Jesus-Bruderschaft

Jesus-Bruderschaft e. V.
Zweck:zum gemeinsamen Weg und Dienst berufen
Vorsitz:Katrin Oestreicher[1]
Gründungsdatum:1964
Sitz:Hünfelden
Website:www.jesus-bruderschaft.de

Die Jesus-Bruderschaft ist eine ökumenische Kommunität mit Hauptsitz im Kloster Gnadenthal in Hünfelden (Hessen). Weitere Standorte sind das Kloster Volkenroda (Thüringen) sowie das Werk- und Studienzentrum Hennersdorf (Sachsen). Außenstellen gibt es auch in Israel und Kamerun. Die Mitglieder der Jesus-Bruderschaft kommen aus unterschiedlichen Kirchen und Konfessionen, denen sie bleibend angehören. Gemeinsam bilden sie eine kommunitäre Lebensgemeinschaft von ehelos lebenden Brüdern und Schwestern sowie auch Familien.

Leitlinien und Vorbilder der Jesus-Bruderschaft

Sie hat die Berufung, Christen an verschiedenen Orten zu sammeln, um gemeinsam das Leben aus dem Evangelium zu gestalten. Dabei knüpft sie an die Tradition von Ordensgemeinschaften und geistlichen Gemeinschaften wie die der Zisterzienser, der Jesuiten und der Herrnhuter Brüdergemeine (Zinzendorf) an und ist inspiriert von Impulsen aus dem Lebenswerk Dietrich Bonhoeffers, Romano Guardinis und Martin Bubers. Ihre Berufung ist das Gebet und das Leben für das Einssein des Volkes Gottes (Selbstverständnis der Jesus-Bruderschaft).

Als eingetragener gemeinnütziger Verein ist die Jesus-Bruderschaft Mitglied im Diakonischen Werk in Hessen sowie in Thüringen. Sie ist ebenfalls Träger der freien Jugendhilfe in Hessen und Thüringen.

Geschichte der Jesus-Bruderschaft

  • 1955–1959: „Vorgeschichte“: junge Menschen aus Ost- und Westdeutschland treffen sich zu Tagungen mit Bibellese und Gebet um Einheit, es entsteht der Gedanke eines „Gebetsringes“[2]
  • 1961: zwei zölibatäre Brüder gründen das gemeinsame Leben in Hamswehrum, Ostfriesland. (Anmerkung: vergl. Artikel in Ostfrieslandmagazin 12/2001 S.36 ff: Gründer der Jesus-Bruderschaft (die zunächst ökumenische Christusbruderschaft hieß), waren zwei Personen: Pastor Gerhard Jan Rötting und Polizeibeamter Thomas Schmidt von Puskas, die schon 1960 in der Villa zwischen Hamswehrum und Upleward (Haus „Jesu Friede“) zölibatär lebten. Unter dem 18.11. 58 hab ich (Reiner Lange) in meinem Tagebuch bereits vermerkt: „... 6 Mann wollen von jetzt ab, solange sie beisammen sind, täglich mit ihrem Heiland Verbindung aufnehmen ...“ (In meiner Erinnerung war der Ring mit der Dornenkrone verbindendes Zeichen dafür.) Unter dem Tagebucheintrag Karfreitag 27.3.59: „... an jenem Vormittag steckten Heinz und ich den Ring unserer Bruderschaft an ...“ Diesen Ring zu tragen war Zeichen der zölibatären Bruderschaft in Haus Jesu Friede. Das heißt: die Ursprünge der Bruderschaft liegen schon im Jahr 1958/59)
  • 1964: Gründung der Schwesterngemeinschaft in Ludwigshafen; Gründung des eingetragenen Vereins „Jesus-Bruderschaft e. V.“ vor dem Amtsgericht in Ludwigshafen
  • 1968/1969: Beginn des Familienzweiges
  • 1969: Kauf des Welsch-Hofes (= hintere Klosterhälfte) in Gnadenthal/Taunus (Hessen)
  • 1972: Eine Gemeinschaft alleinstehender Frauen entsteht im benachbarten Bad Camberg.
  • seit 1972: Zahlreiche Außenstationen im In- und Ausland werden gegründet, z. B. Latrun/Israel 1973 und Makak/Kamerun 1974
  • 1984: Kauf des Nehemia-Hofes und der vorderen Klosterhälfte; Renovation von Klosterkirche (bis dahin Kuhstall) und Äbtissinnenhaus; Aufbau einer brüderlichen Dorfgemeinschaft; Wiederherstellung eines klösterlichen Ambientes, des Dorfbildes; Beginn der ökologisch geführten Landwirtschaft.
  • 1991: Nach Öffnung der Mauer Kauf der alten Spinnerei in Hennersdorf bei Chemnitz (Sachsen); Das Werk- und Studienzentrum entsteht.
  • 1993: Hessischer Denkmalschutzpreis für den Wiederaufbau von Dorf und Kloster Gnadenthal
  • 1993: Kauf des Klosters Volkenroda
  • 2001: Umsetzung des Christuspavillons nach Ende der Expo in Hannover nach Volkenroda
  • 2004: Die Jesus-Bruderschaft wird fast insolvent und kann nur mit Hilfe der evangelischen Kirche und mit Unterstützung des Freundeskreises gerettet werden. Kloster Volkenroda wird zum eigenständigen Ort der Jesus-Bruderschaft und verwaltet seine Aktivitäten eigenverantwortlich, unterstützt durch die Stiftung Kloster Volkenroda.[3]
  • 2009: Gründung der „Weggemeinschaft“ („Jesus-Bruderschaft in anderer Form“ für Menschen, die nicht in einer der Kommunitäten wohnen, aber die Spiritualität der Jesus-Bruderschaft teilen).[4]
  • 2011: 50 Jahre nach Beginn des gemeinsamen Lebens wird die Stiftung Kloster Gnadenthal gegründet, um die weitere Arbeit der Jesus-Bruderschaft zu fördern.[5]

Bruder Viktor Voss leitet den Brüderzweig, zu dem 2019 zwölf Brüder gehören: vier leben in Israel, zwei in Volkenroda (Thüringen), zwei in Hennersdorf (Sachsen) und vier – mit ihm selbst – in Gnadenthal.[6]

Aufarbeitung früheren Missbrauchs

Im März 2022 geht die Jesus-Bruderschaft im Rahmen ihrer selbstkritischen "Vergangenheitsbewältigung um der Zukunft willen" mit der Information an die Öffentlichkeit, dass ihr Mit-Gründer Gerhard Jan Rötting (geb. 1931) sich in den 1970er-Jahren des geistlichen, seelischen und körperlichen Missbrauchs an jungen Erwachsenen schuldig gemacht habe. Er "manipulierte die Seelen vieler", missbrauchte seine Macht, nutzte Abhängigkeitsverhältnisse aus und suchte "zu einigen Brüdern eine körperliche Nähe, um seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen". Das interne Bekanntwerden der Übergriffigkeit sei der Grund gewesen, dass Rötting 1978 die Jesus-Bruderschaft habe verlassen müssen. Seit 2007 laufe bereits die Aufarbeitung mit Hilfe fachkundiger kirchlicher Missbrauchsbeauftragter.[7]

Leben

Gebet

Das Leben in der Kommunität ist geprägt durch Gebet, Gemeinschaft und Arbeit. Jeder Tag beginnt mit dem gemeinsamen Morgengottesdienst mit Abendmahl in der Klosterkirche. In der Mitte des Tages, um 12 Uhr, wird um die Einheit der Christen gebetet, ein Hauptanliegen der Jesus-Bruderschaft. Im Abendgebet ist besonders Raum für Fürbitte. Der Tag schließt mit dem Nachtgebet um 21:00 Uhr (Komplet).

Arbeit

An den Klosterstandorten sind verschiedene Betriebe angesiedelt (siehe Kloster Gnadenthal, Kloster Volkenroda). Für ihren Lebensunterhalt kommen die Mitglieder selbst auf. Projekte werden durch eigene Mittel und Spenden, über Sponsoring-Partner sowie durch kirchliche und staatliche Zuschüsse finanziert.

Ehe und Zölibat

Ehe und Zölibat sind zwei unterschiedliche Wege der Jesus-Nachfolge, und doch stehen die Familien sowie die Brüder und Schwestern an einer gemeinsamen Aufgabe. Dabei werden die Stände nicht verwischt, dienen aber gemeinsam dem Auftrag der Jesus-Bruderschaft. Dieses Miteinander ist selbst Teil des Lebens in der Kommunität.

Die Brüder und Schwestern leben ehelos, um sich ganz der Nachfolge Jesu widmen zu können.

Gemäß dem Leben der ersten Christen unterstützen sich die Familien gegenseitig und teilen ihr Leben in Freude und Leid miteinander.

Die berufliche Tätigkeit erwächst aus dem gemeinsamen Leben und dem von Gott gegebenen Auftrag mitten in der Welt. Von den Einkünften werden Zehn Prozent für die gemeinsamen Aufgaben der Jesus-Bruderschaft gegeben.

Standorte

Das Kloster Gnadenthal in Hünfelden beherbergt das Zentrum der Jesus-Bruderschaft. Es besteht heute aus ungefähr 80 Menschen, die in verschiedenen Betrieben arbeiten und Gäste zur Stille, zur Umweltbildung, zu Ehe-Seminaren, zu Veranstaltungen rund um Kunst und Kultur und zu Gottesdiensten und Gebetszeiten einladen.

Seit 1991 hat die Jesus-Bruderschaft das Werk- und Studienzentrum Hennersdorf aufgebaut.[8]

1993 hat die Jesus-Bruderschaft das Kloster Volkenroda erworben und maßgeblich zur Wiederherstellung der Anlage beigetragen. 2004 wurde Volkenroda zu einem eigenständigen Ort der Jesus-Bruderschaft, ist aber weiterhin freundschaftlich mit Kloster Gnadenthal verbunden.

Weitere Außenstellen befinden sich seit 1973 in Latrun (Israel) und in Makak (Kamerun).

Verlag

Von 1962 bis 2014 unterhielt die Kommunität den Präsenz-Verlag.

Periodika

  • Gnadenthaler Impulse. Freundesbrief der Jesus-Bruderschaft, erscheint Quartalsweise, seit 2007 unter diesem Namen, DNB 984044736

Literatur

  • Johannes Halkenhäuser: Kirche und Kommunität. Ein Beitrag zur Geschichte und zum Auftrag der kommunitären Bewegung in den Kirchen der Reformation. Bonifatius-Verlag, Paderborn 1978. (S. 227–231: ältere Eigendarstellung, vgl. Angaben S. 222, Fußnote 113)
  • Franziskus Joest: Frei für Gott. Jesus-Bruderschaft Gnadenthal. In: Anna-Maria aus der Wiesche, Frank Lilie (Hg.): Kloster auf Evangelisch. Berichte aus dem gemeinsamen Leben. Vier-Türme-Verlag, Münsterschwarzach 2016, ISBN 978-3-89680-904-9, S. 22–26.
  • Franziskus Joest (Hrsg.): Jesus-Bruderschaft Gnadenthal. Geschichte, Glaube, Gemeinschaft. Unser Leben auf den Punkt gebracht, SCM R. Brockhaus, Holzgerlingen 2019, ISBN 978-3-417-25391-7.
  • Jesus-Bruderschaft (Hrsg.): Orte der Hoffnung. Leben in Gnadenthal, Hennersdorf und Volkenroda. Präsenz-Verlag, Hünfelden-Gnadenthal 1995. (Eigendarstellung)
  • Ingrid Reimer: Verbindliches Leben. Brunnen-Verlag, Gießen 1999. (zur Jesus-Bruderschaft s. besonders S. 135–137)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. IDEA – Das christliche Spektrum, Jg. 2021, Nr. 20 vom 19. Mai, S. 27.
  2. Für die Angaben in diesem Abschnitt vgl. Christoph Joest: Die Entstehung von Kommunitäten in den Kirchen der Reformation. In: Atina Lexutt (Hrsg.): Reformation und Mönchtum. Mohr Siebeck, Tübingen 2008, S. 241–264, hier insbesondere: S. 252–255.
  3. Stiftung Kloster Volkenroda (Memento vom 11. Oktober 2012 im Internet Archive)
  4. http://www.jesus-bruderschaft.de/kloster/welt/weggemeinschaft/index.html
  5. Kloster Gnadenthal (Memento vom 10. Januar 2013 im Internet Archive)
  6. Porträt: Der Platz fürs Leben, idea.de, Artikel vom 24. November 2019.
  7. Bruder Franziskus Joest: Vergangenheitsbewältigung um der Zukunft willen, in: Gnadenthaler Impulse. Brief an die Freunde der Jesus-Bruderschaft Frühjahr 2022, S. 6–7.
  8. http://www.werk-und-studienzentrum.de/

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