Jigdal

Jigdal (hebräisch יִגְדַּל אֱלֹהִים חַי ‚Groß ist (der lebendige Gott)‘) ist ein jüdischer Hymnus. Er fand in die sephardischen und z. T. auch aschkenasischen Gebetbücher Eingang und wird in den jeweiligen rituellen Traditionen zu verschiedenen Anlässen rezitiert, u. a. zusammen mit Adon Olam bei der Eröffnung zu den Gottesdiensten zum Morgengebet (Schacharit) und Abendgebet (Maariw). Im Chassidismus findet der Hymnus keinen Gebrauch, da Isaak Luria sich gegen diesen aussprach.[1] Ein früher Beleg der Rezeption ist ein Siddur aus Krakau von 1578.[2]

Die poetische Dichtung ist metrisch gebaut, hat durchgehenden Reim und ist eine Wiedergabe der „Grundlehren“ bzw. „Glaubensartikel“ ('iqqarim), die von Moses ben Maimon formuliert wurden.[3] Die Verfasserschaft wird Daniel ben Jehuda Dajan (um 1300) zugeschrieben.[4] Dies ist jedoch nicht völlig gesichert, teilweise wird die poetisierte Fassung auch dessen Zeitgenossen Immanuel ben Salomo von Rom zugeschrieben.[5] Dem Hymnus kommt auch kontroverstheologische Funktion zu.[6] Nach seinem Vorbild wurden mehrere weitere Dichtungen auf der Grundlage von Zusammenstellungen zentraler jüdischer „Glaubensartikel“ vorgenommen.[7] Es existieren mehrere Melodien, die verbreitetste wird Meyer Leoni (ca. 1740–1800) zugeschrieben, der vermutlich Elemente früherer jüdischer und slawischer Volkslieder verarbeitete.[8] 1843 wurde für eine jüdische Konfirmationsfeier auch die Melodie von „O du fröhliche“ nach Johannes Daniel Falk zugrunde gelegt.[9]

Text und Übersetzung

  • .יִגְדַּל אֱלֹהִים חַי וְיִשְׁתַּבַּח:נִמְצָא וְאֵין עֵת אֶל מְצִיאוּתוֹ
  • .אֶחָד וְאֵין יָחִיד כְּיִחוּדוֹ:נֶעְלָם וְגַם אֵין סוֹף לְאַחְדּוּתוֹ
  • .אֵין לוֹ דְּמוּת הַגּוּף וְאֵינוֹ גוּף:לֹא נַעֲרוֹךְ אֵלָיו קְדֻשָּתוֹ
  • .קַדְמוֹן לְכָל דָּבָר אֲשֶׁר נִבְרָארִאשׁוֹן :וְאֵין רֵאשִׁית לְרֵאשִׁיתוֹ
  • .הִנּוֹ אֲדוֹן עוֹלָם לְכָל(וְכָל) נוֹצָר:יוֹרֶה גְּדֻלָּתוֹ וּמַלְכוּתוֹ
  • .שֶׁפַע נְבוּאָתוֹ נְתָנוֹ:אֶל אַנְשֵׁי סְגֻלָּתוֹ וְתִפְאַרְתּוֹ
  • .לֹא קָם בְּיִשְׂרָאֵל כְּמשֶׁה עוֹד:נָבִיא וּמַבִּיט אֶת תְּמוּנָתוֹ
  • .תּוֹרַת אֱמֶת נָתַן לְעַמּוֹ אֵל:עַל יַד נְבִיאוֹ נֶאֱמַן בֵּיתוֹ
  • .לֹא יַחֲלִיף הָאֵל וְלֹא יָמִיר דָּתוֹ:לְעוֹלָמִים לְזוּלָתוֹ
  • .צוֹפֶה וְיוֹדֵעַ סְתָרֵינוּ:מַבִּיט לְסוֹף דָּבָר בְּקַדְמָתוֹ
  • .גּוֹמֵל לְאִישׁ חֶסֶד כְּמִפְעָלוֹ:יִתֵּן לְרָשָׁע רָע כְּרִשְׁעָתוֹ
  • .יִשְׁלַח לְקֵץ יָמִין מְשִׁיחֵנוּ:לִפְדּוֹת מְחַכֵּי קֵץ יְשׁוּעָתוֹ
  • .מֵתִים יְחַיֶּה אֵל בְּרֹב חַסְדּוֹ:בָּרוּךְ עֲדֵי עַד שֵׁם תְּהִלָּתוֹ
  1. Der lebendige Gott werde erhöht und gelobt, er besteht – seine Existenz wird durch die Zeit nicht beschränkt
  2. Er ist einmal und einzigartig – und es gibt kein Wesen, das so einmalig und einzigartig ist wie er – Unergründlich und unendlich ist seine Einmaligkeit;
  3. Er hat weder einen Körper noch ist er körperlich – seine Heiligkeit ist unvergleichbar
  4. Er ist der Vorgänger eines jeden Wesens, das erschaffen wurde – er ist das Erste, das geschaffen wurde, und nichts geht ihm vor
  5. Schau an! Er ist der Baumeister des Weltalls – Jedes Wesen demonstriert Seine Größe und Seine Souveränität;
  6. Er gewährte seinen Einfluss der Prophezeiung – seinem hochgeschätzten, herrlichen Volk;
  7. In Israel wird niemand wieder wie Moses sein – ein Prophet, der Seine Vision klar wahrgenommen hat;
  8. Gott schenkte seinem Volk die Lehre (Tora) der Wahrheit – mittels Seines Propheten, dem er am meisten aus seinem Haus vertraute;
  9. Gott wird weder sein Gesetz ändern noch berichtigen – auch nicht wegen eines anderen Gottes und niemals
  10. Er prüft und kennt unsere verborgensten Geheimnisse – Er nimmt das Resultat einer Sache von Anfang an wahr;
  11. Er belohnt den gütigen Menschen gemäß seinen Taten – Er belegt den Bösen gemäß seiner Boshaftigkeit mit Übel;
  12. Am Ende der Tage wird Er unseren Erlöser schicken – um diejenigen zu erlösen, die sich danach sehnen;
  13. Gott wird die Toten in Seiner reichlichen Güte wieder zum Leben erwecken – Selig ist für immer Sein gelobter Name.

Literatur

  • Cyrus Adler, Francis L. Cohen: Yigdal. In: Isidore Singer (Hrsg.): Jewish Encyclopedia. Band 12, Funk and Wagnalls, New York 1901–1906, S. 606–610.
  • Jeffrey M. Cohen: Blessed Are You. A Comprehensive Guide to Jewish Prayer. Aronson, Northvale NJ u. a. 1993, ISBN 0-87668-465-7, 46 f.
  • Bernard Martin: Prayer in Judaism. Basic Books, New York NY 1968, S. 84–87.
  • Stefan C. Reif: Judaism and Hebrew Prayer. New Perspectives on Jewish liturgical History. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 1993, ISBN 0-521-44087-4, S. 211–214.
  • Aaron Rothkoff, Bathja Bayer: Yigdal. In: Fred Skolnik (Hrsg.): Encyclopaedia Judaica. Band 21: Wel–Zy. 2. Auflage. Thomson Gale, Detroit u. a. 2007, ISBN 978-0-02-865949-7, 373 f.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Louis Jacobs: The Jewish Religion: A Companion. Oxford University Press, Oxford 1995, 611.
  2. Ismar Elbogen: Der jüdische Gottesdienst in seiner geschichtlichen Entwicklung. 3. Auflage. Fock, Leipzig 1931 (Nachdruck Olms, Hildesheim u. a. 1995), S. 88.
  3. Maimonides: Mischna-Kommentar (Kitāb al-Sirāj), Traktat Sanhedrin, Einleitung zu X, 1 (Pereq Heleq), ähnlich in: Mischne Tora, Sefer ha-Madda, Hilchot Teshuvah, 3, 6–8; der Text hg. und übers. Fred Rosner: Maimonides’ commentary on the Mishnah, Tractate Sanhedrin, Sepher-Hermon Press, New York 1981, 134–158; arabischer Text auch in: Israel Friedländer (Hrsg.): Selections from the arabic writings of Maimonides, Leiden 1901, Nachdruck 1951; arab. und hebr. Text und dt. Übersetzung bei J. Holzer: Moses Maimunis Einleitung zu Cheleq / Zur Geschichte der Dogmenlehre in der jüdischen Religionsphilosophie des Mittelalters, Poppelauer, Berlin 1901 (darauf basierender e-Text); dt. Übers. auch bei Josef Maier: [Einleitung] Zu Person und Werk des Mose ben Maimon, in: Ders. (Hrsg.): Moses Maimonides. Führer der Unschlüssigen, hg. und übers. Adolf Weiss, Bd. 1, Meiner, Hamburg, 2. Aufl. 1972, xi-civ, xli-xlviii. Eine solche Kodifikation, die im Stile einer „Dogmatik“ verstanden werden konnte, war sehr umstritten. Vgl. überblicksweise Menachem Kellner: Dogma in Medieval Jewish Thought. From Maimonides to Abravanel, Oxford 1986; Arthur Hyman: Maimonides’ „Thirteen Principles“, in: Alexander Altmann (Hrsg.): Jewish Medieval and Renaissance Studies, Harvard University Press, Cambridge, MA 1967, 119-144.
  4. Dies beruht v. a. auf einem Siddur von 1383, welcher eine Verfasserschaft des Großvaters des Besitzers nennt, vgl. Elbogen 1931, S. 88; Samuel David Luzzatto: מבוא למחזור בני רומא (Mavo le-maḥazor bene Roma, Einleitung zum Machsor Benei Roma, d. i. zum Festtags-Gebetbuch nach dem römischen jüdischen Ritus), Livorno/Leghorn 1856 (Nachdruck, hg. Daniel Goldschmidt, Tel Aviv 1966), 18; übernommen u. a. bei Leopold Zunz: Literaturgeschichte der synagogalen Poesie, Berlin 1865, 507; Abraham Zvi Idelsohn: Jewish Liturgy and Its Development, New York 1932, 74.
  5. Vgl. Rothkoff 2007, 373. Berührungen sieht u. a. schon Elbogen (1931, 88). Siehe auch Hans-Joachim Schoeps: Jüdischer Glaube in dieser Zeit, Gesammelte Schriften I/I, Nachdruck Olms, Hildesheim 1990, 34. Abraham Sulzbach: Die poetische Literatur, in: Jakob Winter, August Wünsche (Hrsg.): Die jüdische Literatur seit Abschluß des Kanons. Eine prosaische und poetische Anthologie mit biographischen und literargeschichtlichen Einleitungen, Mayer, Bd. 3, Trier 1896, 3-99 (dort 81f), hatte in den respektiven Corrigenda ibid., 904 der Zuschreibung an Daniel ben Jehuda widersprochen mit dem Hinweis, dass von diesem vielmehr eine Parodie zu den Iqqarim des Maimonides überliefert sei. Dies dürfte jedoch auf einer Verwechslung beruhen (vgl. die Liste bei Marx 1918f).
  6. Vgl. Ronald L. Eisenberg: The JPS Guide to Jewish Traditions, Jewish Publication Society, Philadelphia 2004, 470f.
  7. Insgesamt 18 nennt Alexander Marx: A List of Poems on the Articles of the Creed, in: The Jewish Quarterly Review 9 (1918–19), 305ff.
  8. Vgl. Irene Heskes: Passport to Jewish Music: Its History, Traditions, and Culture, Greenwood Press, Westport, CT 1994, 83.
  9. Vgl. Klaus Herrmann: Abraham Geiger in Breslau and the Controversy about the Jewish Confirmation for Boys and Girls. in: Christian Wiese, Walter Homolka, Thomas Brechenmacher (Hrsg.): Jüdische Existenz in der Moderne, Berlin 2013, 133–160, 141f.

Auf dieser Seite verwendete Medien

Star of David.svg
Der Davidstern, Symbol des jüdischen Glaubens und jüdischen Volkes.