diensträume und ein Andachtssaal wurden durch die Verbindung der einzelnen Verwahrhäuser gewonnen. Auch der Anbau für das Krankenhaus wurde 1906 fertiggestellt.[3]

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden hier hunderte von Todesurteilen in einem zum Hinrichtungskeller umgebauten Apfelkeller vollstreckt. Von Dezember 1944 bis zum Kriegsende war dort das Fallbeil aus der Zentralen Hinrichtungsstätte V (UH Hamburg-Stadt) aufgestellt. Die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) nutzte das Gefängnis für die erzwungene Repatriierung von Sowjetbürgern und für Deutsche.[6] Im September 1947 wurden aus den Trümmern eines Gebäudes in Bützow rund 500 Leichen geborgen.[7] Untersuchungen zufolge handelte es sich hierbei um ehemalige Gefangene des Gefängnisses, die kurz vor der Kapitulation Deutschlands von den Gefängniswärtern getötet wurden.[7] In der DDR war die Strafanstalt eine der gefürchteten drei großen B (Bützow, Bautzen, Brandenburg) – Strafanstalten, in denen Regimegegner unter besonders harten Haftbedingungen zu leiden hatten.[6] Nach 1950 war hier zeitweise der Politiker William Borm inhaftiert. Auch der Wehrdienstverweigerer Nico Hübner war Ende der 70er Jahre dort in Haft.[8]

Der Betrieb der Haftanstalt wurde nach der politischen Wende in der DDR und der Deutschen Wiedervereinigung aufrechterhalten. Bauliche Normen und Gegebenheiten wurden anschließend kaum verändert, denn die damalige Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns gab nur spärlich Geld für Restaurierungsarbeiten oder gar Neubauten in der JVA Bützow aus. Aneinandergereihte, nur durch Decken abgetrennte, dunkle und mit bis zu acht Gefangenen belegte Hafträume – anstatt Einzelunterbringung – waren damals genauso Standard wie schlechte hygienische Bedingungen, sexuelle Übergriffe und Gewalt unter den Gefangenen. Hinzu kamen überforderte und schlecht bezahlte Justizbedienstete. Ausbrüche aus den Katakomben der Anstalt waren zwar nicht alltäglich, aber auch nicht selten.[6]

Mitte der 1990er-Jahre herrschten in den Gewölben der Anstalt noch nahezu die gleichen katastrophalen und menschenunwürdigen Bedingungen wie einst für die verurteilten Inhaftierten im untergegangenen Regime. Printmedien betitelten dieses Gefängnis gerne als Skandal- oder Schreckensknast.[6] So kam es dort am 3. Oktober 1995 zu einer der brutalsten Gefangenenmeutereien in einem deutschen Gefängnis überhaupt.[9] Fünf durch selbstgebrannten Schnaps alkoholisierte Gefangene überwältigten vier Justizvollzugsbeamte, nahmen sie als Geiseln und wollten so ein Fluchtauto und damit ihre Freilassung erpressen.[10] Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, zerschnitten sie ihren Opfern mittels scharfgeschliffenen Essmessern und einem Beil die Gesichter, stachen ihnen in den Rücken, schlugen ihre Köpfe gegen Tore, misshandelten und quälten sie brutal mehrere Stunden lang. Die Meuterei konnte nach knapp fünf Stunden vom SEK beendet werden.[11]

Große Teile des 2007 fertiggestellten Films Underdogs wurden in der JVA Bützow gedreht.[12]

Belegung

Die JVA Bützow ist für etwa 452 Inhaftierte ausgelegt, davon sind 35 Haftplätze für Frauen. Die Anstalt verfügt als einzige im Land Mecklenburg-Vorpommern über eine stationäre Krankenhausabteilung, die mit einer Ambulanz sowie 36 Betten eingerichtet und mit vier hauptamtlich tätigen Ärzten besetzt ist.

Von Juni 2005 bis Dezember 2007 befand sich in der JVA Bützow das bis Juli 2008 bundesweit einmalige Diagnostikzentrum für den Justizvollzug in Mecklenburg-Vorpommern für die Aufnahme von zu Freiheitsstrafen von mehr als vier Jahren verurteilten Sexualstraftätern und wegen Tötungsdelikten verurteilten Strafgefangenen, bei denen von ausgesuchten Experten zunächst eine umfangreiche psychologische Diagnostik vorgenommen wurde, bevor sie in andere Anstalten verlegt oder ihnen die Eignung für Lockerungen aus dem Vollzug anerkannt wurden. Seit Januar 2008 befindet sich das Diagnostikzentrum für den Justizvollzug in Mecklenburg-Vorpommern aus strukturellen Gründen in der JVA Waldeck bei Rostock.

Vollstreckungszuständigkeit

Die Justizvollzugsanstalt Bützow ist nach dem Vollstreckungsplan[13] für das Land Mecklenburg-Vorpommern in erster Linie eine Anstalt des geschlossenen Strafvollzuges für erwachsene männliche und weibliche Strafgefangene, jedoch auch mit der Möglichkeit des Vollzugs von Untersuchungshaft. Seit 2013 existieren dort auch 20 Haftplätze zum Vollzug der Sicherungsverwahrung.[14]

Siehe auch

Literatur

  • Helga Schöck, Gerd Wiechmann: 1812 - 1906 chronologische Aufzeichnungen ; vom „Criminal-Colegium“ 1812 über die Erstbelegung der „Großherzoglich Mecklenburg-Schwer. Landesstrafanstalt zu Dreibergen“, Teil 1. Gänsebrunnen-Verlag, Bützow, 1999, ISBN 3-934182-05-4.
  • Friedrich-Ebert-Stiftung Mecklenburg-Vorpommern: Politische Strafjustiz 1945–1989 – Der Gefängnisstandort Bützow als Gedenk- und Lernort. 1. Auflage. ISBN 978-3-89892-958-5.

Weblinks

Commons: Justizvollzugsanstalt Bützow – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. https://www.justiz-in-mv.de/jvab/Service/Vollzugsabteilungen/
  2. https://www.justiz-in-mv.de/jvab/
  3. a b c d Helga Schöck, Gerd Wiechmann: 1812 - 1906 chronologische Aufzeichnungen ; vom "Criminal-Colegium" 1812 über die Erstbelegung der "Großherzoglich Mecklenburg-Schwer. Landesstrafanstalt zu Dreibergen". Gänsebrunnen-Verlag, Bützow, 1999.
  4. Freimüthiges Abendblatt: Freimüthiges Abendblatt, 14. Jg, Nr. 679-730. Bärensprung, Schwerin, 1832.
  5. Wilhelm Ludwig Demme: Annalen der deutschen und ausländischen Criminal-Rechts-Pflege. Ferdinant Dümmler , S. 105, 1846 (google.de).
  6. a b c d Andreas Wagner: FORSCHEN,GEDENKEN UND LERNEN. Schwerin 2008 (fes.de [PDF]).
  7. a b 500 Leichen von Gefangenen entdeckt. In: Welt am Abend, 24. September 1947, S. 4 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/waa
  8. https://www.svz.de/lokales/wehrdienst-verweigerer-im-buetzower-gefaengnis-id4658586.html
  9. Wie in Nordafrika. In: Der Spiegel. 25. Dezember 1995, abgerufen am 28. Januar 2011
  10. Geiseldrama im Bützow-Knast. In: BILD-Zeitung. 10. Oktober 1996, S. 3
  11. Tageseinträge für 4. Oktober 1995 auf: chroniknet.de abgerufen am 23. September 2011
  12. Dr. Bodo Mrozek: Underdogs: Im Streichelknast. 25. Juli 2008 (tagesspiegel.de).
  13. Amtsblatt für Mecklenburg-Vorpommern: Vollstreckungsplan für das Land Mecklenburg-Vorpommern. 10. Dezember 2018 (justiz-in-mv.de [PDF]).
  14. Justizvollzugsanstalt Bützow: Aufgaben und Zuständigkeiten. 10. Dezember 2018 (justiz-in-mv.de).

Koordinaten: 53° 51′ 8,9″ N, 11° 57′ 54,2″ O

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