Johann Agricola (Theologe)
Johann Agricola (auch: Spremberger; * um 1534 in Spremberg; † 30. August 1590 in Bautzen) war ein evangelischer Theologe des 16. Jahrhunderts.
Leben und Wirken
Agricola besuchte zunächst die Schulen in Spremberg, Crossen und Görlitz. 1550 wandte er sich noch ganz jung nach Wittenberg, wo er Privatunterricht bei Petrus Praetorius nahm. Nach dem Spremberger Stadtbrand 1556 war er gezwungen, Wittenberg zu verlassen und sein Auskommen als Lehrer in Schlesien zu suchen, kehrte aber 1558 – mit Hilfe eines Stipendiums der Gemeinde Trattendorf[1] – nach Wittenberg zurück, um unter anderem bei Georg Major Theologie zu studieren. Am 8. Oktober 1562 erwarb er den akademischen Grad eines Magisters der Philosophie[2] und wurde im darauf folgenden Jahr in den Senat der philosophischen Fakultät rezipiert.[3] Er blieb bis 1566 als Präzeptor eines Sohnes des niederlausitzischen Landvogts Lobkowitz in Wittenberg. Am 23. April 1567 wurde er an der dortigen Stadtkirche durch Paul Eber ordiniert und wirkte fortan als Oberpfarrer und Superintendent in Calau, wo er unter anderem in sorbischer Sprache predigte und von Lobkowitz einen Freihof vorm Schloss eingeräumt bekam.[4] 1575 übernahm er das Pfarramt und das Offizialat in Lübben, wechselte aber bald als Pfarrer nach Spremberg und wirkte zugleich als Hofprediger und Leibarzt des Grafen Lobkowitz.[5] Etwa 1577 wurde er schließlich Pastor am Dom St. Petri in Bautzen. 1590 erschien von ihm noch ein Vorwort zu einer Ausgabe des Habermannschen Gebetbuchs,[6] bevor er selbst am 30. August des Jahres 1590 in Bautzen verstarb, wie ein Chronogramm auf seinem Epitaph bezeugt.[7]
Agricola hatte sich am 20. Januar 1567 in Wittenberg mit Elisabeth Schnellboltz,[8] der Tochter des Wittenberger Buchdruckers und Briefmalers Gabriel Schnellboltz[9] verheiratet, der etliche der Agricola zugeschriebene Werke druckte. Von seinen Kindern kennt man namentlich Johann Agricola (1567–1609), Superintendenten in Jägerndorf,[10] und Gabriel Agricola, Maler daselbst, sowie Katharina Lehmann in Bautzen.[11] Einer seiner Enkel war der brandenburgische Hofprediger Adam Christian Agricola.
Als theologischer Schriftsteller und Kirchenlieddichter ist Agricola kaum noch von Bedeutung. Indessen erfreuen sich die ihm zugeschriebenen, anonym gedruckten ikonographischen Sammlungen eines gewissen Interesses in der Reformationsgeschichte und der Cranachforschung. Noch im 19. Jahrhundert wurde er meist mit dem wesentlich berühmteren Johannes Agricola aus Eisleben verwechselt.
Werke
- Die zwelff Artickel unseres Christlichen Glaubens sampt der heiligen Aposteln Ankunfft, Beruff, Glauben [...]. Wittenberg 1561 (online)
- Warhaffte Bildnis etlicher hochlöblichen Fürsten und Herren [...]. Wittenberg 1562 (online)
- Wahrhaffte Bildnis etlicher gelarten Menner [...]. Wittenberg 1562 (online)
- Illustrissimorum ducum Saxoniae [...] vivae effigies. Wittenberg 1563 (online)
- Ein schön Labyrinth oder Wunderburg. Vom wesen und lauff der argen schnöden unnd bösen welt, in diesen letzten ferlichen zeiten, gebessert und in eine rechte form eines Labyrinths bracht. Wittenberg 1568
- Warhafftige, Schöne Figuren der fürnemsten Christlichen Tugenden, mit jren eigenschafften, welcher sich ein jeder Mensch in seinem gantzen Leben bevleissen sol. Wittenberg 1569
- Warhafftige Abcontrafactur vnd Bildnis aller Großhertzogen, Chur vnd Fürsten, welche vom Jahr nach Christi geburt 842. bis auff das jetzige 1586. Jahr, das Landt Sachssen, Löblich vnd Christlich regiret haben. Sampt kurtzer erklerung jhres Lebens, aus glaubwirdigen historien zusammen getragen vnd kurtz in Deudsche Reimen bracht. Dresden 1586 (online)
- Eigentliche Bildtnis und Abconterfeihung Römischer Keyser, Könige, Fürsten und Herren : sampt etzlichen derselben Gemahlen, welcher hochlöbliche Thaten, und christliche Tugenden mit sonderlichem fleis, in kurtze Reime vorfasset sein. Dresden 1587 (online)
- Bildnüs vnd Abcontrafactur: etzlicher Vornemer Gelerten Menner/ durch welche Gott aus sonderbaren gnaden/ die rechte reine Warheit des heiligen Euangelij ... an Tag hat kommen lassen/ Derer leben vnd wandel/ in kurtze Reimen vorfasset .... Dresden 1588
- Kirchenlieder:
Literatur
- Adam Gottlob Schirach, Johann Friedrich Lange, Peter Pannach: Kurzer Entwurf einer Oberlausitz-wendischen Kirchenhistorie, abgefaßt von einigen Oberl. wendischen evangel. Predigern. Bautzen 1767. S. 16 (Digitalisat)
- Franz Lau: Agricola, Johann. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 1, Duncker & Humblot, Berlin 1953, ISBN 3-428-00182-6, S. 100 (Digitalisat).
- Johann Samuel Ersch und Johann Gottfried Gruber: Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste. 1. Theil, Leipzig 1818, S. 220 Digitalisat
- Dietmar Neß: Schlesisches Pfarrerbuch. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig, 2016, ISBN 978-3-374-04531-0 Bd. 9, S. 315
- Georg Buchwald: Das Wittenberger Ordiniertenbuch.Wigand, Leipzig 1895, Bd. 2, S. 77, Nr. 697 (Digitalisat)
- Wilhelm Gaß: Agricola, Johann. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 1, Duncker & Humblot, Leipzig 1875, S. 148.
Weblinks
- Consortium of European Research Libraries: Johann Agricola Werkeverzeichnis
Fußnoten
- ↑ Karl Gottlob Dietmann: Die Gesamte der ungeänderten Augsb. Confeßion zugethane Priesterschaft in dem Marggrafthum Oberlausitz, Lauban und Leipzig 1777, S. 65.
- ↑ Universitätsarchiv Halle (Saale), Titel: XXXXV, 1, 2, Seite 178 (Dekanatsbuch der philosophischen Fakultät der Universität Wittenberg)
- ↑ Dekanatsbuch (wie oben), S. 747.
- ↑ Johann Christian von Schmidt: Chronicke der Creyß-Stadt Calau, Lübben 1758, S. 3, 65, 277–279.
- ↑ Destinata literaria et fragmenta lusatica 8, Lübben 1738, S. 734–740 (online).
- ↑ Johann Habermann: Haus Kirchen Cantorei, Bautzen 1590 (online).
- ↑ Johann Christoph Wagner: Epitaphia Budissinensia, Bautzen 1696, S. 9–10 (online). Dieses Gebetbuch war ursprünglich mit einer Christlichen Oeconomia des Johannes Mathesius zusammengedruckt worden, wo Agricolas Beitrag traditionell verortet wird.
- ↑ Theodor Wotschke: Aus Wittenberger Kirchenbüchern. In Archiv für Reformationsgeschichte. 1932, Bd. 29, S. 169–223, hier S. 181.
- ↑ Gabriel Schnellboltz, * Merseburg; † 2. Juni 1571 in Wittenberg, siehe Wotschke (wie oben). Er war mit einer gewissen N.N. Frauendorff aus Pegau verheiratet, kam 1544 von Leipzig, wo er einige Zeit gearbeitet hatte, nach Wittenberg. Ein Sohn war der Briefmaler Johann Schnellboltz (verh. 26. Oktober 1575 in Wittenberg mit Sibylle Schleiffer aus Schmiedeberg), ein anderer Sohn Franz Schnellboltz (* 8. Juni 1557 in Wittenberg; † 19. April 1601 in Leipzig) wurde Buchdrucker in Leipzig (vgl. Zedler Bd. 35, Sp. 561; Fritz Roth: Auswertung von Leichenpredigten, R 1519).
- ↑ Geboren 1567 in Calau, Schule Calau und Cottbus, ± 1582 (N.N.) kurf. Ls St. Afra in Meißen bei Johann Ladislaus, Sommersemester 1585 Uni. Leipzig immatr. (vgl. Matr. UL), 10. August 1588 in Wittenberg immatr. (vgl. Matr. UWB), 18. März 1589 Mag. phil. ebd. (Dekanatsbuch phil. Fak.), 22. April 1590 in Wittenberg durch Urban Pierius ordiniert (vgl. WOB 1590 S. 26), 1590 Prediger in Trenčín, 1592 Hofprediger in Teschen, 1592 in selber Funktion in Jägerndorf, † daselbst als Superintendent am 30. Juni 1609, verh. mit Martha Faber, der To. des Rektors in Bautzen Thomas Faber (* 1532 in Freiberg; † 1595 in Bautzen), So. Adam Christian Agricola (* 24. Dezember 1593 in Teschen;† 1. Juni/22. Mai 1645 in Königsberg/Preußen)
- ↑ Karl Gottlob Dietmann: Die Gesamte der ungeänderten Augsb. Confeßion zugethane Priesterschaft in dem Marggrafthum Oberlausitz, Lauban und Leipzig 1777, S. 67–68.
Personendaten | |
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NAME | Agricola, Johann |
ALTERNATIVNAMEN | Spremberger, Johann |
KURZBESCHREIBUNG | evangelischer Theologe |
GEBURTSDATUM | um 1534 |
GEBURTSORT | Spremberg |
STERBEDATUM | 30. August 1590 |
STERBEORT | Bautzen |
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Bildseite aus der gereimten Askanisch-Wettinischen Fürstenchronik des Johannes Agricola. Wittenberg 1563. Digitalisat des kompletten Werkes
Textseite aus der gereimten Askanisch-Wettinischen Fürstenchronik des Johannes Agricola. Wittenberg 1563. Digitalisat des kompletten Werkes