Johannes Orphal

Johannes Orphal (2017)

Johannes Orphal (* 11. Juli 1966 in Magdeburg) ist ein deutscher Physiker und Klimaforscher, seit 2020 ist er Bereichsleiter „Natürliche und Gebaute Umwelt“ am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Leben

Er wuchs in Berlin-Mitte (damals DDR) auf und besuchte dort von 1980 bis 1984 das Max-Planck-Gymnasium.[1] Sein Vater Helmut Orphal war dort Pfarrer an der St.-Marien-Kirche.

Zu seinen akademischen Lehrern zählten unter anderem der Physiker Werner Ebeling, der Historiker Dieter Hoffmann und der Philosoph Gerd Irrlitz. Orphal war von 1999 bis 2009 Forscher (Chargé de Recherche) des staatlichen französischen Forschungszentrums CNRS in Orsay und seit 2006 Professor für Physik an der Universität Paris XII (Paris-Est) in Créteil. Parallel dazu arbeitete er von 2004 bis 2008 als „Senior Fellow“ der Europäischen Union (Programm „Transfer of Knowledge“) am University College Cork in Irland. Nach dem Physik-Studium (1986–1991) an der Humboldt-Universität zu Berlin wurde er 1995 an der Universität Paris-Süd (Paris XI) in Orsay promoviert, wo er sich 2002 auch habilitierte. Von 1995 bis 1999 arbeitete er am Institut für Umweltphysik (IUP) und Institut für Fernerkundung (IFE) der Universität Bremen. Vor dem Studium machte er von 1984 bis 1986 eine Berufsausbildung und arbeitete als Computer-Operator an ESER-Großrechnern.[2] Seine Diplomarbeit als Physiker verteidigte er 1991 bei Karin Herrmann an der Humboldt-Universität zu Berlin über die Anwendung von Diodenlasern zum Nachweis von Spurengasen in der Atmosphäre.

Orphal ist seit 2020 Professor und Leiter des Bereichs 4 „Natürliche und Gebaute Umwelt“ am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).[3] Er ist außerdem der Beauftragte des KIT-Präsidenten für Klimaschutz und Nachhaltigkeit am KIT.[4] Von 2009 bis 2020 war er Professor für Physik und Leiter des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung (IMK) am KIT.

Wissenschaft

Orphals wissenschaftliche Arbeiten behandeln vor allem Messungen atmosphärischer Spurengase und anderer Moleküle.[5]

Zu seinen wichtigsten Leistungen zählen hochpräzise Labormessungen spektroskopischer Referenzdaten für die atmosphärische Fernerkundung im infraroten, sichtbaren und ultravioletten Spektralbereich, und deren Einbindung in internationale Datenbanken.[6]

Ein weiterer Schwerpunkt sind spektroskopische Untersuchungen von instabilen Halogen- und Halogen-Stickstoff-Oxiden, darunter im Jahre 2008 die erstmalige Beobachtung des stratosphärischen Bromreservoirs BrONO2 (Bromnitrat) in Daten des MIPAS-Instruments auf dem Satelliten Envisat sowie 1996 der Nachweis des kurzlebigen Radikals OIO (Ioddioxid), das eine Schlüsselrolle bei der Bildung mariner Aerosole spielt, in durch Blitzlicht-Photolyse induzierten Reaktionen von Iod-Ozon-Gemischen. Schon in seiner Doktorarbeit (1995) behandelte er u. a. das Infrarotspektrum von Nitrylchlorid (ClNO2), das inzwischen in der Troposphäre entdeckt wurde.

Orphal hat bei der Vorbereitung und Nutzung von Satellitenprojekten zur atmosphärischen Fernerkundung mitgewirkt (u. a. GOME, SCIAMACHY, MIPAS, IASI, PREMIER, MTG). Er war auch bei der Entwicklung einer hochsensitiven Methode zur Messung von Spurengasen (Incoherent broad-band cavity-enhanced absorption spectroscopy IBBCEAS), des deutschen Forschungsflugzeugs HALO[7] und eines Netzwerks zur Quantifizierung von Treibhausgasen (CoCCON)[8] maßgeblich beteiligt. Besondere Schwerpunkte seiner Arbeiten sind das verbesserte Verständnis atmosphärischer Prozesse, die künftige Entwicklung der Ozonschicht und der Klimawandel.

Außerdem befasst er sich mit dem Leben und Werk des Physikers Rudolph Clausius (1822–1888).[9]

Gremientätigkeiten

Johannes Orphal ist bzw. war wissenschaftlicher Gutachter für eine Reihe von nationalen und internationalen Forschungsorganisationen, darunter ECMWF,[10] ESA,[11] EUMETSAT[12] und die WMO.[13] 2018 wurde Orphal eines von 8 externen berufenen Mitgliedern des Wissenschaftlichen Beirats („Conseil Scientifique“) des CNRS.[14]

Von 2004 bis 2012 war er Vice-Chair der Commission A1 („Atmosphere, Meteorology and Climate“) des Committee on Space-Research (COSPAR),[15] von 2005 bis 2009 Mitglied des Vorstands der Société française de physique (SFP), von 2005 bis 2008 im „User’s Committee“ des Großforschungslabors Synchrotron SOLEIL in Frankreich, und von 2009 bis 2016 Mitglied der International Radiation Commission (IRC) der IAMAS/IUGG.[16] Er ist Berater für das Committee on Earth Observation (CEOS, Teil von GCOS) hinsichtlich der „Atmospheric Composition - Virtual Constellation“.

Seit 2020 ist er Chair der „Environmental Physics Division“ der European Physical Society.[17] Von 2019 bis 2024 war er Vorsitzender des Preiskomitees für die internationalen Gentner-Kastler-, Max-Born- und Smoluchowski-Warburg-Preise der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.[18]

Er organisierte die Eröffnungskonferenz des Weltjahres der Physik im Januar 2005 „Physics for Tomorrow“ am Hauptsitz der UNESCO in Paris, mit über 1500 Teilnehmern aus mehr als 100 Ländern (darunter 500 junge Wissenschaftler).[19]

Orphal war von 2015 bis 2016 Vize-Präsident für Personal und Finanzen von Eucor – „The European Campus“.[20] Von 2014 bis 2015 war er als Präsident des Komitees Sciences physiques, chimiques et géographiques für die belgische Agentur AEQES (Agence pour l’Evaluation de la Qualité de l’Enseignement Supérieur) für die Begutachtung der Qualität der Lehre in 17 Universitäten und Hochschulen der Föderation Wallonie-Bruxelles (FWB) verantwortlich.[21]

Von 2011 bis 2015 war er der Wissenschaftliche Sprecher des Zentrums „Klima und Umwelt“ am Karlsruher Institut für Technologie[2] und von 2013 bis 2020 Wissenschaftlicher Sprecher des Programms „Atmosphäre und Klima“ der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF).[22]

Auszeichnungen

  • 1991–1992 MICECO Fellowship der Französischen Regierung.
  • 1993–1995 „Marie Curie“ Fellow der Europäischen Union (DG-XII).
  • 1998 Gewinner eines der ersten „Emmy Noether“ Fellowships der DFG.[23]
  • 2004–2009 Senior Fellow im „Transfer of Knowledge“ Programm der EU.[24]
  • 2010 50 Years of the Journal of Quantitative Spectroscopy & Radiative Transfer - Milestone Paper Award (3 papers).[25]
  • 2014 Co-Laureat des französischen Preises „La Recherche“.[26]
  • 2017 Gentner-Kastler-Preis der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.[27][28]
  • 2017 Gay-Lussac-Humboldt-Preis der Académie des Sciences in Paris.[29][30]
  • 2019 Wahl zum Korrespondierenden Mitglied der französischen „Académie de l’Air et de l’Espace“ mit Sitz in Toulouse.

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Johannes Orphal: Rudolph Clausius and his concept of mathematical physics. In: Annalen der Physik. Band 535, 2022, S. 2200065, doi:10.1002/andp.202200065.
  • J. Orphal, D. Hoffmann: Rudolph Clausius, Gustav Magnus und die Entstehung des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik. In: D. Hoffmann (Hrsg.): Gustav Magnus und sein Haus. GNT Verlag, Berlin / Diepholz 2020, ISBN 978-3-86225-119-3, S. 85–130.
  • J. Orphal: Klimawandel – Wissen und Unsicherheiten. In: T. Böth, M. Meyer-Schwarzenberger (Hrsg.): Klimawandel und nachhaltige Ökonomie. Josef Eul Verlag, Siegburg 2012, ISBN 978-3-8441-0210-9, S. 19–32.
  • B. Kerridge, M. Hegglin, J. McConnell, D. Murtagh, J. Orphal, V.-H. Peuch, M. Riese, M. van Weele, J. Langen, U. Cortesi, P. Preusse, B. Vogel, D. Schüttemeyer, B. Carnicero Dominguez, J. Caron, C. Caspar, A. Gabriele, P. Jurado, V. Kangas, S. Kraft, C.-C. Lin, H. Nett, D. Patterson, A. Emrich, U. Frisk, F. von Schéele: PREMIER: an Earth Explorer to observe atmospheric composition. In: Report for Mission Selection. Vol. 3. ESA SP-1324/3 (3 volume series) European Space Agency (ESA), Noordwijk (The Netherlands) 2012, ISBN 978-92-9221-422-7, 224 S.
  • J.-M. Flaud, J. Orphal: Spectroscopy of the Earth’s Atmosphere. In: M. Quack, F. Merkt (Hrsg.): Handbook of High-Resolution Spectroscopy. John Wiley & Sons, London 2011, ISBN 978-0-470-06653-9, S. 1971–1999.
  • C. Clerbaux, J. Drummond, J.-M. Flaud, J. Orphal: Thermal Infrared: Absorption and Emission – Trace Gases and Parameters. In: J. P. Burrows, U. Platt, P. Borrell (Hrsg.): The Remote Sensing of Tropospheric Composition from Space. Springer Verlag, Heidelberg / New York 2011, ISBN 978-3-642-14790-6, Chapter 3, S. 123–152.
  • J. Orphal, K. Bogumil, A. Dehn, B. Deters, S. Dreher, O. C. Fleischmann, M. Hartmann, S. Himmelmann, T. Homann, H. Kromminga, P. Spietz, A. Türk, A. Vogel, S. Voigt, J. P. Burrows: Laboratory Spectroscopy in Support of UV-Visible Remote-Sensing of the Atmosphere. In: S. Pandalai (Hrsg.): Recent Research Developments in Physical Chemistry. Vol. 6. Transworld Research Network, Trivandrum, 2002, ISBN 978-81-7895-042-6, S. 15–34.
  • J. Orphal: Spectroscopie Moléculaire Appliquée à l’Atmosphère. Habilitation à Diriger les Recherches, Université de Paris-Sud (Orsay), 2002, 50 S.
  • J. Orphal: Spectroscopie Infrarouge à Haute Résolution de Molécules Instables d’Intérêt Atmosphérique: ClONO2, ClNO2 et BrONO2. Thèse de Doctorat, Université de Paris-XI (Paris-Sud), Orsay, 1995, 141 S.
  • J. Orphal: Bestimmung von Linienparametern in der v8-Bande von CF2Cl2 (CFC-12) mittels hochauflösender Diodenlaserspektroskopie. Diplomarbeit, Humboldt-Universität zu Berlin, 1991, 112 S.
  • W. Ebeling, J. Orphal: Rudolph Clausius in Berlin (1840–1855). In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Reihe, 1990, 39 (3), S. 210–223.

Einzelnachweise

  1. Johannes Orphal: "Auf dem Alex redeten wir mit Soldaten". In: Serie: 25 Jahre Mauerfall. Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, 28. Oktober 2014, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 1. Juli 2019; abgerufen am 28. Dezember 2020.
  2. a b Curriculum Vitae of Prof. Dr. Johannes Orphal. (PDF; 93 kB) Karlsruher Institut für Technologie, abgerufen am 28. Dezember 2020.
  3. Bereich IV. Karlsruher Institut für Technologie, abgerufen am 2. Oktober 2020.
  4. Nachhaltigkeit. Karlsruher Institut für Technologie, abgerufen am 25. Mai 2022.
  5. Johannes Orphal. In: ORCID. Abgerufen am 1. Juli 2019.
  6. L.S. Rothman, I.E. Gordon, Y. Babikov, A. Barbe, D. Chris Benner, P.F. Bernath, M. Birk, L. Bizzocchi, V. Boudon, L.R. Brown, A. Campargue, K. Chance, E.A. Cohen, L.H. Coudert, V.M. Devi, B.J. Drouin, A. Fayt, J.-M. Flaud, G. Wagner: The HITRAN2012 molecular spectroscopic database. In: Journal of Quantitative Spectroscopy and Radiative Tran. Band 130, 2013, S. 4–50, doi:10.1016/j.jqsrt.2013.07.002.
  7. Lars Klaaßen: „Aus wissenschaftlicher Sicht eine einmalige Chance“. Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, 11. Juni 2020, abgerufen am 20. Oktober 2020.
  8. Building the COllaborative Carbon Column Observing Network (COCCON): long-term stability and ensemble performance of the EM27/SUN Fourier transform spectrometer. European Geosciences Union, 11. Mai 2019, abgerufen am 29. September 2020 (englisch).
  9. Johannes Orphal: Rudolph Clausius and his concept of mathematical physics. In: Annalen der Physik. Band 535, 2022, S. 2200065, doi:10.1002/andp.202200065.
  10. Erland Källén: Membership of the Scientific Advisory Committee. In: ECMWF Newsletter. Nr. 142, Januar 2015, S. 6 (englisch, ecmwf.int [PDF; 7,5 MB; abgerufen am 1. Juli 2019]).
  11. biomass coreh2o premier. Report for Mission Selection. European Space Agency, 2012, ISBN 978-92-9221-422-7, ISSN 0379-6566 (englisch, esa.int [PDF; 8,0 MB; abgerufen am 1. Juli 2019]).
  12. IRS mission advisory group (IRS-MAG), November 2018. In: EUMETSAT. Abgerufen am 15. Februar 2022 (englisch).
  13. Johannes Orphal, Johannes Staehelin, Johanna Tamminen: Absorption Cross-Sections of Ozone (ACSO) (= Global Atmosphere Watch Report. Nr. 218). World Meteorological Organization, Dezember 2015 (englisch, wmo.int [PDF; 3,9 MB; abgerufen am 15. Februar 2022]).
  14. CNRS - annuaire des membres. In: Comité National de la Recherche Scientifique. Abgerufen am 27. Juni 2019 (französisch).
  15. Johannes Orphal, Vice-Chair of Sub-Commission A1: Atmosphere, Meteorology and Climate. In: Space Research Today. Nr. 169, August 2007, S. 35–36, doi:10.1016/S1752-9298(07)80039-9 (englisch).
  16. IRC Organization - 2012-2016 Term. In: International Radiation Commission. Ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 27. Juni 2019 (englisch).@1@2Vorlage:Toter Link/www.irc-iamas.org (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  17. Divisions: Environmental Physics Division. European Physical Society, abgerufen am 15. April 2020 (englisch).
  18. DPG-Preise mit anderen Organisationen. Deutsche Physikalische Gesellschaft, abgerufen am 15. April 2020.
  19. Committees. In: World Year of Physics 2005. 27. November 2005, abgerufen am 27. Juni 2019 (englisch).
  20. DFIU - News-Archiv. In: Deutsch-Französisches Institut für Umweltforschung. Karlsruher Institut für Technologie, 20. März 2019, abgerufen am 27. Juni 2019.
  21. Aeqes - Comités par cursus. Agence pour l’Evaluation de la Qualité de l’Enseignement Supérieur, abgerufen am 27. Juni 2019 (französisch).
  22. Die Küstengebiete im globalen Wandel. Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, abgerufen am 27. Juni 2019.
  23. Hochaufgelöste IR-Spektroskopie von atmosphärisch relevanten Halogenoxiden und Halogen-Stickoxid-Verbindungen. In: Datenbank der DFG. Abgerufen am 15. Februar 2022.
  24. Final Activity Report Summary - TEAM-UP (Transfer of expertise in atmospheric monitoring of urban pollutants). In: CORDIS EU Research Results. 25. Mai 2012, abgerufen am 13. September 2022 (englisch).
  25. 50 years of JQSRT: Milestone papers. Abgerufen am 23. November 2022 (englisch).
  26. Une équipe du LISA lauréate du Prix La Recherche 2014 - Environnement. LISA Institut, abgerufen am 1. Juli 2019 (französisch).
  27. Gentner-Kastler-Preis: Preisträger und Preisträgerinnen. In: dpg-physik.de. Abgerufen am 1. Juli 2019.
  28. „Lauréat du Prix Gentner Kastler 2017“, Société Française de Physique, 18. November 2016.
  29. Lauréats 2017 du prix Gay-Lussac Humboldt: Susanne Rau et Johannes Orphal. academie-sciences.fr, abgerufen am 28. Dezember 2020.
  30. „Gay-Lussac-Humboldt-Preis 2017 für Johannes Orphal“, Presseinformation 004/2018, kit.edu, 22. Januar 2018.

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