Jewish Claims Conference

Die Conference on Jewish Material Claims Against Germany, auch Claims Conference und Jewish Claims Conference (JCC), ist ein Zusammenschluss jüdischer Organisationen. Sie vertritt seit ihrer Gründung 1951 Entschädigungsansprüche jüdischer Opfer des Nationalsozialismus und Holocaust-Überlebender. Die Organisation hat ihren Sitz in New York City und unterhält in Frankfurt am Main, Wien und Tel Aviv Repräsentanzen.

Tätigkeit

Nach einer Rede von Konrad Adenauer im deutschen Bundestag im September 1951, in der er die Bereitschaft der Bundesregierung zur Entschädigung für Verbrechen der Deutschen an Juden erklärte, berief Nahum Goldmann, der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, eine Konferenz von 23 jüdischen Organisationen nach New York ein. Die Teilnehmer einigten sich auf eine Organisationsform, die die verschiedenen materiellen Ansprüche bündeln sollte. Diese war bei den Regierungsgesprächen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel weiterer Verhandlungspartner in Wiedergutmachungsfragen. Während der Staat Israel Ansprüche israelischer Bürger geltend machte, vertrat die Jewish Claims Conference die Interessen der außerhalb Israels lebenden Juden oder ihrer Erben, besonders in den USA.

Luxemburger Abkommen

Die in Wassenaar bei Den Haag geführten Gespräche über Entschädigungszahlungen an jüdische NS-Opfer führten am 10. September 1952 zum Abschluss des Luxemburger Abkommens. Darin verpflichtete sich die Bundesrepublik Deutschland, gesetzliche Entschädigungsregelungen zu schaffen und im Verlauf der nächsten Jahre insgesamt 3,5 Milliarden Mark an Israel und die JCC in Kompensation für Verfolgung, Sklavenarbeit und geraubtes jüdisches Eigentum zu zahlen. Die zur Gültigkeit nötige Abstimmung im Frühjahr 1953 im Bundestag ergab lediglich eine knappe Mehrheit. Mehrere Journalisten und Mitarbeiter des Auswärtigen Amts, wie Werner Otto von Hentig, versuchten das Abkommen über die Entschädigungszahlungen zu verhindern.

In enger Partnerschaft mit Israel hat die Jewish Claims Conference seither Zahlungen von Deutschland, Österreich, anderen Staaten und Industrieunternehmen erhalten. JCC finanzierte damit Programme zur Unterstützung der NS-Opfer.

Osterweiterung

Im Zuge des deutschen Wiedervereinigungsprozesses sahen sich die Bundesrepublik Deutschland und die DDR mit neuen Ansprüchen konfrontiert, weil sich die DDR wie andere Ostblock-Staaten zwar als Opfer des Nationalsozialismus, aber nicht als Erbe seiner Hinterlassenschaft gesehen und daher jüdische Entschädigungsansprüche abgelehnt hatte. Anlässlich des Empfangs von Rabbiner Israel Miller, damaliger Präsident der Jewish Claims Conference, durch den Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker im Juni 1987 formulierte die JCC Ansprüche auf dem Gebiet der DDR. Doch erst im September 1990 nach dem Ende der Diktatur begründete die DDR im Rahmen der Wiedergutmachungspolitik eine Rückübertragungsmöglichkeit auch für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Das Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen, das ursprünglich zur Wiedergutmachung von DDR-Unrecht konzipiert war, wurde entsprechend auf NS-Verfolgte angewendet.[1] Die Jewish Claims Conference wurde in § 2 Abs. 1 VermG als Ersatzberechtigte für die Fälle eingesetzt, in denen die jüdischen Berechtigten keinen Antrag auf Wiedergutmachung gestellt haben.[2]

Im Jahre 2005 unterlag der Karstadt-Konzern vor dem Berliner Verwaltungsgericht und dem Bundesverwaltungsgericht der JCC im Rechtsstreit um mehrere Grundstücke in Berlin-Mitte, die bis zur Industriereform in der SBZ dem Wertheim-Konzern gehört hatten.[3] Karstadt hatte gegen einen Bescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen geklagt, wonach die Grundstücke an die JCC übertragen werden sollten. Die JCC hatte die darauf gerichteten Ansprüche anstelle der Wertheim-Erben geltend gemacht. Die Behörde sah die JCC als legitime Rechtsnachfolgerin der Wertheim-Familie, die ihre Beteiligungen am Konzern 1938 wegen ihrer NS-Verfolgung an verkauft hatte.[4] Das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) – Nachfolgebehörde des „Bundesamts zur Regelung offener Vermögensfragen“ (BAROV) – sprach im August 2006 der JCC, die die Erben am Erfolg beteiligte, auch das Eigentum des Lenné-Dreiecks am Potsdamer Platz zu.[5]

Weitere Ansprüche werden in Polen, Tschechien und der Slowakei erhoben.

Durch Vertragsverhandlungen über das Rentenprogramm der JCC erreichte die Konferenz im Herbst 2007, dass über zehn Jahre weitere 250 Millionen Euro vom Bundesministerium der Finanzen überwiesen werden, wobei der Empfängerkreis von 73.000 auf 79.000 Personen erweitert wurde. Unbefriedigt bleiben die Ansprüche von anderen Gruppen: Personen aus militärischen Arbeitsbataillonen und nichtdeutschen Konzentrationslagern; Personen, die weniger als sechs Monate inhaftiert waren; Menschen, die sich in so genannten „offenen Ghettos“ aufgehalten haben; Personen, die bestimmte Einkommensgrenzen überschreiten; sowie Menschen in Westeuropa, die bisher wenig Entschädigung erhalten haben.[6]

Kritik

Kritisiert wird die Organisation besonders von dem amerikanischen Politologen Norman Finkelstein. Er erklärte, die JCC habe die Anzahl der möglichen Überlebenden künstlich überhöht; die Unterstützung durch die JCC richte sich vor allem an Juden in Israel sowie den USA, insbesondere osteuropäische Juden würden mit wenig hilfreichen Alibiprogrammen abgespeist; Restitutionsansprüche seien häufig vorschnell oder ohne rechtliche Grundlage angemeldet worden, und die noch lebenden Erben kämen, wenn überhaupt, nur in den Genuss marginaler Abfindungen.[7] Die JCC hat diese Kritik zurückgewiesen.

Im Laufe des Jahres 2008/2009 wurden im Zuge des israelischen Dokumentarfilms Die Zahlungsmoral von Guy Meroz und Orna Vilnai Federbusch vermehrt kritische Stimmen laut[8], die zudem eine größere Transparenz der JCC fordern und auf die unzureichende Entschädigung von NS-Opfern in Osteuropa hinweisen.[9]

Im Mai 2017 wehrten sich Einwohner im Cottbuser Ortsteil Groß Gaglow mit einer Kundgebung gegen Ansprüche der Konferenz hinsichtlich ihrer Grundstücke. Juden waren 1935 von dort vertrieben worden.[10]

Betrugsfälle

Im Jahr 2010 wurde bekannt, dass der New Yorker Bundesstaatsanwalt nach zweijähriger Ermittlungsarbeit insgesamt 17 Verdächtige hat festnehmen lassen, davon sechs Mitglieder der Claims Conference, denen vorgeworfen wird, im großen Maßstab Gelder der deutschen Bundesregierung an nicht Berechtigte ausgezahlt zu haben. Es geht dabei um über 5500 Fälle, in denen Personen unbegründet als Opfer anerkannt wurden und an die insgesamt 42 Millionen Dollar Entschädigungszahlungen geleistet wurden.[11][12] Den Mitarbeitern wird vorgeworfen, sich an der Manipulation von zahlreichen Lebensläufen beteiligt zu haben, wodurch die Veruntreuung erst möglich wurde. Bekannt wurde der Vorfall, nachdem JCC-Mitarbeitern aufgefallen war, dass „innerhalb kurzer Zeit zwei angebliche NS-Verfolgte Entschädigungsansprüche mit ähnlichen Biografien“ gestellt hatten. Daraufhin startete die Leitung der JCC eine interne Untersuchung und schaltete die Staatsanwaltschaft und die Bundespolizei FBI ein.[13] 2013 wurde infolgedessen in New York eine achtjährige Haftstrafe gegen den Direktor des Artikel-2-Fonds, Semen Domnitser, ausgesprochen.[14]

Mitgliedsorganisationen

Siehe auch

Literatur

  • Norman G. Finkelstein: Die Holocaust-Industrie Piper, München 2001 ISBN 3-492-04316-X (Kritik an JCC).
  • Jürgen Lillteicher: Claims Conference. In: Dan Diner (Hrsg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur (EJGK). Band 1: A–Cl. Metzler, Stuttgart/Weimar 2011, ISBN 978-3-476-02501-2, S. 511–514.
  • Claims Conference: Luxemburger Abkommen. 50 Jahre Entschädigung für NS-Unrecht Hg. Karl Brozik & Konrad Matschke. Societäts, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-7973-0900-7.
  • Andreas Mink: Aufarbeitung. Entschädigungen von Zwangsarbeitern. Nie wieder „München“. In: Aufbau 3/2007, S. 20–23 (Verweis auf eine weitere, längere Ausarbeitung: Not another „Munich“. The Czech Delegation in the German slave labor negotiations of 1998–2001 as experienced by a German reporter for a Jewish paper in New York.)
  • Marilyn Henry: Confronting the Perpetrators. A History of the Claims Conference (englisch) Middlesex: Vallentine-Mitchell, 2006 ISBN 0-85303-628-4 (Paperback: andere ISBN) Ausführl. Darlegung durch die Autorin: Aufbau 11/2006 S. 6–11.
  • Rolf Surmann (Hrsg.): Das Finkelstein-Alibi. „Holocaust-Industrie“ und Tätergesellschaft Papyrossa, Köln 2001, ISBN 3-89438-217-1 (Argumente pro JCC. Wortlaut der Protokoll-Vereinbarung JCC-BRD vom September 1952).
  • Ronald W. Zweig: German reparations and the Jewish world. A history of the claims conference (englisch) 2. Aufl. Cass, London & Portland 2001, ISBN 0-7146-5152-4 (1. Aufl. 1987).
  • Angelika Timm: Alles umsonst? Verhandlungen zwischen der C.C. und der DDR über „Wiedergutmachung“ und Entschädigung. Helle Panke, Berlin 1996 (Reihe: Hefte zur DDR-Geschichte, 32).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. § 1 Abs. 6 VermG
  2. § 2 VermG
  3. BVerwG, Beschluss vom 13. Oktober 2005 - 7 B 47.05 - (ECLI:DE:BVerwG:2005:131005B7B47.05.0); Enteignung durch Gesetz zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten vom 8. Februar 1949 in Verbindung mit Bekanntmachung der sog. „Liste 3“
  4. Karstadt verliert gegen Wertheim-Erben. In: FAZ. Nr. 54, 5. März 2005 (faz.net).
  5. KarstadtQuelle einigt sich mit Wertheim-Erben - WiWo, 30. März 2007
  6. JCC: In Breakthrough, Claims Conference Secures $250 Million from Germany for Additional 6,000 Holocaust Survivors Worldwide (Memento desOriginals vom 24. August 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.claimscon.org
  7. Norman Finkelstein: Die Holocaust-Industrie. Piper, München, Zürich 2001, ISBN 3-492-04316-X (archive.org [abgerufen am 5. Januar 2024]).
  8. Die siebente Million – Die Situation der Holocaustüberlebenden in Israel Jüdische Zeitung, April 2008 (Memento vom 14. Juni 2009 im Internet Archive)
  9. Jüdische Zeitung, Januar 2009@1@2Vorlage:Toter Link/www.jzeit.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  10. Daniel Schauff: Cottbuser wehren sich gegen jüdische Forderungen. Abgerufen am 18. Juli 2018.
  11. RTT News, November 2010
  12. Deutsche Welle 10. November 2010@1@2Vorlage:Toter Link/www.dw-world.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  13. Welt 10. November 2010
  14. [1]