Jahresabschlussprüfung

Als Jahresabschlussprüfung (oder Pflichtprüfung) wird im Bilanzrecht und in der Wirtschaft die Überprüfung des Jahresabschlusses von Unternehmen und sonstigen bilanzierungspflichtigen Personenvereinigungen durch Abschlussprüfer bezeichnet.

Allgemeines

Abschlussprüfer sind Wirtschaftsprüfer, die von der Unternehmensleitung zum Zwecke der Jahresabschlussprüfung bestellt werden müssen (§ 318 HGB). Nach § 242 Abs. 1, 2 und 3 HGB hat der Kaufmann für den Schluss eines jeden Geschäftsjahrs eine Aufstellung über Vermögen und Schulden (Bilanz) und eine Gegenüberstellung der Aufwendungen und Erträge (Gewinn- und Verlustrechnung) des Geschäftsjahrs aufzustellen. Die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung bilden den Jahresabschluss.

Die Aufstellung des Jahresabschlusses durch den Kaufmann (Unternehmer) bedeutet eine Interessenkollision, weil der Unternehmer dazu neigen könnte, den Geschäftsverlauf seines eigenen Unternehmens im Jahresabschluss günstiger darzustellen als er tatsächlich gewesen ist (Gefahr der Bilanzfälschung). Um dem vorzubeugen, prüfen unabhängige Dritte mit Sachkunde den Jahresabschluss sowie einen etwaigen Lage- und Risikobericht. Diese Dritte sind Wirtschaftsprüfer oder Buchprüfer. Der Anhang ist nicht Gegenstand der Prüfung. Diese Prüfungen heißen auch Pflichtprüfung und werden jährlich durchgeführt.[1]

Gemäß § 1 Abs. 1 PublG hat ein Unternehmen Rechnung zu legen, wenn für den Bilanzstichtag des Ablaufs eines Geschäftsjahrs (Abschlussstichtag) und für die zwei darauf folgenden Abschlussstichtage jeweils mindestens zwei der drei folgenden Merkmale zutreffen: Die Bilanzsumme übersteigt 65 Millionen Euro, die Umsatzerlöse des Unternehmens in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag übersteigen 130 Millionen Euro und das Unternehmen hat in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag durchschnittlich mehr als 5000 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Pflichtprüfung ergibt sich aus § 6 PublG.

Rechtsgrundlagen

Die Rechtsgrundlagen für die Jahresabschlussprüfung können in materielles und formelles Recht unterteilt werden:

Gegenstand der Prüfung

Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) gibt laufend Prüfungsstandards (PS) und „IDW-Verlautbarungen“ heraus, nach denen Wirtschaftsprüfer – unbeschadet ihrer Eigenverantwortlichkeit – ihrer Tätigkeit nachgehen können. Die vom Unternehmen mandatierten Wirtschaftsprüfer werden laufend während des Geschäftsjahrs informiert. Wichtige Prüfhandlungen sind unter anderem die Prüfung von Eröffnungsbilanzwerten im Rahmen von Erstprüfungen (IDW PS 205), Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten (IDW PS 210), Feststellung und Beurteilung von Fehlerrisiken (IDW PS 261) oder die Prüfung der Inventur (IDW PS 301). Vom Wirtschaftsprüfer sind Bestätigungen Dritter einzuholen (IDW PS 302), also insbesondere von Gläubigern über die Verbindlichkeiten des Unternehmens und von Schuldnern über das Vermögen des Unternehmens (Saldenbestätigungen über Forderungen gegen Debitoren oder Bankguthaben).

Die Prüfung umfasst vor allem die Buchführung. Es soll festgestellt werden, ob die gesetzlichen Vorschriften und die ergänzenden Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages und der Satzung beachtet worden sind (§ 317 Abs. 1 HGB). Zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften gehört, dass die Buchführung nachvollziehbar, unveränderlich, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet ist.[3] Die Prüfung des Lageberichtes soll die Übereinstimmung mit dem Jahresabschluss sowie mit den bei der Prüfung gewonnenen Erkenntnissen aufzeigen und dabei eine zutreffende Vorstellung von der Lage des Unternehmens vermitteln (§ 317 Abs. 2 HGB). Bei börsennotierten Unternehmen ist zusätzlich das Risikomanagementsystem zu prüfen (§§ 316 HGB, § 317 HGB).[4] Zu beachten sind ferner ergänzende Vorschriften und branchen- bzw. wirtschaftsspezifische Richtlinien (zum Beispiel § 53 HGrG; Prüfungsberichtsverordnung).

Die Zusammenfassung der Jahresabschlussprüfung wird in Prüfungsberichten dokumentiert.

Bank- und Versicherungswesen

Nach § 26 Abs. 1 KWG müssen Kreditinstitute die Prüfungsberichte der Bankenaufsicht BaFin einreichen. Weitere Vorschriften sind § 3 Kapitalanlage-Prüfungsberichte-Verordnung (KAPrüfbV), § 3 Wertpapierdienstleistungs-Prüfungsverordnung (WpDPV) und § 19 Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG). Neben den Erkenntnissen aus ihrer Aufsichtstätigkeit sind die Jahresabschlussprüfungsberichte eine wichtige Informationsquelle der Bankenaufsicht. Lässt sich anhand vorliegender Informationen ein bestimmter Sachverhalt nicht ausreichend klären, ordnet die BaFin eine Sonderprüfung an.

Versicherungsunternehmen haben gemäß § 37 VAG den aufgestellten sowie später den festgestellten Jahresabschluss und den Lagebericht der Aufsichtsbehörde BaFin jeweils unverzüglich einzureichen.

Bestätigungsvermerk

Nach § 322 HGB und § 313 Abs. 2 AktG hat der Abschlussprüfer über das Ergebnis der Prüfung schriftlich zu berichten. Der Prüfbericht enthält zum Schluss einen Bestätigungsvermerk (Testat) des Wirtschaftsprüfers, der mit Angabe von Ort und Tag vom Wirtschaftsprüfer zu unterzeichnen ist (§ 313 Abs. 5 AktG).

Unternehmen von öffentlichem Interesse erhalten nach IDW PS 401 ff. folgenden uneingeschränkten Bestätigungsvermerk: „Wir haben den Jahresabschluss zum (Datum) der (Unternehmen) geprüft. Darüber hinaus haben wir den Lagebericht vom (Datum) bis zum (Datum) geprüft. Die in der Anlage genannten Bestandteile des Lageberichts haben wir in Einklang mit den deutschen gesetzlichen Vorschriften nicht inhaltlich geprüft. Nach unserer Beurteilung aufgrund der bei der Prüfung gewonnenen Erkenntnisse

  • entspricht der beigefügte Jahresabschluss in allen wesentlichen Belangen den IFRS, wie sie in der EU anzuwenden sind, und den ergänzend nach § 315e Abs. 1 HGB anzuwendenden deutschen gesetzlichen Vorschriften und vermittelt unter Beachtung dieser Vorschriften ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens- und Finanzlage des Unternehmens zum (Datum) sowie seiner Ertragslage für das Geschäftsjahr vom (Datum) bis zum (Datum) und
  • vermittelt der beigefügte Lagebericht insgesamt ein zutreffendes Bild von der Lage des Unternehmens. In allen wesentlichen Belangen steht dieser Lagebericht in Einklang mit dem Jahresabschluss, entspricht den deutschen gesetzlichen Vorschriften und stellt die Chancen und Risiken der zukünftigen Entwicklung zutreffend dar. Unser Prüfungsurteil zum Lagebericht erstreckt sich nicht auf den Inhalt der in der Anlage genannten Bestandteile des Lageberichts.

Gemäß § 322 Abs. 3 Satz 1 HGB erklären wir, dass unsere Prüfung zu keinen Einwendungen gegen die Ordnungsmäßigkeit des Jahresabschlusses und des Lageberichts geführt hat.“

Diese Darstellung entspricht den „Grundsätzen ordnungsmäßiger Berichterstattung bei Abschlussprüfungen“ (IDW PS 450).

Wirtschaftliche Aspekte

Die Jahresabschlussprüfung ist in der Wirtschaftstheorie der Vergleich eines Ist-Objektes mit einem Soll-Objekt. Das Ist-Objekt ist der Jahresabschluss, das Soll-Objekt das durch den Abschlussprüfer zusammengestellte Ergebnis. Durch Vergleich der beiden Objekte und Klärung der Unterschiede gelangt der Abschlussprüfer zu einem Prüfungsergebnis, welches er beispielsweise durch den Prüfungsbericht und durch den Bestätigungsvermerk kundtut. Ziel ist es hingegen nicht, die Bonität des geprüften Unternehmens zu bestätigen (siehe auch Erwartungslücke). Die Prüfung ist mit einer kritischen Grundhaltung durchzuführen und so anzulegen, dass Verstöße und Unrichtigkeiten bei gewissenhafter Berufsausübung erkannt werden.[5]

Wirkungen

Ohne Jahresabschlussprüfung kann der Jahresabschluss von der Unternehmensleitung nicht festgestellt werden; ein dennoch festgestellter Jahresabschluss ist nichtig.[6] Bei der Jahresabschlussprüfung wird der Jahresabschluss eines Unternehmens durch einen Abschlussprüfer auf die Einhaltung von Gesetzen, der Satzung und des Gesellschaftsvertrags und die Einhaltung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung hin geprüft und mit einem Bestätigungs- oder einem Versagungsvermerk versehen. Ziel der Prüfung ist die Beurteilung, ob die Rechnungslegungsvorschriften eingehalten wurden. Die Jahresabschlussprüfung ist eine Wirtschaftsprüfung.

Der am Schluss des Jahresabschlusses übernommene Bestätigungsvermerk gibt der Öffentlichkeit, insbesondere Aktionären, Finanzverwaltung, Gläubigern (unter anderem Kreditinstituten als Kreditgeber), Massenmedien oder Wettbewerbern eine gewisse Auskunft über die Qualität des Jahresabschlusses, darf jedoch nicht überschätzt werden. Neben dem „uneingeschränkten Bestätigungsvermerk“ gibt noch Abstufungen des Bestätigungsvermerks.

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Lück, Prüfung der Rechnungslegung: Jahresabschlussprüfung, 1999, S. 6 ff.
  2. Wolfgang Lück, Lexikon der Internen Revision, 2001, S. 165
  3. Carl-Christian Freidank, Vahlens großes Auditing-Lexikon, 2007, S. 741
  4. Wolfgang Lück, Lexikon der Internen Revision, 2001, S. 164
  5. Carl-Christian Freidank, Vahlens großes Auditing-Lexikon, 2007, S. 741
  6. Verlag Dr. Th. Gabler (Hrsg.), Gablers Wirtschafts-Lexikon, Band 1, 1984, S. 43; ISBN 3409303839