Joachim Deckarm
Joachim Deckarm am 16. Mai 2009 | |
Spielerinformationen | |
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Spitzname | „Jo“ |
Geburtstag | 19. Januar 1954 |
Geburtsort | Saarbrücken, Saarland |
Staatsbürgerschaft | deutsch |
Spielposition | Rückraum links |
Wurfhand | rechts |
Vereinslaufbahn | |
von – bis | Verein |
–1979 | VfL Gummersbach |
Nationalmannschaft | |
Debüt am | 2. Dezember 1973 |
gegen | Rumänien in Tiflis |
Spiele (Tore) | |
BRD | 104 (381)[1] |
Joachim „Jo“ Deckarm (* 19. Januar 1954 in Saarbrücken) ist ein ehemaliger deutscher Handballspieler. Er wurde mit dem VfL Gummersbach dreimal Deutscher Handballmeister und zweimal Europacupsieger. Darüber hinaus absolvierte er 104 Länderspiele für die deutsche Nationalmannschaft, mit der er die Handball-Weltmeisterschaft 1978 gewann.
In einem Europacup-Spiel im März 1979 erlitt er nach einem Zusammenstoß mit einem anderen Spieler bei einem harten Sturz ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, in dessen Folge er monatelang im Koma lag und bis heute auf Hilfe angewiesen ist.
Werdegang
In seiner Jugend begann Joachim Deckarm mit der Leichtathletik; er wurde Deutscher Jugendmeister im Fünfkampf. Später begann er dann mit dem Handballspiel. Der 1,94 Meter große Deckarm[2] wurde ein sehr bekannter Handballspieler, der zu seiner aktiven Zeit als der beste Handballer der Welt und Vorbild („In dem teilweise brutalen Sport bewahrte er sich seine vorbildliche Fairneß“, schrieb das Hamburger Abendblatt 1978)[2] galt. Seine Spielposition war im linken Rückraum. Als Spieler des VfL Gummersbach mit der legendären Rückennummer 11 wurde „Jo“ – so lautete sein Spitzname als Handballer – mit dem VfL dreimal Deutscher Meister (1974, 1975, 1976), einmal Europacupsieger (1974) und einmal Sieger des Europapokals der Pokalsieger (1978). Am 2. Dezember 1973 gab er in Tiflis im Spiel gegen Rumänien sein Länderspieldebüt; mit 24 Jahren bestritt er bereits seine 100. Partie.[3]
In insgesamt 104 Länderspielen für die Nationalmannschaft warf Deckarm 381 Tore. 1978, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, führte er das DHB-Team zusammen mit Heiner Brand zum zweiten Handball-Weltmeister-Titel Deutschlands nach dem Titelgewinn 1938. Sein letztes Länderspiel bestritt er Mitte Januar 1979: Im Endspiel des „Ostseepokals“ gegen die DDR (15:18), das im dänischen Brøndby ausgetragen wurde, erzielte Deckarm als Mannschaftskapitän sechs Tore.[4]
Neben dem Handball studierte Deckarm Mathematik und Sport.[2]
Sportunfall und danach
Am 30. März 1979 verunglückte er in der 23. Spielminute des Halbfinalrückspiels (Europapokalspiel der Pokalsieger) des VfL Gummersbach in Tatabánya, Ungarn, schwer. Er stieß bei einem Tempogegenstoß mit seinem ungarischen Gegenspieler Lajos Pánovics unglücklich zusammen[5] und fiel zu Boden. Dabei stürzte er mit seinem Kopf ungebremst auf den nur mit einer dünnen PVC-Schicht überzogenen Betonboden, sodass er einen doppelten Schädelbasisbruch, einen Gehirnhautriss und schwere Gehirnquetschungen davontrug.[6] Ein Arzt war in der Halle nicht zugegen, Deckarm wurde rund 20 Minuten nach dem Unfall ins Bezirkskrankenhaus von Tatabánya eingeliefert. Dort wurde Blut aus seiner Lunge entfernt, rund eineinhalb Stunden später wurde er per Rettungswagen ins Universitätskrankenhaus nach Budapest verlegt. Der behandelnde Arzt dort gab Deckarms Überlebenschancen mit „50:50“ an.[7] In Budapest wurde eine zweistündige Hirnoperation vorgenommen. In Anbetracht dieses Unfalls erwogen mehrere seiner Gummersbacher Mannschaftskameraden, darunter Erhard Wunderlich und Claus Fey, mit dem Handball aufzuhören.[8] Rund einen Monat nach dem Unfall wurde Deckarm in die neurochirurgische Klinik der Universität Köln[9] und Anfang Juli 1979 ins Universitätskrankenhaus Homburg verlegt.[10] Zeitweise weilte im August 1979 mit Zustimmung von Deckarms Eltern ein sich als „Wunderheiler“ ausgebender Malermeister am Krankenbett und kündigte an, Deckarm bis Weihnachten 1979 vollständig gesunden zu lassen. Von den Ärzten wurde dem Mann der Kontakt mit Deckarm verboten, die Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren wegen „Betruges und der unbefugten Ausübung eines Heilberufs“ ein.[11]
Joachim Deckarm erwachte erst 131 Tage nach dem Unfall wieder aus dem Koma.[12] Durch die Hirnschädigungen war er motorisch stark beeinträchtigt und hatte die Fähigkeit zu sprechen eingebüßt. Er ist seitdem auf einen Rollstuhl angewiesen. Ab Ende Dezember 1979 wurde er in seinem Elternhaus in Saarbrücken gepflegt[13] und ab Januar 1980 in einem Rehabilitationszentrum in Bonn.[14] Seit dem Herbst 1982 gilt er als Pflegefall. Zu diesem Zeitpunkt nahm sich sein ehemaliger Jugendtrainer Werner Hürter seiner an. Mit gezielten Therapien und eigens für Joachim Deckarm entwickelten Trainingsprogrammen wirkte Hürter den motorischen Behinderungen 13 Jahre lang bis zu seinem Tod im Jahr 1995 entgegen.[15][16]
Die Biografie Deckarms Teamgeist (2009) wurde bis 2014 mehr als 16.000 Mal verkauft und brachte rund 150.000 Euro für den Deckarm-Fonds ein.[17]
Joachim Deckarm lebte zunächst in seiner Heimatstadt Saarbrücken.[18] Seit 2018 lebt er in Gummersbach, wo auch sein Bruder als sein Betreuer lebt, in einem Seniorenheim.
Am 19. Januar 2019, dem Tag des Spiels der 26. Handball-Weltmeisterschaft 2019 zwischen Island und Deutschland in Köln, feierte Joachim Deckarm in der Lanxess Arena als Ehrengast seinen 65. Geburtstag, zu dem 20.000 anwesende Besucher ihm zu Ehren Happy Birthday sangen.[19]
Im Dezember 2021 wurde Deckarms Vorlass, bestehend aus schriftlichen Unterlagen, die im Saarländischen Sportarchiv verbleiben, und Objekten, welche die Sammlungen des Historischen Museums Saar bereichern, übergeben.[20]
Ehrungen und Auszeichnungen
- In Saarbrücken ist die Joachim-Deckarm-Sporthalle nach ihm benannt.
- Am 24. Mai 2009 überreichte Uli Hoeneß, damals Manager des Fußball-Bundesligisten FC Bayern München, dem damaligen Handball-Bundestrainer Heiner Brand einen Scheck in Höhe von 35.000 Euro. Das Geld stammte aus dem Phrasenschwein der DSF-Sendung Doppelpass und ist für die Joachim-Deckarm-Stiftung gedacht.
- Am 30. September 2009 erhielt Deckarm den Preis der Deutschen Zipfel, der mit 4000 Euro dotiert ist, als Würdigung seines „unbändigen Lebenswillens“. Das Preisgeld kam dem Deckarm-Fonds der Stiftung Deutsche Sporthilfe zugute.[21]
- Am 31. Mai 2013 wurde Deckarm in die Hall of Fame des deutschen Sports aufgenommen.[22]
Literatur
- Rolf Heggen: Teamgeist. Die zwei Leben des Joachim Deckarm. Redaktionsbüro RRH, 2009, ISBN 978-3-939537-06-9.
Dokumentarfilm
- Joachim Deckarm – Meine Reise nach Tatabánya, SR Fernsehen 28. Dezember 2014, Dauer: 00:30:00. (Nicht mehr online verfügbar.) Ehemals im ; abgerufen am 9. Januar 2019. (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven.)
Weblinks
- Porträt, Daten und Biografie von Joachim Deckarm in der Hall of Fame des deutschen Sports
- Joachim Deckarm im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
- Literatur zu Joachim Deckarm in der Saarländischen Bibliographie
- Joachim Deckarm in der Datenbank von Olympedia.org (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Länderspiele in der Übersicht (Memento vom 29. Juli 2007 im Internet Archive) abgerufen auf www.dsv-sportverlag.de am 30. März 2014
- ↑ a b c Joachim Deckarm feiert in Hamburg sein Jubiläum. In: Hamburger Abendblatt. 21. Oktober 1978, abgerufen am 11. März 2021.
- ↑ Die „langen Kerls“ von Vlado Stenzel zaubern und siegen. In: Hamburger Abendblatt. 23. Oktober 1978, abgerufen am 11. März 2021.
- ↑ Das Prestigeduell deutlich verloren. In: Hamburger Abendblatt. 15. Januar 1979, abgerufen am 13. März 2021.
- ↑ Handball: Der Fall Joachim Deckarm: Von Angst verfolgt. 26. Mai 2013, abgerufen am 22. Dezember 2022.
- ↑ Glücksbringer der Weltmeister (7. Februar 2007) abgerufen auf www.stern.de am 21. April 2019
- ↑ Jo Deckarm schwebt in Lebensgefahr. In: Hamburger Abendblatt. 31. März 1979, abgerufen am 17. März 2021.
- ↑ Geglückte Operation aber Deckarm ist noch nicht über den Berg. In: Hamburger Abendblatt. 2. April 1979, abgerufen am 17. März 2021.
- ↑ Jo Deckarm liegt jetzt in Köln. In: Hamburger Abendblatt. 28. April 1979, abgerufen am 17. März 2021.
- ↑ Deckarm wurde nach Homburg transportiert. In: Hamburger Abendblatt. 6. Juli 1979, abgerufen am 23. März 2021.
- ↑ „Wunderheiler“ darf nicht mehr zu Deckarm. In: Hamburger Abendblatt. 15. August 1979, abgerufen am 24. März 2021.
- ↑ DER SPIEGEL: Gern unter Leuten. Abgerufen am 24. März 2021.
- ↑ Joachim Deckarm zu Hause. In: Hamburger Abendblatt. 21. Dezember 1979, abgerufen am 7. April 2021.
- ↑ Deckarm: Leichte Fortschritte. In: Hamburger Abendblatt. 31. März 1980, abgerufen am 7. April 2021.
- ↑ Nach Handball-Unfall : Das ist die rührende Jo-Deckarm-Story, wz.de, 29. November 2019
- ↑ 131 Tage im Koma: Ein deutscher Handballheld, stärker als der Tod, welt.de, 17. Januar 2014
- ↑ Deckarm-Buch „TEAMGEIST“ in 3. Auflage erschienen (Memento vom 8. April 2014 im Internet Archive) sporthilfe.de, Frankfurt am Main, 1. November 2011
- ↑ kerstin Zöll: Jo Deckarm feiert 64. Geburtstag. Abgerufen am 28. Januar 2018 (deutsch).
- ↑ 20.000 Handball-Fans feiern Joachim Deckarm. In: Rheinische Post. 19. Januar 2019, abgerufen am 4. Januar 2020.
- ↑ Pressemitteilung "Teilvorlass von Joachim Deckarm an das Saarländische Sportarchiv übergeben" vom 17. Dezember 2021 auf der Website des Landesarchivs Saarbrücken
- ↑ sporthilfe.de: Preis der Deutschen Zipfel geht an Joachim Deckarm (Memento vom 31. Oktober 2013 im Internet Archive)
- ↑ focus.de: Willy Bogner erhält Goldene Sportpyramide vom 31. Mai 2013, abgerufen am 21. April 2019
Personendaten | |
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NAME | Deckarm, Joachim |
ALTERNATIVNAMEN | Deckarm, Jo (Spitzname) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Leichtathlet und Handballspieler |
GEBURTSDATUM | 19. Januar 1954 |
GEBURTSORT | Saarbrücken |
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Flag of Romania, (21 August 1965 - 22 December 1989/officialy 27 December 1989).
Construction sheet of the Flag of Romania as depicted in Decree nr. 972 from 5 November 1968.
- l = 2/3 × L
- C = 1/3 × L
- S = 2/5 × l
Autor/Urheber: Kuebi = Armin Kübelbeck, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Joachim Deckarm, Handballweltmeister von 1978, am 16. Mai 2009 vor dem Play-Off-Finalspiel der 2. Handballbundesliga zwischen der HSG Bensheim/Auerbach und dem VfL Sindelfingen der Bensheimer Weststadthalle.