Julia, du bist zauberhaft (Roman)
Julia, du bist zauberhaft (engl. Theatre) ist ein Roman von William Somerset Maugham, der 1937 bei Heinemann[A 1] in London und bei Doubleday Doran[A 2] in New York City erschien[A 3]. Bereits im selben Jahr kam unter dem Titel „Theater“ eine Übertragung ins Deutsche im Bastei-Verlag in Wien heraus.
Vor dem Leser werden die Affären der 48-jährigen[A 4] gefeierten Londoner Bühnenkünstlerin Julia Lambert ausgebreitet. Roger, der 18-jährige Sohn, sagt es seiner Mutter, der „bedeutendsten Schauspielerin Englands“[1], ins Gesicht: „Du hörst nie auf, Theater zu spielen.“[2]
Inhalt
- Die Vorgeschichte
Julia wird auf Jersey als Tochter eines Veterinärs geboren. Als 16-Jährige kommt das Mädchen von Lyzeum auf die Londoner Schauspielakademie. Ihr Gesichtsausdruck ist zu der Zeit bereits wandlungsfähig wie der der Duse. Als 20-jährige schlecht bezahlte Aktrice lernt sie ihren späteren Ehemann, den 26-jährigen Mimen Michael Gosselyn, kennen. Michaels Vater ist ein pensionierter Oberst. Michael erweist sich – im Gegensatz zu Julia – als ein miserabler Schauspieler. Trotzdem heiratet Julia mit dem eitlen Michael den schönsten Mann von England. Der Gatte profiliert sich aber – auch dank seines Geizes – als fähiger Theaterleiter und Regisseur. Zuvor zieht Michael in den Krieg und kehrt als ein mit dem Military Cross dekorierter Major und Mitglied der Ehrenlegion heim. Kurz nach Kriegsende bringt Julia – damals fast dreißig Jahre alt – Roger zur Welt. Die Liebe zu Michael erkaltet. Als Michaels Eltern sterben, reicht die geerbte Summe Geldes nicht zum Erwerb eines eigenen Theaters in London aus. Das junge Ehepaar findet eine bemittelte Geldgeberin. Dolly de Vries hilft aus. Sie handelt aus Liebe. Die kleine rundliche Witwe ist nicht Michael zugeneigt, sondern Julia. Michael atmet auf, als die Gattin keine sexuellen Forderungen mehr an ihn stellt. Schließlich nimmt Michael noch eine Anleihe bei der Bank und pachtet einen Theaterneubau, den er „Siddons Theater“ nennt. Die talentierte Julia avanciert durch Auftritte in Kassenschlagern am „Siddons Theater“ zur reichen Frau und will Roger die Ausbildung in Eton und darauf in Cambridge ermöglichen.
- Die Geschichte
Julia schart ihre ergebenen Bewunderer, wie den vermögenden Schöngeist Lord Charles Tamerly, um sich. Obendrein hat sie einen Geliebten – den Buchprüfer Thomas Fennel. Tom – wie der junge Mann genannt wird – ist nur fünf Jahre älter als Roger. Lord Charles ist seit Jahren in Julia verliebt. Bei der Londoner Aristokratie gilt Julia als seine Geliebte. Dem ist nicht so. Julia hält Charles mit leichter Hand auf Distanz. Hingegen mit dem in bescheidenen Verhältnissen lebenden Tom geht sie ins Bett. Julia kennt die Männer. Sie spürt, der sinnliche Tom liebt sie nicht. Bei dem Abenteuer mit Tom bleibt es nicht. Während einer Bahnfahrt zu ihrer Freundin Dolly nach Cannes schläft Julia mit einem wildfremden bärtigen Spanier. „Physisch zerschmettert“[3] steigt die Schauspielerin an der Côte d’Azur aus dem Schlafwagen.
Nach London heimgekehrt, konstatiert die empörte, auf Roger eifersüchtige Julia, wie sich Tom an ihren Sohn anschließt und sie als Mutter der älteren Generation zurechnet. Julia überhäuft Tom mit kostspieligen Geschenken. Beleidigt gibt Tom die Liebesgaben zurück.
Dolly belästigt den Geschäftspartner Michael mit ihrer Eifersucht auf Tom. Michael möchte die inzwischen 60-Jährige als Geldgeberin loswerden. Dolly erweist sich als anhänglich. Michael, hellhörig geworden, stellt den netten Hausfreund Tom zur Rede. Julia vermeint schon das Grollen eines aufziehenden Ungewitters zu vernehmen und rätselt: Wird sie im Ernstfall von Charles geehelicht werden? Das Unwetter verzieht sich. Tom wendet sich der blutjungen Aktrice Avice Crichton zu und gibt Julia den Laufpass. Gedemütigt rächt sich die alternde Julia an Tom, diesem grünen Jungen mit dem „wollüstigen Temperament“. Nach erneutem Beischlaf trennt sie sich von ihm und spinnt eine Intrige. Auf Julias wohlwollende Empfehlung baut Michael die Anfängerin Avice aufwändig zum hoffnungsvollen Star auf. In einem gemeinsamen Auftritt während der Premiere des Stücks „Heutzutage“ spielt Julia der Neuen auf offener Bühne derart mit, dass Michael nach der Uraufführung nichts mehr mit dem Sternchen zu tun haben möchte.
Julia will vor eben genannter Premiere ihren Charles nicht länger schmachten lassen und möchte sich endlich gerne zum Beischlaf bereitfinden. Fehlanzeige. Charles ist nicht interessiert. Nach Ansicht der perplexen Julia ist der Lord entweder homosexuell oder impotent. Um ein Haar hätte sie sich vor dem Schlappschwanz nackt ausgezogen. Dann setzt Julia die Ursachenforschung fort. Vielleicht hat sie Charles ein paar Jahre zu viel zappeln lassen. Vermutlich finden sie Männer nicht mehr attraktiv.
Roger sagt der Rabenmutter noch schonungslos Wahrheiten, bevor er nach Schottland geht. Entsetzlich – im Verlaufe der Auseinandersetzung muss Julia befürchten, der Sohn weiß von ihrer Affäre mit Tom.
Nach diesen beiden moralischen Erschütterungen sieht es so aus, als habe Julia nun endlich genug von ihren Affären.
Zitate
- „Lob klingt dem Künstler immer süß.“[4]
- Julia, als sie ihre Affären endlich hinter sich hat: „Was ist die Liebe gegen ein Beefsteak mit Zwiebeln?“[5]
- Charles habe gelassen ausgesprochen, „Dichtung entstehe aus der schon beruhigten Erinnerung an ein Gefühlserlebnis.“[6]
Form
Die Geschichte wird locker und leicht von einem allwissenden William Somerset Maugham vorgetragen. Meist ist Julias ironisch gefärbter Kommentar zum mitunter albernen Auftreten ihrer Dialogpartner in runde Klammern gesetzt. Diese Notation wird nicht durchgehalten. Julia denkt am anderen Ort auch ohne runde Klammern.
Es gibt noch eine Frau, Julias Garderobiere Evie, die sich nichts vormachen lässt und – von Julia befragt – inmitten einer Welt des schönen Scheins mit der Wahrheit keinesfalls hinter dem Berg hält: „Eine Schönheit sind Sie nicht, das wissen Sie selbst.“[7]
Interpretation
Es geht in dem Text überhaupt nicht um unerhörte Bühnenereignisse. Wie Roger – ganz oben im Artikel zitiert – bemerkt, hört Julia, von der Bühne in den Alltag abgestiegen, nie mit dem Theaterspiel auf. Dieses Phänomen nutzt William Somerset Maugham meisterlich aus, wenn er seine Julia auf Heiterkeit erregende Weise über den ganzen Roman hinweg als Bühnengestalt durch das wirkliche Leben wandeln lässt. Julia flunkert[A 5] und scheut auch vor einem kleinen Meineid[A 6] nicht zurück.
Verfilmungen
- 1962 wurde der deutsche Film „Julia, Du bist zauberhaft“ von Alfred Weidenmann mit Lilli Palmer und Charles Boyer gezeigt.
- 1978, Lettland: Teatris von Jānis Streičs[8] mit Vija Artmane als Julia[9].
- 2004 die kanadisch-US-amerikanisch-ungarisch-britische Spielfilm-Komödie „Being Julia“ von István Szabó mit Annette Bening und Jeremy Irons.
Deutsche Ausgaben
Erstausgabe
- Theater. Roman. Aus dem Englischen von Renate Seiller. 260 Seiten. Bastei-Verlag, Wien 1937
Verwendete Ausgabe
- Julia, du bist zauberhaft. Roman. Aus dem Englischen von Renate Seiller. Verlag Volk und Welt, Berlin 1983 (4. Aufl.). 322 Seiten (Lizenzgeber: Rascher Verlag, Zürich Ⓒ 1943), ohne ISBN
Anmerkungen
- ↑ engl. Heinemann
- ↑ engl. Doubleday Doran
- ↑ engl. W. Somerset Maugham bibliography
- ↑ Zu Handlungsbeginn sind Julia 46 (Verwendete Ausgabe, S. 18, 4. Z.v.u.) und Michael 52 (Verwendete Ausgabe, S. 12, 14. Z.v.u.) Jahre alt. Da Julia mit 30 Jahren Mutter wird und der Sohn am Romanende 18 Jahre alt ist (Verwendete Ausgabe, S. 188, 17. Z.v.o.), läuft die Handlung über etwa zwei Jahre.
- ↑ Wenn Julia zum Beispiel ein Kleidungsstück missfällt, ruft sie „Entzückend!“ (Verwendete Ausgabe, S. 259, 16. Z.v.o.)
- ↑ Julia gibt der eifersüchtigen Dolly ihr Ehrenwort: Nie im Leben habe sie etwas mit Tom gehabt (Verwendete Ausgabe, S. 194, 8. Z.v.u.).
Einzelnachweise
- ↑ Verwendete Ausgabe, S. 107, 2. Z.v.o.
- ↑ Verwendete Ausgabe, S. 286, 4. Z.v.u.
- ↑ Verwendete Ausgabe, S. 121, 19. Z.v.o.
- ↑ Verwendete Ausgabe, S. 307, 2. Z.v.u.
- ↑ Verwendete Ausgabe, S. 307, 2. Z.v.u.
- ↑ Verwendete Ausgabe, S. 318, 10. Z.v.u.
- ↑ Verwendete Ausgabe, S. 264, 4. Z.v.u.
- ↑ eng. Jānis Streičs
- ↑ Verfilmung 1978 in der IMDb