Johann Wilhelm Schirmer

Johann Wilhelm Schirmer, 1853
Johann Wilhelm Schirmer in seinem Atelier, „Campagna Romana mit Äquadukt Aqua Claudia“ malend, Illustration von Henry Ritter in Schattenseiten der Düsseldorfer Maler, 1845

Johann Wilhelm Schirmer (* 7. September 1807 in Jülich; † 11. September 1863 in Karlsruhe) war ein deutscher Landschaftsmaler und Grafiker der Düsseldorfer Schule.

Leben und künstlerische Entwicklung

Johann Wilhelm Schirmer war der zweitälteste Sohn des Jülicher Buchbinders Johann Gottlob Schirmer (1763–1826) und dessen Frau Wilhelmine Johanna Christina Schirmer, geborene von Breitschwert (1768–1841).[1] Sein jüngerer Bruder war der weniger bekannte Landschaftsmaler und Fotograf Philipp Schirmer.[2] In seiner Kindheit erlebte Schirmer die Belagerung von Jülich (1814), die er später in seinen Lebenserinnerungen schilderte. Zwischen 1821 und 1824 absolvierte Schirmer eine Buchbinderlehre in der väterlichen Werkstatt und in der Werkstatt von Johann Melchior Severin in Düsseldorf.[3] Daneben begann er mit autodidaktischen Malstudien und Radierarbeiten, worin er insbesondere der Landschaftsmalerei niederländischer Altmeister wie Jacob van Ruisdael und Allart van Everdingen nacheiferte, und besuchte seit 1825 die Kunstakademie Düsseldorf, anfangs nur nachmittags die Elementarklasse von Josef Wintergerst, während er vormittags weiterhin als Buchbinder arbeitete. An der Düsseldorfer Akademie wurde er ab 1826 Schüler von Wilhelm Schadow und Heinrich Kolbe. Unter dem Einfluss Carl Friedrich Lessings, mit dem er einen „Landschaftlichen Komponierverein“ pflegte, bildete Schirmer sich zum Landschaftsmaler aus. Dabei entstand sein Bild Deutscher Urwald, mit dessen Berliner Ausstellung die Kunstwelt auf ihn aufmerksam wurde. Ein Bild, das er 1838 auf dem Salon de Paris zeigte, trug ihm eine goldene Medaille ein.

Seit 1834 als Hilfslehrer und ab 1839 als Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie tätig, begründete Schirmer mit Lessing und Andreas Achenbach die Düsseldorfer Schule der Landschaftsmalerei. Bis Anfang 1839 bewohnte Schirmer Zimmer im Düsseldorfer „Friedrichsbad“ an der Goltsteinstraße, bevor er an die Pfannenschoppenstraße (Klosterstraße) zog.[4][5] Reisen in die Schweiz unternahm er 1835 in Begleitung des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy und des Malerfreundes Johann Heinrich Schilbach sowie 1837. 1836 bereiste er die Niederlande. Eine Reise in die Normandie, die er auf Einladung von Camille Saglio 1836 unternommen hatte, veranlasste ihn, die von ihm eingeschlagene Richtung einer mehr auf die Zeichnung Gewicht legenden Darstellung zu verlassen und die Betonung von Farbe und Tonwirkung zu intensivieren. Ausdruck dieser Stiländerung, die besonders ab 1838 sichtbar wurde, waren Bilder wie Herbstlandschaft, Wetterhorn oder Jungfrau in der Schweiz. Seine Italienreise in den Jahren 1838–1840 führte ihn in die eher stilisierende und idealisierende Richtung der Landschaftsmalerei, oft mit biblischen Motiven, die sein Verständnis der Natur als Offenbarung Gottes unterstrichen.[6] Von August 1839 bis August 1840 wohnte er in Rom. Dort verkehrte er in Kreisen der Deutschrömer, insbesondere in der Ponte-Molle-Gesellschaft, an deren „Cervaro-Fest“ er im April 1840 teilnahm. Außerdem wurde er Leiter des „Künstler-Gesangsvereins“ zu Rom.[7] In Paris weilte er 1850, in Südfrankreich 1851.

1842 heiratete er Ida Emilie von Bardeleben, mit der er drei Söhne und zwei Töchter hatte. Von 1833 bis zu seinem Tod war er Mitglied der Preußischen Akademie der Künste in Berlin, Sektion für die Bildenden Künste.[8]

1854 wurde er durch den Prinzregenten und späteren Großherzog Friedrich I. zum ersten Direktor der neu gegründeten Karlsruher Kunstschule berufen, verkaufte sein Haus in der Pfannenschoppenstraße 35 (Klosterstraße)[9] in Düsseldorf und zog nach Karlsruhe. Hier wirkte Schirmer unter anderem als Lehrer von Hans Thoma, Rudolf Epp und Anton von Werner.

In seinem Spätwerk überwiegen religiöse Themen, während seine letzten Bilder keiner bestimmten Richtung mehr angehören. Sie sind der allgemeine Ausdruck für Stimmungen oder Gedanken und zeigen schon fast einen impressionistischen Stil.

Schirmers druckgrafisches Werk, rund 30 Blatt, ist wenig bekannt und wissenschaftlich bearbeitet. In seiner Jugendzeit bis in die 1840er Jahre war sie für den Künstler von großer Bedeutung. Er bevorzugte die Radierung, beschäftigte sich aber auch mit der Lithografie. 1829 entstand in Düsseldorf seine Radierung Die betende Nonne. 1847 wurde sein Mappenwerk Acht landschaftliche Originalradierungen veröffentlicht, das aus Blättern verschiedener Zeiten besteht.

Neben August Weber wird er auch als „Idealist“ der Düsseldorfer Schule charakterisiert.[10] Sein Einfluss auf Schüler, die seinen Malweisen folgten, wird durch den Begriff „Schirmerschule“ umrissen.

Ihm zu Ehren wurde sein Name Ende der 1890er Jahre an der Schauseite der Düsseldorfer Kunstakademie eingemeißelt. Literatur und Ausstellungen der letzten Jahre betonten Schirmers Bedeutung für die Entwicklung der deutschen Landschaftsmalerei im 19. Jahrhundert. Schirmerstraßen in Düsseldorf, Karlsruhe und seiner Geburtsstadt Jülich würdigen dies ebenfalls.

Hauptwerke

Meeresbrandung mit fernen Schiffen, 1836, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
Südtiroler Haus unter Kastanien, 1839/1840, Museum im Weimarer Stadtschloss
Weg am Waldesrand, um 1851, Hamburger Kunsthalle
Landschaft an der Rur, 1850er Jahre, Neue Pinakothek
Heranziehendes Gewitter in der römischen Campagna, 1858, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

Illustrationen (Auswahl)

Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf:

  • In: Album deutscher Künstler in Originalradirungen. – Buddeus, Düsseldorf 1841. Digitalisierte Ausgabe
  • In: Deutsche Dichtungen mit Randzeichnungen deutscher Künstler. – Buddeus, (Bände 1–2) Düsseldorf 1843. Digitalisierte Ausgabe
  • In: Robert Reinick: Lieder eines Malers mit Randzeichnungen seiner Freunde. – zwischen 1836 und 1852.
    • Lieder eines Malers mit Randzeichnungen seiner Freunde. – Düsseldorf: Schulgen-Bettendorff, 1838, farbige Mappen-Ausgabe. Digitalisierte Ausgabe
    • Lieder eines Malers mit Randzeichnungen seiner Freunde. – Düsseldorf: Schulgen-Bettendorff, 1838. Digitalisierte Ausgabe
    • Lieder eines Malers mit Randzeichnungen seiner Freunde. – Buddeus, Düsseldorf zwischen 1839 und 1846. Digitalisierte Ausgabe
    • Lieder eines Malers mit Randzeichnungen seiner Freunde. – Vogel, Leipzig ca. 1852. Digitalisierte Ausgabe

Seine Schüler

Düsseldorfer Schüler

Karlsruher Schüler

Lebenserinnerungen

  • Die Lebenserinnerungen des Johann Wilhelm Schirmer. Bearbeitet von Paul Kauhausen. Verein Linker Niederrhein, Krefeld 1957.

Sonderausstellungen

  • „Johann Wilhelm Schirmer in seiner Zeit – Landschaft im 19. Jahrhundert zwischen Wirklichkeit und Ideal“. Ausstellung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe (20. April bis 14. Juli 2002) und des Suermondt-Ludwig-Museums Aachen (24. August bis 17. November 2002)
  • „Johann Wilhelm Schirmer – Vom Rheinland in die Welt“. Verbundausstellung vom 24. April 2010 bis zum 16. Januar 2011 in Düsseldorf, Neuss, Jülich, Bonn, Bergisch Gladbach und Königswinter
  • Städtische Galerie Villa Zanders, Bergisch Gladbach: „Die multiplizierte Natur“. Schirmer und die Druckgraphik

Sonstiges

Nicht zu verwechseln ist er mit dem Berliner Maler Wilhelm Schirmer, der zur gleichen Zeit lebte.

Literatur

  • Marcell Perse: Pistolenschuss zum Mittagessen. Die wandernden Maler um Johann Wilhelm Schirmer in Altenahr, in: Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler 2019, Ahrweiler 2018, 290 Seiten, S. 165–170
  • John Nicholls: Der Gemäldezyklus der biblischen Landschaften nach Johann Wilhelm Schirmer im Rathaus Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2010.
  • Andrea Tietze: Schirmer, Johann Wilhelm. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-11204-3, S. 9 f. (Digitalisat).
  • Marcell Perse (Hrsg.): Natur im Blick. Die Landschaften des Johann Wilhelm Schirmer. Bestandskatalog Jülich. Jülich 2001, ISBN 3-934176-05-4.
  • Friedrich von WeechSchirmer, Wilhelm. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 31, Duncker & Humblot, Leipzig 1890, S. 312–315.
  • John Nicholls: Der Gemäldezyklus der biblischen Landschaften nach Johann Wilhelm Schirmer im Rathaus Bergisch Gladbach, Bergisch Gladbach 2010.
  • Birgit Jooss: Johann Wilhelm Schirmers Reisetagebuch nach Italien. In: Heinz Peter Brogiato, Klaus-Peter Kiedel (Hrsg.): Forschen – Reisen – Entdecken – Lebenswelten, in den Archiven der Leibniz-Gemeinschaft. Halle 2011, S. 140–141.
  • Johann Wilhelm Schirmer. Vom Rheinland in die Welt (zweibändiger Ausstellungskatalog Düsseldorf, Neuss, Bergisch Gladbach). Michael Imhof, Petersberg 2010, Band 1: Katalog, hrsg. von Marcell Perse, Bettina Baumgärtel, Irene Haberland, Uta Husmeier-Schirlitz, Elmar Scheuren und Wolfgang Vomm. ISBN 978-3-86568-486-8; Band 2: Autobiographische Schriften, hrsg. von Gabriele Ewenz, ISBN 978-3-86568-544-5.
  • Kurt Wanner: Johann Wilhelm Schirmer und seine «gesegnete» Reise über den Splügenpass im Sommer 1853 In: Bündner Monatsblatt, Heft 5, 2011, doi:10.5169/seals-398964#422, S. 353–370.
  • Rudolf Theilmann: Schirmer und die Düsseldorfer Landschaftsmalerei. In: Wend von Kalnein (Hrsg.): Die Düsseldorfer Malerschule. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1979, ISBN 3-8053-0409-9, S. 130–144.
  • Siegmar Holsten (Hrsg.): Johann Wilhelm Schirmer in seiner Zeit: Landschaft im 19. Jahrhundert zwischen Wirklichkeit und Ideal. Erschienen anlässlich der gleichnamigen Ausstellung in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe und dem Suermondt-Ludwig-Museum in Aachen. Kehrer Verlag, Heidelberg 2002, ISBN 3-925212-51-5.

Weblinks

Commons: Johann Wilhelm Schirmer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Johann Wilhelm Schirmer, Biografie im Portal rheinische-geschichte.lvr.de.
  2. Kurt Zimmermann: Johann Wilhelm Schirmer. Dissertation, Kiel, Saalfeld a. d. S. 1920.
  3. Anuschka Dinter: Johann Wilhelm Schirmer. Landschaftsmaler (1807–1863), Biografie im Portal rheinische-geschichte.lvr.de, abgerufen am 23. Dezember 2020
  4. „Das Friedrichsbad in Düsseldorf (…) sind in demselben die von Herrn Professor Schirmer bewohnten Zimmer vom 1. April ab an einen einzelnen Herrn zu vermiethen.“ In: Düsseldorfer Zeitung, Ausgabe Nr. 78 vom 20. März 1839 (uni-duesseldorf.de)
  5. „Königl. Kunst-Academie. Schirmer, Professor, Pfannenschoppenstraße.“ In: Adreßbuch für den Regierungsbezirk Düsseldorf 1842/43 (uni-duesseldorf.de)
  6. Henrik Karge: Der Kunsthistoriker als künstlerischer Mentor. Karl Schnaase und Johann Wilhelm Schirmer. In: Johann Wilhelm Schirmer in seiner Zeit. Ausstellungskatalog, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Suermondt-Ludwig-Museum Aachen, Heidelberg 2002, S. 44–47
  7. Friedrich Noack: Das Deutschtum in Rom seit dem Ausgang des Mittelalters. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1927, Band 2, S. 522
  8. Johann Wilhelm Schirmer. adk.de, abgerufen am 4. März 2022.
  9. „Auf Ansuchen des Professors Schirmer wird das hier in der Pfannenschoppenstraße unter Nr. 35 gelegene vor einigen Jahren ganz solid neu gebaute und zu einer Künstler-Wohnung geeignete Haus (…) öffentlich zum Verkauf ausgesetzt werden.“ In: Düsseldorfer Journal und Kreisblatt, Ausgabe Nr. 174 vom 25. Juli 1854.
  10. Katalog der Gemälde-Sammlung des Museums Wallraf-Richartz in Köln, S. 232.
  11. Deutscher Urwald, Objektdatenblatt im Portal akg-images.de
  12. Johann Wilhelm Schirmer (1807–1863), Nach dem Sturm, 1849, 2006 erworben aus Mitteln des Nachlasses Werner G. Linus Müller, Düsseldorf, Öl auf Leinwand, 105 x 149 cm, sign. u. dat. "W. Schirmer 1849", Inv-Nr. MKP M 2006-1 (Memento desOriginals vom 20. Februar 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.smkp.de, auf Stiftung Museum Kunstpalast, abgerufen am 21. Februar 2018.
  13. Vgl. auch Heinrich Ragaller: Johann Wilhelm Schirmers Campagna-Landschaft im Martin von Wagner-Museum. In: Würzburg-67. 1967, Heft 4, S. 68–70.

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