Johann Adam Reincken

Johann Adam Reincken, Gemälde von Godfrey Kneller, ca. 1674
Johannes Voorhout, Häusliche Musikszene, 1674; der Mann am Cembalo in der Mitte ist vermutlich Reincken, links an der Gambe Dietrich Buxtehude, rechts lauschend Johann Theile
Johann Adam Reincken

Johann Adam Reincken, auch Jan Adams (Jean Adam, Jan Adam) Reincken oder Reinken, Reinkink, Reincke, Reinike (getauft 10. Dezemberjul. / 20. Dezember 1643greg. in Deventer; † 24. November 1722 in Hamburg) war ein niederländisch/deutscher Komponist, Organist und Gambist.

Leben und Wirken

Reinckens Familie siedelte sich im Jahre 1637 in Deventer in den Niederlanden an. Das von Johann Mattheson überlieferte Geburtsdatum von 1623 und der Geburtsort Wildeshausen werden durch den Taufeintrag von 1643 in Deventer widerlegt. In Deventer erhielt Reincken Anfang der 1650er Jahre seinen ersten Musikunterricht. Ab 1654 folgte ein Studium des Orgelspiels und der Komposition bei Heinrich Scheidemann in Hamburg.

Nach einer kurzen Tätigkeit als Organist in Deventer kehrte er gegen 1658 nach Hamburg zurück, um dort wiederum mit Scheidemann zusammenzuarbeiten. Etwa 1663 trat er dessen Nachfolge als Organist an der Hamburger Katharinenkirche an. Hier wirkte er bis zu seinem Tode.

Reincken übte einigen Einfluss auf das Hamburger Musikleben aus. So warb er in den 1670er Jahren erfolgreich für die Durchführung von Erweiterungen an der Orgel der Katharinenkirche. Darüber hinaus setzte er weitere Veränderungen und Verbesserungen an den Sakralbauten Hamburgs und Norddeutschlands durch. 1678 war er Mitbegründer der Hamburger Oper am Gänsemarkt.

Sein Ruf veranlasste den jungen Johann Sebastian Bach während dessen Lüneburger Jahren, Reincken 1701 in Hamburg zu besuchen, um sich im Orgelspiel bei ihm ausbilden zu lassen. Bach war zutiefst von Reinckens Improvisationen über den Choral „An Wasserflüssen Babylon“ beeindruckt. Später verwendete Bach Teile (Einzelsätze und Satzfolgen) aus Reinkens Suitensammlung Hortus Musicus (1687) in seinen Klavierkompositionen BWV 954, 965 und 966.

Reincken starb 1722. Sein Grab und Epitaph befinden sich nicht in der Hamburger, sondern in der Lübecker Katharinenkirche. Hier hatte sich Reincken 1702 von der Familie seines Schwiegersohnes Andreas Kneller eine Grabstätte gekauft.

Bedeutung

Reincken war einer der wichtigsten Vertreter der Norddeutschen Orgelschule. Sein kompositorisches Schaffen ist hauptsächlich geprägt durch geistliche Kompositionen, vor allem Choräle, Fugen und Sonaten. Als Organist genoss er einen ausgezeichneten Ruf; insbesondere war er für seine Orgelimprovisationen bekannt. Nur wenige seiner Werke sind heute noch erhalten.

2005 wurde in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek eine eigenhändige Abschrift Bachs von Reinckens An Wasserflüssen Babylon entdeckt.

Werke (Auswahl)

Bachs Kopie von Reinckens An Wasserflüssen Babylon
  • Choralfantasien
    • An Wasserflüssen Babylon
An Wasserflüssen Babylon : Choral a 2 Clav. e Pedal Abschrift von Hermann Jimmerthal "Copirt nach einer Handschrift auf dem königlichen Institut für Kirchenmusik in Berlin". [Lübeck], o. J., Digitalisat der Stadtbibliothek Lübeck
    • Was kann uns kommen an für Noth
  • Und es erhub sich ein Streit
  • Toccaten
    • Toccata in g-Moll
    • Toccata in G-Dur
  • Hortus Musicus / recentibus aliquot Flosculis / Sonaten, / Allemanden, / Couranten, / Sarabanden / et / Giquen, / Cum 2 violin, Viola et Basso / continuo. (6 Partiten, Hamburg 1687)
    Werkansicht. Staatsbibliothek Berlin
  • Fuge in g-Moll
  • 8 Suiten für Cembalo

Literatur

  • Ulf Grapenthin: Bach und sein „Hamburgischer Lehrmeister“ Johann Adam Reincken. In: Martin Geck (Hrsg.): Bachs Musik für Tasteninstrumente. Bericht über das 4. Dortmunder Bach-Symposion 2002 (Dortmunder Bach-Forschungen, Band 6). Klangfarben Musikverlag, Dortmund 2003, ISBN 3-932676-11-4.
  • Ulf Grapenthin: Reincken, Johann Adam. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. 2., neubearbeitete Ausgabe, Band 13, Sp. 1506–1534.
  • Robert EitnerReincken, Johann Adam. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 28, Duncker & Humblot, Leipzig 1889, S. 7–11.
  • Ulf Grapenthin: Zu Geburt und Jugendzeit von Johann Adam Reincken (1643–1722) in der niederländischen Hansestadt Deventer. In: Ars Organi, Jg. 69, 2021, S. 6–11.
  • Arnfried EdlerReincken, Johann Adam. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 21, Duncker & Humblot, Berlin 2003, ISBN 3-428-11202-4, S. 344–346 (Digitalisat).
  • Klaus Beckmann: Die Norddeutsche Schule. Orgelmusik im protestantischen Norddeutschland zwischen 1517 und 1755. Teil II: Blütezeit und Verfall 1620-1755. Schott, Mainz 2009.

Weblinks

Commons: Johann Adam Reincken – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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Portrait of Johann Adam Reincken.jpg
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Johann Adam Reincken, 1674, by Gottfried Kniller. Museum für Hamburgische Geschichte, Hamburg Strukturierte Daten auf Commons bearbeiten
Musical Company by Johannes Voorhout (1674).jpg
Am Cembalo ist Johann Adam Reincken, zu der Zeit Organist an der Katharinenkirche im seidenen Hausrock und mit einem dunkelhäutiger Pagen in einer weltgewandten Attitüde dargestellt, die seinem sozialen Status eigentlich nicht entsprach. Vermutlich ist er Auftraggeber des Bildes. Die frühere Identifizierung der ihm gegenüber sitzenden Person mit dem Notenblatt als Johann Theile (1646-1724), Kapellmeister an verschiedenen norddeutschen Höfen war und Komponist der ersten in Hamburg aufgeführten Oper, wird in der Forschung mittlerweile abgelehnt. Denkbar ist aber, dass diese Person den Komponisten Johann Philipp Förtsch darstellt. Das Notenblatt hat einen Kanon über den Psalm 133,1: Siehe, wie fein und lieblich ist es, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen, ein unbekanntes Werk, das Bezug nimmt auf die Freundschaft und Zusammenarbeit der Musiker als „gelehrte Musiker“, also nicht nur als technisch geschulte Instrumentisten, sondern als Kenner der geistigen Inhalte der Musik. Auch der Komponist Dieterich Buxtehude des Kanon ist wohl abgebildet, vermutlich ist er der Gambenspieler am linken Bildrand. Das Notenblatt auf dem Knie des Herrn neben der Lautenspielerin, weist auch eine Widmung an Reinken und seinen Freund Dietrich Buxtehude (1637 – 1707) auf.