Jessica Heesen

Jessica Heesen (* in Krefeld[1]) ist eine deutsche Philosophin und Medienethikerin. Sie leitet den Forschungsschwerpunkt Medienethik und Informationstechnik an der Universität Tübingen und lehrt als Privatdozentin am Philosophischen Seminar der Universität Tübingen. Von ihr geleitete Forschungsprojekte beschäftigen sich unter anderem mit (sozialen) Medien und Digitalisierung, Sicherheit und ethischen Aspekten von Künstlicher Intelligenz.[2]

Werdegang

Heesen stammt aus Krefeld und studierte Philosophie, Neuere deutsche Literaturwissenschaft, katholische Theologie und Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft zunächst an der Universität Köln, später in Tübingen[1].

Zwischen 1991 und 2001 war sie als Mitarbeiterin und Stipendiatin des Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) an der Universität Tübingen tätig. Als wissenschaftliche Koordinatorin begleitete sie dort auch das DFG-Graduiertenkolleg „Ethik in den Wissenschaften“, das sich der in den späten 1990ern noch neuen Fragestellung widmete, wie sich die Gesellschaft durch das Internet veränderte.[1]

In diesen Jahren übernahm sie für verschiedene Auftraggeber auf Bundes- und Landesebene Beratungs- und Projektaufträge zu den Themen Medienpolitik und Informationsgesellschaft.[3] Ab 2002 an der Universität Stuttgart, forschte sie ab 2003 in einem DFG-Sonderforschungsbereich an „Umgebungsmodellen für mobile, kontextbezogene Systeme“.[4] An der Universität Stuttgart promovierte sie 2006 mit einer Arbeit zum Thema Medienethik und Netzkommunikation,[5] in der sie sich mit der Frage befasste, wie sich die individuelle öffentliche Kommunikation auf unser Bewusstsein von Realität auswirkt – im Gegensatz zu einer „redaktionell gefilterten Öffentlichkeit“.[1]

Es folgte 2008 bis 2010 eine akademische Mitarbeit an der Universität Freiburg sowie für das IZEW Mitarbeit am Forschungsprojekt Barometer Sicherheit in Deutschland.[6] An der Universität Tübingen leitete sie in den Jahren 2013 bis 2017 die Nachwuchsforschungsgruppe Medienethik in interdisziplinärer Perspektive – Werte und sozialer Zusammenhalt in neuen öffentlichen Räumen.[4] 2015 wurde sie Sprecherin der Fachgruppe Kommunikations- und Medienethik im Netzwerk Medienethik.[7]

Heesen hatte und hat Lehraufträge unter anderem am Zentrum für Angewandte Kulturwissenschaft und Studium Generale (ZAK) an der Universität Karlsruhe[3] sowie an der Universität Luzern.[8] Am Seminar für Philosophie der Universität Tübingen lehrt sie als Privatdozentin.[9] 2014 habilitierte sie sich am KIT mit einer Schrift zum Thema Neuorientierung der Medienethik,[10] in der sie eine „Metaperspektive“ einnahm und die Frage behandelte, wie sich die Medienethik in Zeiten neuer Technologie reformieren muss.[1]

Eines ihrer jüngsten Forschungsprojekte ist 2019 das von der EU geförderte WeNet – The Internet of Us, das sich mit der Nutzung künstlicher Intelligenz (KI) für gemeinwohlorientierte Kommunikation beschäftigt. Dabei geht es unter anderem um die Frage bzw. den Wertekonflikt, wie man bei nichtkommerzieller, gemeinwohlorientierter Nutzung von KI mit den systemimmanent benötigten großen Datenmengen auf Bedürfnisse der Nutzenden eingehen kann, ohne zwangsläufig ihre Privatsphäre zu verletzen.[1]

Heesen ist Co-Leiterin der AG „IT-Sicherheit, Privacy, Recht und Ethik“ der Plattform Lernende Systeme und in dieser Rolle Autorin und Herausgeberin verschiedener Veröffentlichungen zur Ethik, Regulierung und zu Potenzialen von Künstlicher Intelligenz. Sie ist Mitglied des vom Bundesforschungsministerium geförderten Forums Privatheit und selbstbestimmtes Leben in der digitalen Welt am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung.[11] Im Rahmen des Forums Privatheit trat sie 2018 als Mitautorin eines „Policy Papers“ in Erscheinung, das sich mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) und der Kritik daran auseinandersetzt, mit dem Ergebnis, das NetzDG benötige zwar Nachbesserungen, sei jedoch „besser als sein Ruf“.[12][13][14]

Daneben wird sie regelmäßig als Interviewpartnerin bei medienethischen Themen befragt – so etwa bei der Frage, ob die Presse in illegal geleakte Chatverläufe von politisch tätigen Personen einsehen darf,[15] dem Thema Trauer im Netz[16], dem „gläsernen Sportler“[17], der Veröffentlichung von Fotos toter Menschen[18], der Berichterstattung im Fall Mesut Özil[19] oder der Regulierung von Künstlicher Intelligenz.[20]

Publikationen

Autorin

  • Responsible freedom - regulation of online media as democratic challenge. In: Lada Trifonova Price/Karen Sanders/Wendy N. Wyatt (ed.): Routledge Companion to Journalism Ethics, London/New York: Routledge 2021, 433–440, http://www.routledge.com/9780367206475
  • Medienethik und Netzkommunikation. Öffentlichkeit in der individualisierten Mediengesellschaft. Dissertation, Universität Stuttgart 2006. Humanities Online Velbrück, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-934157-61-3.
  • mit Silke Jandt, Jürgen Müller, Andreas Gutscher: Datenschutzfragen mobiler kontextbezogener Systeme. Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden 2006, ISBN 978-3-8350-0588-4, doi:10.1007/978-3-8350-9435-2.
  • mit Daniel F. Lorenz, Michael Nagenborg, Bettina Wenzel, Martin Voss: Blind Spots on Achilles’ Heel: The Limitations of Vulnerability and Resilience Mapping in Research. In: International journal of disaster risk science. Band 5. SpringerLink, 2014, doi:10.1007/s13753-014-0014-5, urn:nbn:de:1111-2016052313590.
  • Zur Neuorientierung der Medienethik: Informationsethische und technikphilosophische Perspektiven. Habilitation. Karlsruhe 2014.

Herausgeberin

  • mit Cordula Brand, Birgit Kröber, Uta Müller, Thomas Potthast (Hrsg.): Ethik in den Kulturen – Kulturen in der Ethik. Eine Festschrift für Regina Ammicht Quinn (= Tübinger Studien zur Ethik - Tübingen Studies in Ethics. Band 8). Narr Francke Attempto Verlag, Tübingen 2017, ISBN 978-3-7720-8611-3.
  • Handbuch Medien- und Informationsethik. Metzler, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-476-02557-9.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e f Alexander Grau: Das Porträt: Jessica Heesen. In: tv diskurs – Verantwortung in audiovisuellen Medien. Band 2, Nr. 88, 2019, S. 60–63 (Digitalisat via tvdiskurs.de [PDF]).
  2. Alexander Grau: Das Porträt: Jessica Heesen. In: tvdiskurs.de. 17. September 2019, abgerufen am 21. September 2019.
  3. a b Ulrich (ZAK) Bollmann: ZAK | Ehemalige Lehrbeauftragte. 8. März 2016, abgerufen am 21. September 2019 (deutsch).
  4. a b PD Dr. Jessica Heesen | Universität Tübingen. Abgerufen am 21. September 2019.
  5. Jessica Heesen: Medienethik und Netzkommunikation: Öffentlichkeit in der individualisierten Mediengesellschaft. 1. Auflage. Humanities Online, Frankfurt, M 2008, ISBN 978-3-934157-61-3 (dnb.de [abgerufen am 21. September 2019]).
  6. Projektpartner & Menschen. In: basid.mpicc.de. Abgerufen am 21. September 2019.
  7. Jessica Heesen: Jessica Heesen und Ingrid Stapf sind neu gewähltes Sprecherinnenteam der FG Kommunikations- und Medienethik. In: Netzwerk Medienethik. 2. Juni 2015, abgerufen am 21. September 2019 (deutsch).
  8. Ethik der digitalen Gesellschaft. In: vv.unilu.ch. Universität Luzern, abgerufen am 21. September 2019.
  9. Universität Tübingen - Seminar für Philosophie - Personen. 2022, abgerufen am 19. November 2022 (deutsch).
  10. Jessica Heesen: Zur Neuorientierung der Medienethik: Informationsethische und technikphilosophische Perspektiven. 2014, abgerufen am 21. September 2019.
  11. PD Dr. Jessica Heesen. In: Forum Privatheit. Abgerufen am 21. September 2019 (deutsch).
  12. Presseinformation: Das NetzDG – besser als sein Ruf. In: Forum Privatheit. Abgerufen am 21. September 2019 (deutsch).
  13. Forum Privatheit: Das NetzDG ist besser als sein Ruf - Recht-Steuern-Wirtschaft - Verlag C.H.BECK. Abgerufen am 21. September 2019.
  14. Süddeutsche Zeitung: Kasseler Forscher verteidigen Gesetz gegen Hass im Internet. Abgerufen am 21. September 2019.
  15. Aron Boks: Ein kurzer Blick muss reichen. Dürfen JournalistInnen private Chatverläufe von PolitikerInnen lesen? Die Medienforscherin Jessica Heesen über Ethik und öffentliches Interesse. In: taz, die tageszeitung. Berlin 5. Januar 2019, S. 3.
  16. Elisa Makowski: „Das Internet trivialisiert ernste Inhalte“. Die Medienethikerin Jessica Heesen über Trauern im Netz. In: Berliner Zeitung. Nr. 181. Berlin 30. Juli 2016, S. 24.
  17. Y. Buhl, A. Lebedew: Keine Angst vor dem gläsernen Sportler. In: Stuttgarter Zeitung. Stuttgart 28. Juli 2018, S. 43.
  18. Medien-Ethiker kritisieren Schock-Foto aus Flüchtlings-Lkw: “Dreister Verstoß gegen Grundsätze des Journalismus”. In: meedia.de. 31. August 2015, abgerufen am 21. September 2019.
  19. Felix Buske: „Bild missbraucht ihre Machtposition“: Medienethikerin Jessica Heesen über die Berichterstattung im Fall Özil. 24. August 2018, abgerufen am 21. September 2019.
  20. Lisa Hegemann: KI-Regeln der EU. „Würden Sie bei einem Atomkraftwerk erst einmal gucken, was passiert?“ In: Zeit Online. 24. April 2021, abgerufen am 19. November 2022.