Johann Eustach von Görtz

Johann Eustach von Görtz im Jahre 1790

Johann Eustach Graf von Görtz, eigentlich Graf von Schlitz genannt von Görtz (* 5. April 1737 in Schlitz; † 7. August 1821 in Regensburg) war Erzieher der herzoglichen Prinzen von Sachsen-Weimar-Eisenach, Diplomat in preußischen Diensten, sowie Sachbuchautor und Wegbereiter der Weimarer Klassik.

Leben

Die Familie derer „von Schlitz genannt von Görtz“ hat ihren Stammsitz im hessischen, nördlich des Vogelsbergs gelegenen Schlitz. Seine Eltern waren der Schlosshauptmann in Braunschweig Johann von Schlitz genannt Görtz (* 30. April 1683; † 28. Juli 1747) und dessen Ehefrau Maria Friederika Dorothea von Görtz (* 22. August 1696; † 2. September 1773). Der Großvater war Kammerpräsident des Kurfürsten Georg von Braunschweig-Lüneburg.[1] Graf Johann Eustachius erhielt seine erste Ausbildung im elterlichen Schloss in Schlitz. Danach wurde er zusammen mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Fritz und einem Hofmeister an das noch junge Collegium Carolinum[2] in Braunschweig geschickt. Spätestens dort kam er durch seine Lehrer mit aufklärerischen Ideen und Schriften in Berührung.

Anschließend studierte Görtz von 1752 bis zum Jahre 1754 in Leiden und dann von 1754 bis 1755 in Straßburg, hier vor allem bei Johann Daniel Schöpflin. Im Jahre 1755 erhielt er seine erste Stelle als Privatsekretär des weimarischen Kanzlers Heinrich Graf von Bünau. Später wechselte er als Legationsrat zur weiteren diplomatischen Ausbildung in gothaische Staatsdienste. Zwei Jahre später, 1759, kehrte er nach Weimar zurück.

Der Prinzenerzieher

Hier berief ihn 1762 die regierende Herzogin Anna Amalia zum obersten Erzieher ihrer beiden Söhne, des Erbprinzen Karl August und des jüngeren Konstantin. Gemeinsam mit diesen wurde auch sein Neffe Carl Heinrich von Schlitz genannt von Görtz unterrichtet.

Görtz fühlte sich den modernen Ideen von Jean-Jacques Rousseau und Johann Bernhard Basedow verpflichtet und war bestrebt, deren Ideen im praktischen Unterricht umzusetzen. Seine moderne Haltung bot oftmals Konfliktstoff für den Weimarer Geheimen Rat, der diesen Bestrebungen äußerst skeptisch gegenüberstand.

Noch vor seiner Frankreichreise wurde der eilig nach Sankt Petersburg beorderte Graf Johann Eustach von Görtz seinem Auftrag von Friedrich II. gerecht und versuchte Denis Diderot zu überzeugen, über Potsdam und Sanssouci aus Russland zurück zu reisen.[3]

Zwischen November 1774 und Mai 1775 reisten von Görtz, Freiherr Gottlob Ernst Josias Friedrich von Stein (1735–1793), Karl Ludwig von Knebel und Leibmedikus Engelhard mit den beiden Prinzen nach Paris.[4] Während ihrer Zwischenstation in Frankfurt wurde Johann Wolfgang Goethe im Roten Haus zum Frühstück eingeladen. Der Dichter gefiel Görtz außerordentlich und begleitete die Fürstlichkeiten nach Mainz.[5] In Karlsruhe nahmen Görtz und sein Schüler Karl August an den regelmäßigen Leserunden mit Klopstock beim Markgrafen teil.

In Paris besuchten der Graf und der Erbprinz über drei Monate hinweg regelmäßig diejenigen Salons, in denen die damals bekanntesten Enzyklopädisten wie Diderot, d'Alembert und Turgot verkehrten und die Salon-Besucher am intensiven Gedankenaustausch beteiligten.[6]

Der Oberhofmeister

Nach seiner Entlassung als Prinzenerzieher 1775 übernahm Görtz zeitweise das Amt des Oberhofmeisters bei der jungen Herzogin Luise von Sachsen-Weimar-Eisenach bis zur Ankunft der designierten Oberhofmeisterin, Gräfin Wilhelmine von Giannini.[7] Im April 1776 suchte und fand der Graf den Kontakt zu König Friedrich II. von Preußen.

Der Diplomat

Denkmal für Johann Eustach von Görtz in Regensburg

Im Vorfeld des bayerischen Erbfolgekrieges begab er sich in dessen Auftrag nach München und Zweibrücken. Es gelang ihm, Preußen einen Kriegsvorwand wegen der nach Maximilian Josephs Tod von Österreich erhobenen Ansprüche auf einen Teil Bayerns zu liefern, indem er Herzog Karl II. von Zweibrücken zum Widerspruch gegen diese Forderungen bewog. Er wurde anschließend zum Staatsminister ernannt.

1779 wurde er zum preußischen Gesandten in Sankt Petersburg ernannt, wo er James Harris begegnete und bis 1785 blieb, ohne jedoch die Abwendung der Kaiserin Katharina II. vom preußischen Bündnis verhindern zu können.

Im Oktober 1786 wurde er von König Friedrich Wilhelm II. nach Holland geschickt, um die Konflikte zwischen der oranischen Familie (das heißt Statthalter Wilhelm V.) und den Patrioten zu schlichten und zu versuchen, einen Bürgerkrieg zu vermeiden. Görtz und Friedrich Wilhelm von Thulemeier (1735–1811) hatten allerdings keinen Erfolg, und letztendlich besetzte Karl Wilhelm Ferdinand die Republik.

Als kurbrandenburgischer Reichstagsgesandter in Regensburg 1788–1806 nahm er am Rastatter Friedenskongress und an der Reichsdeputation teil, die nach dem Frieden von Lunéville zusammengetreten war.

Die Auflösung des Heiligen Römischen Reichs beendete sein Diplomatenleben nach Abschluss des Tilsiter Friedens. Görtz lebte weiterhin in Regensburg und nahm am kulturellen Leben der Stadt teil. Im Jahre 1820 wurde er aufgrund seiner Verdienste um die Stadt während der Napoleonischen Kriege zum ersten Ehrenbürger Regensburgs ernannt. Hier verstarb er am 7. August 1821. Ein Jahr später wurde ihm ein Denkmal errichtet.[8]

Ehe und Familie

Graf Görtz heiratete im Oktober 1768 Caroline von Uechtritz, die Tochter des gothaischen Ministers Carl Emil von Uechtritz und seiner Frau Dorothea von Oppel sowie Enkelin des ebenfalls gothaischen Kanzlers Siegfried Ehrenfried von Oppel. Wie ihr Mann war Gräfin Caroline eine überzeugte Anhängerin der Aufklärung, las Grundlagenwerke von Rousseau und Basedow und interessierte sich lebhaft für Politik.

Das Paar hatte drei Töchter. Die älteste, Caroline, verstarb früh. Die zweite Tochter Louise (1774–1832) heiratete Hans von Labes (1763–1831), Gutsherr von Karstorf. Bei der Heirat wurde dieser von seinem Schwiegervater adoptiert und er nahm daraufhin den Familiennamen von Schlitz an. Das Paar errichtete im mecklenburgischen Hohen Demzin die Burg Schlitz.

Ihre jüngste Tochter Marianne (1778–1825) heiratete den bayerischen Diplomaten und späteren Außenminister, Graf Aloys von Rechberg, den Görtz zum Diplomaten ausgebildet hatte.

Das Interesse für Politik und Diplomatie blieb auch in der nachfolgenden Generation bestehen. Seine beiden Enkel Albert und Bernhard waren ebenfalls aktive Diplomaten, Johann Bernhard von Rechberg wurde als österreichischer Außenminister Gegenspieler von Bismarck.

Werke (Auswahl)

  • Briefe eines PrintzenHofmeisters über Basedows Printzenerziehung und hauptsächlich über dessen Agathokrator, Heilbronn 1771.
  • Mémoire sur la Russie. 1786. Eingel. u. hrsg. von Wolfgang Stribrny. Wiesbaden: Harrassowitz 1969.
  • Mémoire, ou précis historique sur la neutralité armée et son origine suivi de pièces justificatives. Basel. 1801.
    • The secret history of the armed neutrality. Together with memoirs, official letters & state-papers, illustrative of that celebrated confederacy: never before published. Written originally in French by a German nobleman. Translated by A******** H****. London: printed for J. Johnson, and R. Faulder, 1792. Mikrofilm-Ausgabe Woodbridge, Conn.: Research Publications, Inc., 1986.
  • Mémoires et actes authentiques relatifs aux négociations qui ont précédé le partage de la Pologne. Weimar, 1810.
  • Mémoire historique de la négociation en 1778 pour la succession de la Bavière. Frankfurt am Main, 1812.

Aus seinem Nachlass erschienen: Historische und politische Denkwürdigkeiten. Stuttgart, 1827/1828, 2 Bde.

Literatur

  • Gabriele von Trauchburg: Zwei verkannte Weimarer Schöngeister. Beobachtungen und Anmerkungen der Gräfin Caroline Görtz und des Grafen Johann Eustachius von Görtz zu Literaten und Philosophen zwischen 1768 und 1778. In: Ilse Nagelschmidt/Stefan Weiß/Jochanan Trilse-Finkelstein (Hrsg.): Goethes erstes Weimarer Jahrzehnt. Anna Amalia und Goethe – Tagungsband mit weiteren Forschungsbeiträgen, Weimar 2010, ISBN 978-3-936177-15-2, S. 57–130.
  • Volker Puthz: Ein Sohn unserer Stadt wurde 1. Ehrenbürger von Regensburg. In: Schlitzer Bote. Für Schlitz und Schlitzer Land 18. Dezember/19. Dezember/24. Dezember/27. Dezember 2007
  • Gabriele von Trauchburg: Wer war Gräfin Görtz? Erste biographische Fragmente zu ihrem 260. Geburtstag. In: Ilse Nagelschmidt/Stefan Weiß/Jochanan Trilse-Finkelstein (Hrsg.): Goethes erstes Weimarer Jahrzehnt. Anna Amalia und Goethe – Tagungsband mit weiteren Forschungsbeiträgen, Weimar 2010, ISBN 978-3-936177-15-2, S. 311–364.
  • Paul BailleuGörtz, Johann Eustach Graf von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 9, Duncker & Humblot, Leipzig 1879, S. 393–395.
  • Wolfgang Stribrny: Görtz, Johann Eustach Graf von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964, ISBN 3-428-00187-7, S. 538 f. (Digitalisat).
  • Heinrich Sippel: Der preußische Staatsminister Johann Eustach von Schlitz: Ein Leben für die Diplomatie. 1981. Schlitz im Spiegel der Geschichte; Heft 6.
  • Norbert Leithold: Graf Goertz. Der große Unbekannte: Eine Entdeckungsreise in die Goethe-Zeit. Osburg, 2010, ISBN 3-940731-39-0.
  • Christian Kaserer: Welchen Wert haben die Goertz Briefe? München: GRIN 2012, ISBN 978-3-656-27651-7.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hauptstaatsarchiv Hannover, Deutsche Kanzlei in London
  2. Angaben auf der Seite der Stadt Braunschweig zur Geschichte der Hochschule, abgerufen am 26. August 2010.
  3. Arthur McCandless Wilson: Diderot. Oxford University Press, New York 1972, ISBN 0-19-501506-1, S. 642.
  4. Trauchburg, Gabriele von, Zwei verkannte Schöngeister, 2010, S. 66–70.
  5. C. E. Vehse: Der Hof zu Weimar. 1991, S. 37, 41–44, 47, 120.
  6. Trauchburg, Gabriele von, Zwei verkannte Schöngeister, 2010, S. 82–92.
  7. Trauchburg, Gabriele von, Wer war Gräfin Görtz, 2010, S. 337–338.
  8. Puthz, Volker, Ein Sohn unserer Stadt wurde 1. Ehrenbürger von Regensburg, in: Schlitzer Bote. Für Schlitz und Schlitzer Land 24. Dezember 2007.
VorgängerAmtNachfolger
Victor Friedrich von Solms-SonnenwaldePreußischer Gesandter in Russland
1779–1785
Leopold Heinrich von der Goltz
Preußischer Gesandter in den Niederlanden
1786–1788
Preußischer Gesandter beim Heiligen Römischen Reich
1788–1806
Amt aufgelöst

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