Julie de Lespinasse

Julie de Lespinasse

Jeanne Julie de Lespinasse (* 10. November 1732 in Lyon; † 22. Mai 1776 in Paris) war eine französische Salonnière der Aufklärung.

Leben

Julie stammt aus einer außerehelichen Beziehung ihrer Mutter Julie d’Albon (1695–1748)[1] mit dem Grafen Gaspard Nicolas de Vichy (1699–1781),[2] einem Bruder der Marquise du Deffand. Sie wurde nach einem Landgut Lespinasse benannt. Eine gewisse Zeit lebte sie in einem Kloster.[3] Dann war sie zunächst Lehrerin und wurde im April 1754 von ihrer erblindenden Tante, der Madame du Deffand, in deren Salon nach Paris geholt. Letztere war nach dem Tode ihres Mannes, des Marquis du Deffand (1688–1750), in die frühere Wohnung von Madame de Montespan in einem ehemaligen Kloster, dem couvent des Filles de Saint-Joseph in der rue Saint-Dominique in Paris gezogen.[4] Julie de Lespinasse zog zu ihrer Tante, wohnte zunächst in einer Wagenremise und später in einem Zimmer über der Wohnung der Tante.[5] Julie half ihr beim Ausrichten und Empfang der Salongesellschaften und machte viele Bekanntschaften. Dort ging sie eine tiefe platonische Partnerschaft mit dem Aufklärer D’Alembert ein.

Die Marquise du Deffand war blind und hatte die Angewohnheit, nur spät abends zu empfangen. Gäste zogen es vor, zunächst die Gesellschaft von Lespinasse aufzusuchen, und gingen erst danach zu der älteren Gastgeberin.[6] Dies führte im Mai des Jahres 1764 zum Bruch zwischen den beiden Frauen, sodass Julie des Lespinasse sich genötigt sah, eine eigene Bleibe zu suchen. Sie wählte als neues Domizil ein dreistöckiges Haus in der n° 6 rue Saint-Dominique an der Kreuzung zur rue de Bellechasse, etwa hundert Meter von ihrem früheren Wohnort entfernt.[7]

Dort gründete sie ihren eigenen Salon mit Hilfe von Marie Thérèse Rodet Geoffrin und Louise Françoise Pauline de Montmorency (1734–1818).[8][9] In diesem verkehrten die größten Literaten und Philosophen ihrer Zeit, vor allem die Enzyklopädisten, als deren „Muse“ Julie de Lespinasse oft bezeichnet wurde. Sie gehörte außerdem zum Salon der philosophes, dem Madame Helvétius vorstand.

Obwohl Julie laut zeitgenössischen Aussagen nicht besonders hübsch[6] und später auch durch Blatternnarben gezeichnet war, muss sie jedoch eine unwiderstehliche, magische Anziehungskraft gehabt haben, denn sie hatte nicht wenige Liebschaften, unter anderem mit José Pignatelli (1737–1811), Marquis de Mora (1744–1774)[10] und Jacques-Antoine-Hippolyte, comte de Guibert, denen sie glühende Liebesbriefe schrieb, die später veröffentlicht wurden.

Zu den wichtigsten philosophischen Werken rechnet man Denis Diderots Le Rêve de d’Alembert, Teil einer Trilogie, die im Jahre 1769 entstanden war und in Dialogform geschrieben wurde. In diesem fiktionalen Werk werden der Autor, Mademoiselle de Lespinasse, D’Alembert und Théophile de Bordeu in Szene gesetzt.

Deutsche Ausgaben

  • Die Liebesbriefe der Julie de Lespinasse. Übertragen und eingeleitet von Arthur Schurig. Lehmann, Dresden 1920 (Scans im DjVu-Format; E-Text: Die Liebesbriefe der Julie de Lespinasse im Projekt Gutenberg-DE) Reprint, Bremen 2010, ISBN 978-3-86741-217-9
  • Briefe einer Leidenschaft. 1773 bis 1776. C. H. Beck, München 1997, ISBN 3-406-42336-1 (Online lesbar in Google Buchsuche)
    • (Ohne Titel) Auszug, datiert: Dienstag, Dezember 1795 (ohne Datum). In: Robert Darnton: George Washingtons falsche Zähne oder noch einmal: Was ist Aufklärung? ebd. 1997, ISBN 3-406-42367-1, S. 35f. (über Lektüre, Brief an Jean-Jacques Comte de Guibert; aus vorigem Buch S. 444f.)

Literatur

  • Marie-Christine d' Aragon; Jean Lacouture: Julie de Lespinasse: Mourir d'amour. Editions Complexe, Destins (2006), ISBN 2-804-801195
  • Lytton Strachey: Mademoiselle de Lespinasse. In: Corona, Jg. 5 (1934/35), S. 223–236.
  • István Benedek: Pariser Salons. Historischer Roman. Aus dem Ungarischen von Ita Szent-Iványi. Volk und Welt, Berlin 1974 (häufige Neuaufl., zuletzt 5. Aufl. 1982)
  • Camilla Jebb: A Star of the Salons: Julie de Lespinasse. New York, G. P. Putnam's Sons (1908)
  • Lytton Strachey: Französische Paradiese: Voltaire, Madame du Deffand, Mademoiselle de Lespinasse und Stendhal. Wagenbach, Berlin 2002, ISBN 3-8031-1209-5
  • Erwin Angermayer (Redaktion): Große Frauen der Weltgeschichte. Tausend Biographien in Wort und Bild. Neuer Kaiser Verlag, Klagenfurt 1987; Neuaufl. 1997 ISBN 3704330647, S. 157

Weblinks

Commons: Jeanne Julie Éléonore de Lespinasse – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Genealogie der Mutter
  2. Genealogie des Vaters
  3. Eske, Antje: Die Verbindung von Social Web und Salonkultur. 13 Salonièren. Books on Demand, Norderstedt 2010, ISBN 3-839-18308-1, S. 28.
  4. Biographie Madame du Deffand (französisch).
  5. Pierre Marie Maurice Henri Segur, marquis de: Julie de Lespinasse. Calmann-Lévy, Paris 1905.
  6. a b Antonius Lux (Hrsg.): Große Frauen der Weltgeschichte. Tausend Biographien in Wort und Bild. Sebastian Lux Verlag, München 1963, S. 157.
  7. Durant, Will & Ariel: Europa und der Osten im Zeitalter der Aufklärung. Ullstein, Frankfurt, Berlin und Wien 1982, ISBN 3-548-36115-3, S. 147–157.
  8. Genealogie der Louise Françoise Pauline de Montmorency
  9. Louise Françoise Pauline (de) Montmorency-Luxembourg (16. Januar 1734 – 25. August 1818), Gattin des Anne François de Montmorency-Luxembourg (1735–1761). Rousseau war beider Gast; siehe Friedrich Johann Lorenz Meyer: Briefe aus der Hauptstadt und dem Innern Frankreichs Bd. 2, Tübingen 1802, S. 226–230: im Schlößchen Mont-Louis in der Stadt Montmorency (online). Hier auch die Bezeichnung der Louise als „Marschallin von Luxemburg“, la maréchale, die sich eher auf den berühmten Vater ihres Mannes bezieht.
  10. Biblioteca Digital Moratin. Luis Coloma – EL MARQUÉS DE MORA, Text in spanischer Sprache, online

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