Jomsburg

Die Jomsburg war eine alte Festung der Jomswikinger im Bereich der Mündung der Oder, die im 12. Jahrhundert zerstört wurde. Ihre Lage ist unbekannt, die Lokalisierung umstritten.

Geschichte und Besonderheiten

Die Jomsburg wurde anscheinend in den Jahren zwischen 940 und 970 von dem dänischen Wikingerhäuptling und einflussreichen Gefolgsmann König Harald Blauzahns, Palnatoki von Fünen, entweder auf der Ostseeinsel Wollin oder an der Peenemündung auf der Insel Usedom oder dem Festland (Spandowerhagener Wiek) gegründet. Diese Küstenburg war nach nordischen Quellen im Gau Jom errichtet worden, den der damalige Polenherrscher, Herzog Mieszko I., nach der Unterwerfung der Pomoranen Palnatoki und seinen Wikingern zur Ansiedlung übergab. Palnatokis Mannen nannten sich nun Jomswikinger. Die Feste diente zunächst sowohl zum Schutz der Seegrenze des polnischen Herzogtums in der Pommerschen Bucht als auch zur Sicherung der reichen slawischen Handels- und Hafenstadt Jumne, dem Vineta der Sage, am Oderhaff. Angeblich fanden im Hafen der Jomsburg 300 Wikingerlangschiffe Platz. Die Burg hatte Ähnlichkeit mit Haithabu. Nach jüngsten Recherchen können die Jomsburg und ihr großer Hafen beim heutigen vorpommerschen Küstenort Spandowerhagen, der heute zur Gemeinde Kröslin gehört, an der Spandowerhagener Wiek bestanden haben. Entsprechend der Größe und Tiefe der Wiek, die die linke Ausbuchtung der Peene bei ihrer Mündung in den Greifswalder Bodden darstellt, könnte heute wie damals eine große Anzahl von Wikingerschiffen Liegeplätze finden. Die Jomsburg soll analog Haithabu von einem großen Erdwall geschützt worden sein, der mehrere zusammengestellte Langhäuser umfasste.

Von den Jomswikingern, die auf dieser Festung in männerbündischer Gemeinschaft gelebt haben sollen, erzählen u. a. die „Jómsvíkinga saga“, die "Knytlinga saga" und die "Heimskringla". Demnach haben die Jomswikinger um 995 in der Schlacht bei Hjørungavåg gegen Håkon Jarl mit besonders heroischer Todesverachtung gekämpft.

Nach einem Aufsatz Rudolf Virchows in der Zeitschrift für Ethnologie von 1872 wurde zunächst verstärkt die These verfolgt, dass die Jomsburg in der Zeit von Harald Blauzahn und Sven Gabelbart mit der sagenumwobenen Stadt Vineta identisch sei.[1] Um 970 berichtete der Gesandte des Kalifats Córdoba, Ibrahim ibn Jaqub, dass in Pommern eine große Hafenstadt „mit zwölf Toren“ liege, deren Streitmacht „allen Völkern des Nordens überlegen“ sei. Adam von Bremen schildert sie im 11. Jahrhundert als eine der größten und reichsten Städte Europas, er nannte die Stadt Jumne. Es sei „die größte Stadt, die Europa birgt“, sie biete „für Barbaren und Griechen in weitem Umkreis einen viel besuchten Treffpunkt“.

In der Nähe von Wollin wurde 1841 bei Ausgrabungen in einer mittelalterlichen Krypta ein Wikingerschatz entdeckt. Aufsehenerregend war dabei vor allem der Fund von Harald Blauzahns Goldscheibe.[2]

1975 wurde der Freie Pfadfinderbund Jomsburg gegründet, welcher ebenfalls viel Wert auf die Eigenschaften und die Ordensgesetze der Jomswikinger legt. Die Pfadfinder bauten in wenigen Jahren eine Burg auf, welche noch heute in Dänisch-Nienhof bei Kiel steht und zu jährlichen Lagern genutzt wird.

Literatur

  • Jomsburg. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage. Band 10, Bibliographisches Institut, Leipzig/Wien 1907, S. 299.
  • Lutz Mohr: Drachenschiffe in der Pommernbucht. Die Jomswikinger, ihre Jomsburg und der Gau Jom. (= edition rostock maritim). Ingo Koch Verlag, Rostock 2013, ISBN 978-3-86436-069-5.
  • Christian Ludwig Haken: Historisch-critische Untersuchung sämmtlicher Nachrichten von der ehemaligen, auf der pommerschen Küste befindlich gewesenen und so hoch berühmten Seestadt Jomsburg. (Von der Dänischen Akademie der Wissenschaften gekrönte Preisschrift.) Copenhagen/ Leipzig 1776.
  • Lutz Mohr: Die Jomswikinger und ihre Jomsburg im Gau Jom. Militärische und maritime Machtstützen Dänemarks und Horte der Aggression im frühmittelalterlichen Pommern. In: Kathrin Orth, Eberhard Kliem (Hrsg.): Jahrbuch 2012 der Deutschen Gesellschaft für Schiffahrts- und Marinegeschichte e. V. 15. Jahrgang Isensee-Verlag, Oldenburg, Schleswig 2012, S. 73–89.
  • Vedel Simonsen: Geschichtliche Untersuchung über Jomsburg im Wendenlande. Aus dem Dänischen von Ludwig Giesebrecht. Morin, Stettin 1827. Jomsburg. In: John Rosén, Theodor Westrin (Hrsg.): Nordisk familjebok konversationslexikon och realencyklopedi. 1. Auflage. Band 7: Hufvudskål–Kaffraria. Gernandts boktryckeri, Stockholm 1894, Sp. 1292 (schwedisch, runeberg.org).
  • Georg Domizlaff: Die Jomsburg. Untersuchungen über die Seeburg der Jomswikinger. Curt Kabitzsch, Leipzig 1929.
  • Dietrich Schumacher: Slawen und Wikinger in Vorpommern. Wo das sagenhafte Vineta, die Seefestung Jomsburg ... wirklich lagen! 1. Auflage. Nordwest Media Verlag Grevesmühlen 2010, ISBN 978-3-946324-32-4.
  • Pommern – Orts- und Platzverzeichnis u. a. Hiddensee, Ralswiek, Arkona, Menzlin, Jomsburg, Spandowerhagen, Peenemünde, Usedom. In: Manfred Schnell: Wikinger am Wegesrand. Historische Plätze der europäischen Wikingerzeit in Deutschland, Dänemark und Südschweden. 2., überarb. erw. Auflage. BoD – Books on Demand, Norderstedt 2018, ISBN 978-3-7431-2471-4, S. 44–57.
  • Lutz Mohr, Harald Krause: Die Jomsburg in Pommern. Geschichte und Technik einer verschollenen Wikinger-Seefeste. 2., erw. Auflage. Wessels Puppet Media, Essen 2002, DNB 964377365.
  • Julia Zernack: Jómsvíkinga saga. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 16, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2000, ISBN 3-11-016782-4, S. 69–71. (Artikel abgerufen über Germanische Altertumskunde Online bei De Gruyter Online)
  • Władysław Filipowiak, Heinz Gundlach: Wolin-Vineta. Die tatsächliche Legende vom Untergang und Aufstieg der Stadt. Mit Fotos von Wolfhard Eschenburg. 1. Auflage. Hinstorff Verlag, Rostock 1992, ISBN 3-356-00447-6.
  • Otto Kunkel, Karl August Wilde: Jumne, Vineta, Jomsburg, Julin, Wollin. 5 Jahre Grabungen auf dem Boden der wikingerzeitlichen Großsiedlung am Dievenowstrom 1934–1939. Stettin 1941.
  • Lutz Mohr: Die Jomswikinger – Nur ein Mythos?, Einbandgestaltung: Kristian Salewski, 204 S., mehr. Farb- u. SW-Abb., umfangr. Quellen- u. Lit.verz., Elmenhorst: Verlag Edition Pommern 2021, ISBN 978-3-939680-65-9
  • Sebastian Brather, Jürgen UdolphWollin. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 34, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2007, ISBN 978-3-11-018389-4, S. 218–223. (Artikel abgerufen über Germanische Altertumskunde Online bei De Gruyter Online)
  • Roderich SchmidtJumne. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 16, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2000, ISBN 3-11-016782-4, S. 120 f. (Artikel abgerufen über Germanische Altertumskunde Online bei De Gruyter Online)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Carl Schuchhardt: Zur Vinetafrage. In: Praehistorische Zeitschrift. Band 23, 1932, S. 145–151.
  2. Daniel Zyśk: Polish family treasure an archaeological sensation in Sweden. Science in Poland, 2014.