Josef Weninger

Josef Weninger (* 15. Mai 1886 in Salzburg, Österreich-Ungarn; † 28. März 1959 in Wien) war ein österreichischer Anthropologe und Hochschullehrer.

Leben

Josef Weninger studierte bei Rudolf Pöch an der Universität Wien und habilitierte sich über afrikanische Kriegsgefangene des Ersten Weltkriegs. Als Nachfolger von Otto Reche leitete er seit 1927 bis zum Anschluss Österreichs an den NS-Staat (1938) das Anthropologische Institut der Universität Wien, seit November 1927 als außerordentlicher und seit Dezember 1934 als ordentlicher Professor für Anthropologie.[1][2] Zudem wirkte er als anthropologischer Fachberater der Wiener Polizei.[3] Er gilt als Begründer einer Wiener anthropologischen Schule, die einen vergleichenden, morphologischen Begriff der „Menschenrassen“ verfolgte. So legte er nur für die Nase 30 äußere Merkmale zur Bestimmung fest. Seit 1925 war er Mitherausgeber der „Zeitschrift für Rassenkunde“ sowie „Volk und Rasse“. Im Jahr 1938 musste er seinen Lehrstuhl aufgeben, weil seine Ehefrau und Mitarbeiterin in der erbbiologischen Arbeitsgemeinschaft am Institut Margarete Weninger, ebenfalls Anthropologin, Jüdin war.[4] Ihre Mutter sollte 1941 aus Wien deportiert werden, wurde allerdings vom Anthropologen und SS-Hauptsturmführer Viktor Christian (1885–1963) geschützt.[5] Weninger war zuvor Christians Förderer gewesen, weshalb dieser ihn jetzt schützte und erwirkte, dass das Wissenschaftsministerium Weninger die Auswertung der anthropologischen Erhebungen aus den Kriegsgefangenenlagern übertrug.[6] Im Besetzten Nachkriegsösterreich hatte Weninger bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1955 wieder die Leitung des Anthropologischen Instituts inne. Mit seiner Ehefrau setzte er die klassische Tradition der Morphologie fort.[7] 1948 wurde er zum Ordinarius der philosophischen Fakultät ernannt.[8] Margarete Weninger wurde 1948 dort Privatdozentin.[9] Ein Doktorand war Egon Reuer. Weninger wurde am Gersthofer Friedhof bestattet.[10]

Mitgliedschaften

Schriften

  • Eine morphologisch-anthropologische Studie : durchgeführt an 100 westafrikanischen Negern als Beitrag zur Anthropologie von Afrika. R. Pöchs Nachlass, Wien 1927 [= Wiener Habilitation]
  • Rassenkundliche Untersuchungen an Albanern : ein Beitrag zum Problem der dinarischen Rasse, Wien 1934.
  • Die anthropologischen Methoden der menschlichen Erbforschung. In: Just (Hrsg.): Handbuch der Erbbiologie des Menschen. 1940.
  • Über das stammesgeschichtliche Alter weiblicher Konstitutionsformen. In: Wiener klinische Wochenschrift. 59. Jg., Nr. 19, 1949.[11]
  • Gigantische Zahn- und Kiefergrößen von fossilen Hominiden aus Java und Südchina. In: Zeitschrift für Stomatologie. 45. Jg., Nr. 1, 1949.[11]
  • mit Margarete Weninger: Anthropologische Beobachtungen an Georgiern (Transkaukasien). R. Pöchs Nachlass, Wien 1959.[12]

Literatur

  • Richard Pittioni: Festschrift zum 70. Geburtstag von Professor Dr. Josef Weninger, Verlag F. Deuticke, 1956
  • Kurzbiografie in: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde, Verein für Volkskunde in Wien (Hg.), Heft 3/1980, Seite 53
  • Heinz Gabriel, Wolfgang Neugebauer: Vorreiter der Vernichtung?: Eugenik, Rassenhygiene und Euthanasie in der österreichischen Diskussion vor 1938. Zur Geschichte der NS-Euthanasie in Wien, Böhlau, Wien 2005
  • Katja Geisenhainer: „Rassenkunde“ und „Rassenhygiene“ an der Philosophischen Fakultät in Wien 1923–1938, in: Andre Gingrich; Peter Rohrbacher (Hg.), Völkerkunde zur NS-Zeit aus Wien (1938–1945): Institutionen, Biographien und Praktiken in Netzwerken (Phil.-hist. Kl., Sitzungsberichte 913; Veröffentlichungen zur Sozialanthropologie 27/1). Wien: Verlag der ÖAW 2021, S. 85–128. doi:10.1553/978OEAW86700

Einzelnachweise

  1. Personalnachrichten. In: Reichspost, 17. November 1927, S. 3 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/rpt
  2. Auszeichnungen. In: Der Tag / Der Wiener Tag, 23. Dezember 1934, S. 9 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/tag
  3. Ernst Klee: Deutsche Medizin im Dritten Reich. Karrieren vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-10-039310-4, S. 215 f.
  4. Ernst Klee: Deutsche Medizin im Dritten Reich. Karrieren vor und nach 1945. 2001, S. 216.
  5. Michael H. Kater: Das „Ahnenerbe“ der SS 1935-1945. Ein Beitrag zur Kulturpolitik des dritten Reiches, Seite 274, erschienen in der Reihe „Studien zur Zeitgeschichte“, Verlag Oldenbourg, 1973
  6. Der Fall Weninger, in: Gerd Simon: Tödlicher Bücherwahn. Der letzte Wiener Universitätsrektor im 3. Reich und der Tod seines Kollegen Norbert Jokl, Seite 13 (PDF; 298 kB)
  7. Geschichte des Anthropologischen Instituts der Universität Wien (engl.) (Memento desOriginals vom 13. April 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.anthropology.at
  8. Naturwissenschaftliche Rundschau, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 1948, Seite 240
  9. Ernst Klee: Deutsche Medizin im Dritten Reich. Karrieren vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-10-039310-4, S. 227, Anm. 7.
  10. Josef Weninger in der Verstorbenensuche bei friedhoefewien.at
  11. a b Veröffentlichungen von Mitgliedern der Lehrkörper der Wiener Hochschulen. In: Wiener Universitätszeitung, 15. Juni 1949, S. 4 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/wuz
  12. Anmerkungen (Nr. 50).Zeitgeschichte, Jahrgang 2003, S. 159 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/ztg

Weblinks