Joachim Prinz (Rabbiner)
Joachim Prinz (* 10. Mai 1902 in Bierdzan, Landkreis Oppeln; † 30. September 1988 in Livingston, New Jersey[1]) war ein deutscher Rabbiner und Zionist (bis 1948), der 1937 in die USA emigrierte, dort stellvertretender Vorsitzender des Jüdischen Weltkongresses wurde und am 28. August 1963 beim Marsch auf Washington neben Martin Luther King, Jr. sprach.
Leben
Prinz war der Sohn eines Oppelner Textilhändlers. 1917 trat er der zionistischen Jugendorganisation Blau-Weiß bei. Nach dem Abitur in Oppeln 1921 studierte er in Breslau, Berlin und an der Universität Gießen; hier wurde er 1927 mit Auszeichnung zum Dr. phil. promoviert (Dissertation: Zum Begriff der religiösen Erfahrung: Ein Beitrag zur Theorie der Religion). Seine Ordination zum Rabbiner erhielt er 1925 vom Jüdisch-Theologischen Seminar in Breslau. Er heiratete Lucie Horovitz, die Tochter eines seiner theologischen Lehrer. Sie starb jedoch schon 1931; in zweiter Ehe war er seit 1932 mit Hilde Goldschmidt verheiratet.
Prinz wurde 1926 zum Rabbiner an der Vereinssynagoge Friedenstempel in Berlin berufen; der damals jüngste Rabbiner Berlins erwarb sich bald den Ruf eines charismatischen Predigers und glühenden Zionisten.[2]
Vor dem Hintergrund der Verschlechterung der sozialen Lage gegen Ende der Weimarer Republik, die teilweise verheerende Auswirkungen auf die jüdischen Jugendlichen und die ostjüdischen Immigranten hatten, „die das jüdische Proletariat in Deutschland stellten“, erhielt „innerhalb der jüdischen Gemeinschaft und im Rahmen der Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden die Diskussion um die Reform der jüdischen Sozialarbeit“ neue Nahrung. Angeregt durch Siddy Wronsky und Erich Stern griff Prinz in diese Diskussionen ein und thematisierte „die Aufgaben des Rabbiners in der und seine Qualifikation für die Sozialarbeit.“ Insbesondere für die Großstädte propagierte er den Einsatz sogenannter Sozialrabbiner, die sich nicht auf ihre Aufgaben als Gemeindeseelsorger beschränken sollten.[3]
Im Umfeld des Jüdischen Lehrhauses war in Berlin, ähnlich wie in Frankfurt am Main oder Köln, 1929 von jungen Juden die Schule der Jüdischen Jugend gegründet worden. Hintergrund war die Unzufriedenheit mit den Lehrmethoden der Berliner Jüdischen Volkshochschule.[4] Prinz war an der Einrichtung dieser Schule, die auch auf die Auswanderung nach Palästina (Hachschara) vorbereiten sollte, maßgeblich beteiligt.[3]
1934 veröffentlichte Prinz die Schrift Wir Juden, in der er in radikaler Weise gegen die Assimilierung des westeuropäischen Judentums seit der Aufklärung Stellung bezog, die zu Substanzverlust geführt habe, und die Massenauswanderung aus Deutschland propagierte. Hans-Joachim Schoeps antwortete darauf mit einer Gegenschrift: Wir deutschen Juden. 1935 erklärte Prinz: Des Juden Los ist: nachbarlos zu sein.[5] Kurz darauf versuchte der Gemeindevorstand, ihn wegen seiner Predigten und Ansprachen zu maßregeln, die sich geeignet haben, Streitigkeiten und Erregung unter den Zuhörern hervorzurufen.[6]
1937 gelang es Rabbiner Stephen Wise, für Joachim Prinz, der mittlerweile mehrfach von der Gestapo festgenommen worden war, die Einreise in die USA zu ermöglichen. Hier wurde Prinz 1939 Rabbiner der Reformsynagoge Temple B’nai Abraham in Newark (New Jersey), an der er bis zu seiner Emeritierung 1977 blieb. Vom Zionismus hatte er sich allerdings 1948 gelöst, da dieser mit der Gründung des Staates Israel sein Ziel erreicht habe.
Er engagierte sich in amerikanischen jüdischen Organisationen und war 1958–1966 Präsident des American Jewish Congress. In dieser Eigenschaft gehörte er 1963 zu den Veranstaltern des March on Washington for Jobs and Freedom[7] und war einer der Redner der Hauptkundgebung vor dem Lincoln Memorial, bei der Martin Luther King, Jr, seine berühmte „I Have a Dream“-Rede hielt.[8][9]
Prinz war auch Vorstandsmitglied der Conference of Jewish Material Claims Against Germany.
Werke
- Zum Begriff der religiösen Erfahrung. Breslau 1927
- Helden und Abenteuer der Bibel. Berlin-Charlottenburg: P. Baumann 1930
- Jüdische Geschichte. Berlin: Verlag für Kulturpolitik 1931 (2. Auflage: Illustrierte jüdische Geschichte. Berlin: Brandus 1933)
- Wir Juden. Berlin: Reiss 1934 (Auszüge in: Christoph Schulte: Deutschtum und Judentum. Ein Disput unter Juden in Deutschland. Stuttgart: Reclam 1993, Reclams Universal-Bibliothek; Nr. 8899, ISBN 978-3-15-008899-9)
- Die Geschichten der Bibel. Berlin: Reiss Verl. 1934 (7 Auflagen bis 1937; Neuauflage: Frankfurt am Main: Jüdischer Verlag bei Athenäum 1988)
- Der Freitagabend. Berlin: Brandus [1935]; Nachdruck: Zürich: Verl. Jüd. Buch-Gemeinde 1954
- Die Reiche Israel und Juda. Berlin: Reiss 1936
- Das Leben im Ghetto. Berlin: Löwe 1937
- Prayers for the High Holidays. 1951
- The Dilemma of the Modern Jew. 1962
- Popes from the Ghetto. 1966
- The secret Jews. 1973
Literatur
- Michael Mayer (Hrsg.): Joachim Prinz, Rebellious Rabbi: An Autobiography – The German and Early American Years. Indiana University Press 2007, ISBN 978-0-253-34939-2 ISBN 0-253-34939-7.
- David Jünger: Historische Erfahrung und politisches Handeln. Rabbiner Joachim Prinz, die Lehren aus dem Nationalsozialismus und das Engagement für die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Jg. 70 (2022), 1.
Weblinks
- Literatur von und über Joachim Prinz im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Joachim Prinz in der Internet Movie Database (englisch)
- Findbuch der Joachim Prinz Papers, Manuscript Collection No. 67 in den American Jewish Archives
- Prinz Library
Einzelnachweise
- ↑ Joachim Prinz, Leader in Protests For Civil-Rights Causes, Dies at 86 New York Times, By GLENN FOWLER, Published: October 1, 1988. Der Geburtsort ist jedoch nicht Burkhardtsdorf im Königreich Sachsen, wie es im Nachruf der New York Times heisst, sondern das ähnlich geschriebene Burkardsdorf bei Oppeln in Oberschlesien
- ↑ Vgl. etwa die Erinnerungen von Ilse Perlman
- ↑ a b Ludwig Liegle/Franz-Michael Konrad (Hg.): Reformpädagogik in Palästina. Dokumente und Deutungen zu den Versuchen einer ‚neuen‘ Erziehung im jüdischen Gemeinwesen Palästinas (1918-1948), dipa-Verlag, Frankfurt am Main, 1989, ISBN 3-7638-0809-4, S. 226–227
- ↑ Michael Brenner: Jüdische Kultur in der Weimarer Republik, C. H. Beck, München, 2000, ISBN 3-406-46121-2, S. 112
- ↑ In einer Rede Jüdische Situation – heute, abgedruckt in: Jüdische Rundschau XL (1935), Nr. 31/32 vom 17. April 1935; auch in: Wolf Gruner (Bearbeiter) Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945. Bd. 1: Deutsches Reich 1933–1937. München 2008, S. 426ff
- ↑ Jüdische Rundschau XL (1935), Nr. 43 vom 28. Mai 1935 (Digitalisat zugänglich über Archivlink (Memento des Originals vom 28. September 2007 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. )
- ↑ March on Washington photo Gallery (Memento des Originals vom 1. Juni 2007 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Transkript und mp3 der Rede
- ↑ Prinz und King in FAZ vom 26. August 2013, Seite 7
Personendaten | |
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NAME | Prinz, Joachim |
KURZBESCHREIBUNG | deutsch-amerikanischer Rabbiner |
GEBURTSDATUM | 10. Mai 1902 |
GEBURTSORT | Bierdzan, Landkreis Oppeln |
STERBEDATUM | 30. September 1988 |
STERBEORT | Livingston (New Jersey) |
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Autor/Urheber: Axel Mauruszat, Lizenz: CC BY 2.0 de
Relief der Synagoge auf der Gedenktafel für die Synagoge "Friedenstempel" Halensee. Markgraf-Albrecht-Straße 11-12, Berlin-Halensee. Entüllt am 9. November 1988.
- Scope and content: Photograph of the President's meeting with the leaders of the March on Washington. Left to Right — Willard Wirtz, Martin Luther King, Jr, Eugene Carson Blake, John F. Kennedy, Lyndon Baines Johnson, Walter P. Reuther.
- Others not in order A. Philip Randolph, John Lewis, Whitney Young, Mathew Ahmann, Joachin Prinz, Roy Wilkins, Floyd McKissick
- General notes: President John F. Kennedy in the Oval Office.