John Nunn (Seemann)

Porträt von John Nunn ca. 1850

John Nunn (* 2. Juli 1803; † nach 1860) war ein englischer Seemann und Buchautor. In seiner Zeit als Seemann erlitt er auf den unbewohnten Kerguelen Schiffbruch, was zu einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt dort führte. Seine Erlebnisse wurden später in einem Buch niedergelegt, das den Robbenfang und erstmals ausführlich auch die Kerguelen beschrieb und das daneben den Charakter einer Robinsonade hat.

Leben

Indischer Ozean mit Kerguelen
Die Royal Sovereign und Piratent
Walrösser an einem Kerguelenstrand

John Nunn wurde am 2. Juli 1803 in Harwich, Essex, England, als Sohn eines Fischers geboren. In seinen frühen Jahren half er seinem Vater beim Fischen. Im Alter von 15 Jahren begann er die reguläre Ausbildung und Arbeit auf einem Steinbutt-Fischkutter. Zwei Jahre später begab er sich nach Holland und heuerte dort auf einem Fischereiboot an. Er überlebte dessen Untergang in schwerem Wetter in der Brandung, ging zurück nach England und setzte dort seine Tätigkeit als Fischer auf verschiedenen Booten fort.

Anfang 1825 begab er sich nach London, weil er weitergehende Erfahrungen sammeln wollte, und heuerte im April 1825 auf der Royal Sovereign[1] an, deren Ziel der Seerobbenfang auf den damals fast unbekannten und wie heute unbewohnten Kerguelen im sub-antarktischen Indischen Ozean war.

Im August 1825, Winterende auf der Südhalbkugel, kam das Schiff auf den Kerguelen an, die damals auch Island of Desolation („Insel der Trostlosigkeit“) oder nur Desolation genannt wurden. Planvoll begann die Mannschaft mit der Jagd. Aufgrund unglücklicher Ereignisse während einer Exkursion Nunns und dreier anderer Crewmitglieder im Dezember 1825 verließ die Royal Sovereign die Kerguelen ohne diese vier Mitglieder ihrer Besatzung, die überlebend auf den Kerguelen zurückblieben. Erst im Frühjahr 1828 wurden sie von der Besatzung eines anderen Schiffs gefunden und konnten nach einem weiteren Jahr Aufenthalt auf den Kerguelen mit diesem Schiff die Heimreise antreten, wo sie im Sommer 1829 anlangten.

Zurück in England heuerte Nunn auf einem Postschiff für den kontinentalen Postverkehr an. Bei einem Unglück verlor er aber bald darauf zwei Finger seiner rechten Hand, so dass er nicht länger als Vollmatrose tätig sein konnte. Er nahm deshalb eine Beschäftigung auf einem Lotsenschiff an, die er bis 1837 ausübte. Danach verdingte er sich als Führer von Besuchern und mit kleiner Fischerei in Harwich.

Ende der 1840er Jahre traf Nunn auf W. B. Clarke, der Nunns Erzählungen zu seinen Erlebnissen in den 1820er Jahren so bemerkenswert fand, dass er zusammen mit ihm ein Buch[2] verfasste, in dem einerseits chronologisch Nunns Erlebnisse, andererseits aber auch seine geographischen und naturwissenschaftlichen Beobachtungen und handwerklichen Schilderungen festgehalten wurden. Außerdem wurde das bis dahin unvollständige Kartenwerk zu den Kerguelen nach Nunns Angaben vervollständigt und präzisiert. Im Sommer 1850 wurde das auf Nunns Erinnerungen basierende Buch veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt hatte Nunn Familie, lebte aber in prekären Umständen, wohl wegen seiner verkrüppelten rechten Hand, und war auf Unterstützung angewiesen. Clarke bat deshalb im Vorwort des Buchs um Unterstützung für Nunn.

In den späten 1860er Jahren kam Nunn nochmals mit einem Besucher Harwichs, Richard Cuttler, über seine früheren Erlebnisse derart ins Gespräch, dass Cutler abermals Nunn und seine Erlebnisse in einer Veröffentlichung um 1870 herum[3][4] darstellte, allerdings wesentlich kürzer und teils widersprüchlich zu den Inhalten des 1850 veröffentlichten Buch, also wohl ohne Kenntnis desselben. Zu dieser Zeit wohnte Nunn in der Church Street in Harwich.

Zeit auf den Kerguelen

Karte der Kerguelen mit Bezeichnungen aus Nunns Buch

Die Kerguelen sind ein stark zerklüfteter, viele tief einschneidenden Fjorde aufweisender bergiger Inselarchipel, der sich über eine Fläche von etwa 130*130 km erstreckt. Er weist eine Hauptinsel und zahllose größere und kleinere weitere Inseln auf. Es herrscht subantarktisches Klima mit oft starken Winden vorwiegend aus West bis Nordwest. John Nunn und seine drei Begleiter befanden sich von August 1825 bis März 1829 auf den Kerguelen.

Unglück

Der herkömmliche Robben-Jagdbetrieb sah vor, dass ein größeres Mutterschiff sicher in einer Bucht verankert wurde. Ausgehend davon unternahmen Mannschaftsteile mit seetüchtigen Beibooten, sogenannten Schaluppen, längere – teils mehrwöchige – Exkursionen zu verschiedenen Inselteilen, um an deren Stränden Robben zu erlegen und die Beute – Felle und Speck – zurück zum Mutterschiff zu bringen. Die Royal Sovereign wurde dementsprechend in der Greenland Bay auf der Südostseite des Archipels verankert. Nunn nahm an einer der Exkursionen mit der Schaluppe Favorite zur Westseite der Inselgruppe teil. Am 26. Dezember 1825 schlug die Favorite im felsigen Uferwasser der der Westküste des Archipels vorgelagerten Insel Saddle Island (heute Ile de Ouest) leck und sank. Die vier Besatzungsmitglieder konnten sich und einiges an Ausrüstung auf die Insel retten. Das Mutterschiff fand die Exkursionsteilnehmer bei einer späteren Suche nicht mehr und segelte deshalb ohne diese zurück nach England, so dass die Besatzung der untergegangenen Favorite auf Saddle Island zurückblieb.

Leben auf den Kerguelen

Nunns Hütte Hope Cottage am Long Point an der Ostküste der Kerguelen

Das Leben war wegen des rauen Klimas und der kaum vorhandenen Vegetation entbehrungsreich. Zumindest Süßwasser gab es immer reichlich. Als Nahrungsmittel standen jahreszeitlich wechselnd Robben, Walrösser, Fische, Enten und die verschiedensten Eier zur Verfügung. Der Walroßspeck (Blubber) konnte als Brat-, Leucht- und Heizmittel verwendet werden. Die oft eisigen Temperaturen, in Verbindung mit unzulänglicher und verfallender Ausrüstung und Kleidung, machten es aber gerade im ersten Winter schwierig, Tiere hinreichend zu jagen.

Die ersten Monate nach dem Untergang der Favorite verbrachten die Gestrandeten auf dem sehr unwirtlichen Saddle Island. In den folgenden Monaten konnten sie ein Dingi seetüchtig machen und segelten mit ihm im folgenden Sommer (1826) an die weniger herbe Ostküste der Kerguelen. Sie gelangten zu einem kleinen Küstenvorsprung Long Point südlich des Cape Digby. Dort konnten sie eine kleine Hütte bauen, die sie „Hope Cottage“ nannten. Zusammen mit hinzugewonnenen Erfahrungen und Fähigkeiten waren sie damit für die weiteren Fährnisse ihres Insellebens besser gewappnet.

Einen großen Teil der Zeit mussten die Insulaner auf die Beschaffung von Nahrungsmitteln und das Instandhalten der Ausrüstung, namentlich der Kleidung verwenden. Daneben wurden aber auch Exkursionen vorgenommen, teils zu Fuß und teils mit dem zur Verfügung stehenden Dingi.

Rettung

Die rettende Lively

Als Teil ihrer Rettungsstrategie brachten die vier Inselbewohner an verschiedenen prominente Stellen des Kerguelen-Archipels Hinweise auf ihre Existenz und ihren Aufenthaltsort an. Tatsächlich führte dies dazu, dass im März 1828 die Besatzung des Kutters Lively ein solches Zeichen in der Shallop Bay (heute Baie Accessible) fand und daraufhin die Suche aufnahm. So wurden die vier im März 1828 gefunden und an Bord genommen.

Die Lively blieb mit der so vergrößerten Crew und dem größeren Mutterschiff, dem Schoner Sprightly, noch ein weiteres Jahr für den geplanten Jagdbetrieb auf den Kerguelen und verließ diese Ende März 1829. Im Sommer 1829 erreichten die zwei Schiffe zusammen mit den wiedergefundenen Schiffbrüchigen England.

Buch

Karte der Kerguelen nach John Nunn

Nunns Erlebnisse und Beobachtungen während und um seinen dreieinhalbjährigen Zwangsaufenthalt auf den Kerguelen herum wurden in dem 1850 erschienenen Buch

Narrative of the wreck of the "Favorite" on the island of Desolation:
Detailing the adventures, sufferings, and privations of John Nunn

erzählt. Als Herausgeber des Buchs ist ein W.B. Clarke angegeben. Das Buch hat 12 Seiten Vorwort (vii – xviii) und 227 Seiten Inhalt. Es ist mit einer Karte der Kerguelen und mit verschiedenen Holzstichen ausgestattet, die von Clarkes Bruder gefertigt wurden. Die Inhalte des Werks stammen zweifelsohne von Nunn. Es kann aber angenommen werden, dass wenigstens ein Teil der Schreibarbeit vom Herausgeber oder einem Beauftragten erbracht wurde.

Das Werk beschreibt seefahrerische Begebenheiten wie reguläre Seefahrt, aber auch Versuche von Piraterie. Er stellt auch das reguläre Fischerei- und Jagdhandwerk und die Verarbeitung der Waren vor Ort dar. Einen großen Teil des Buchs nimmt aber die Beschreibung des Überlebenskampfes der vier Seeleute von Dezember 1825 bis März 1828 ein. Damit einher gehen Beschreibungen von Flora, Fauna, Geographie, Klima, nautischer Eignung und Bodenschätzen (Kohleaufschlüsse) der Kerguelen, die Nunn detailreich beschrieb. Er beschrieb auch das Phänomen zahlloser auf den Strand schwimmender und dort verendender Schwertwale.

Die dem Buch beigegebene Karte der Kerguelen ist gegenüber früheren Karten verbessert und vervollständigt. Allerdings weist auch sie markante qualitative Fehler auf (etwa die nicht vorhandene Landenge beim „Iceburgh Beach“ an der Südküste) und ist selbst mit Berichten Nunns nicht immer in Einklang zu bringen, wobei letzteres möglicherweise nur auf Namensverwechslungen zurückzuführen ist. Himmelsrichtungen markanter Strukturen sind oft deutlich unrichtig, was vielleicht auf die kombinierten Effekte von Deviation und der in dieser Region starken Missweisung zurückzuführen ist, wobei letztere allerdings schon damals ein zahlenmäßig bekanntes Phänomene war (um 1825 ca. −27°). Womöglich sind die Abweichungen auch darauf zurückzuführen, dass die Karte erst viel später aus der Erinnerung gezeichnet wurde.

Da die Kerguelen damals kaum bekannt waren und nur selten angefahren wurden, ist das Buch die erste ausführliche Darstellung des Archipels überhaupt. Im Buch ist auch eine Parallele zum damals schon bekannten, über hundert Jahre vorher (1719) erschienenen Roman Robinson Crusoe von Daniel Defoe gezogen. Humoristisch wird angemerkt, dass man anders als Robinson Crusoe keinen Sonnenschirm hatte, sondern gerne einen Regenschirm besessen hätte.

Das Buch wurde dem in Cambridge lehrenden Botaniker John Stevens Henslow gewidmet, bei dem Charles Darwin studierte.

Das Buch ist über Google Books digital verfügbar,[2] allerdings ohne die Karte.

Galerie

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen, vorher außer Dienst gestellten Kriegsschiff HMS Royal Sovereign
  2. a b Narrative of the wreck of the "Favorite" on the island of Desolation: Detailing the adventures, sufferings, and privations of John Nunn von John Nunn und W. B. Clarke, 1850, bei Google Books, hier als .pdf
  3. An Historical and Archaeological Sketch of the Ancient Town, HARWICH, by a visitor at Dovercourt, von Richard Cutler, 1870.
  4. Harwich Papers – An anthology of material relating to Harwich, mostly from original sources, which has not already appeared in print von Leonard T. Weaver, 1994.

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29/1/2012
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Indischer Ozean mit deutschen Bezeichnungen
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Karte der Kerguelen deutsch und mit Bezeichnungen aus Nunns Buch
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Karte der Kerguelen nach John Nunn
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Die rettende Lively
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Die Royal sovereign und Piratent
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Portrait von John Nunn ca. 1850