Jürgen Becker (Schriftsteller)

Jürgen Becker am 26. November 2009 in Köln

Jürgen Becker (* 10. Juli 1932 in Köln) ist ein deutscher Lyriker, Prosaist und Hörspielautor.

Leben und Werk

Jürgen Beckers Familie zog 1939 von Köln nach Erfurt, so dass er eine Kriegs-Kindheit in Thüringen erlebte. 1947 übersiedelte er nach Waldbröl in Westdeutschland.[1] und kehrte 1950 in seine Geburtsstadt Köln zurück, wo er bis zum Abitur 1953 ein Gymnasium besuchte. Anschließend begann er ein Studium der Germanistik, das er jedoch 1954 abbrach.

In den folgenden Jahren übte er verschiedene Tätigkeiten aus. Von 1959 bis 1964 war er Mitarbeiter des Westdeutschen Rundfunks und von 1964 bis 1966 Lektor im Rowohlt-Verlag. Seit 1968 ist er freier Schriftsteller. Ab 1973 war er Leiter des Suhrkamp-Theaterverlags und von 1974 bis 1993 Leiter der Hörspielabteilung im Deutschlandfunk. Becker war seit 1965 bis zu ihrem Tod am 25. September 2021[2] mit der Künstlerin Rango Bohne verheiratet und lebt in Köln-Brück und Odenthal. Das Fachwerkhaus in der Heide in Odenthal-Glöbusch hat er seit dem Tod seiner Frau lange nicht aufgesucht.[3]

Jürgen Becker trat in den Sechzigerjahren mit einer stark experimentellen Art von Literatur hervor, die vor allem aus Opposition zum herkömmlichen Erzählen auf die offene Form setzte. In späteren Texten ist dieser Impuls zurückgenommen, während die Landschaft nach wie vor in Beckers Lyrik eine wichtige Rolle spielt. Neben den Gedichten, die sein Hauptwerk bilden, verfasste Becker auch Erzählungen und Hörspiele. Seit 1994 erscheinen Beiträge von ihm in der von der Akademie der Künste (Berlin) herausgegebenen Zeitschrift Sinn und Form.

In der Begründung des Georg-Büchner-Preises, der Becker 2014 zuerkannt wurde, wird er als „eine maßgebliche Stimme der zeitgenössischen Poesie“ gewürdigt, der „die deutschsprachige Dichtung über Generationen entscheidend geprägt“ hat. Seine Gedichte lehrten die Leser, die Welt und die Sprache genauer wahrzunehmen. Sie machten „unsere alltäglich erlebte Welt auf neue Weise sichtbar und unvergesslich.“[4]

Von 1960 an war Becker Teilnehmer der Gruppe 47, deren Literaturpreis er auf dem letzten Treffen der Gruppe 1967 gewann. Seit 1969 ist er Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland und der Akademie der Künste (Berlin), seit 1974 der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, seit 1984 der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz[5] und seit 2009 der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

2012 erschien unter dem Titel „In der Hölle des Schweigens“: Der Schriftsteller Jürgen Becker der erste Dokumentarfilm über Jürgen Becker von Christoph Felder, ein 80-minütiges Porträt (s/w, Verlag Die Neue Sachlichkeit, Produktion CFF) mit seinen eigenen Worten und einigen wenigen kurzen Ausschnitten seiner Kollegen Günter Grass, Uwe Johnson und Hans Magnus Enzensberger (Gruppe 47).

Beckers Sohn ist der Fotograf und Filmemacher Boris Becker.

Auszeichnungen

Veröffentlichungen

Einzeltitel

  • mit Wolf Vostell: Phasen. Vorwort von Max Bense, Galerie Der Spiegel, Köln 1960.
  • Felder. Suhrkamp, Frankfurt 1964; Neuausgabe ebd. 1988, ISBN 3-518-01978-3.
  • Jürgen Becker und Wolf Vostell (Hrsg.): Happenings, Fluxus, Pop Art, Nouveau Réalisme. Eine Dokumentation. Rowohlt Verlag, Reinbek 1965.
  • mit K. P. Brehmer: Ideale Landschaft. Text und Bilderfolge. Edition Galerie René Block, Berlin 1968.
  • Ränder. Suhrkamp, Frankfurt 1968.
  • Bilder, Häuser, Hausfreunde. Drei Hörspiele. Suhrkamp, Frankfurt 1969; Teilausgabe mit einem Nachwort des Autors: Häuser. Hörspiel. Reclam, Stuttgart 1972, ISBN 3-15-009331-7.
  • Umgebungen. Suhrkamp, Frankfurt 1970, ISBN 3-518-00722-X.
  • Schnee. Gedichte. Literarisches Colloquium, Berlin 1971.
  • Eine Zeit ohne Wörter. Suhrkamp, Frankfurt 1971, ISBN 3-518-06520-3.
  • Die Zeit nach Harrimann. 29 Szenen für Nora, Helen, Jenny und den stummen Diener Moltke. Als Bühnenmanuskript gedruckt. Suhrkamp, Frankfurt 1971.
  • Das Ende der Landschaftsmalerei. Gedichte. Suhrkamp, Frankfurt 1974, ISBN 9783518020845.
  • Erzähl mir nichts vom Krieg. Gedichte. Suhrkamp, Frankfurt 1977, ISBN 3-518-02114-1.
  • In der verbleibenden Zeit. Gedichte. Suhrkamp, Frankfurt 1979, ISBN 3-518-02111-7.
  • Erzählen bis Ostende. Suhrkamp, Frankfurt 1981, ISBN 3-518-02117-6.
  • Gedichte 1965–1980. Suhrkamp, Frankfurt 1981, ISBN 3-518-37190-8.
  • mit Rango Bohne: Fenster und Stimmen. Suhrkamp, Frankfurt 1982, ISBN 3-518-02118-4.
  • Felder, Ränder, Umgebungen. Suhrkamp, Frankfurt 1983, ISBN 3-518-04468-0.
  • Die Abwesenden. Drei Hörspiele. Suhrkamp, Frankfurt 1983, ISBN 3-518-37382-X.
  • Die Türe zum Meer. Suhrkamp, Frankfurt 1983, ISBN 3-518-04506-7.
  • Odenthals Küste. Gedichte. Suhrkamp, Frankfurt 1986, ISBN 3-518-02572-4.
  • Das Gedicht von der wiedervereinigten Landschaft. Suhrkamp, Frankfurt 1988, ISBN 3-518-40122-X.
  • mit Rango Bohne: Frauen mit dem Rücken zum Betrachter. Suhrkamp, Frankfurt 1989, ISBN 3-518-40183-1.
  • Das englische Fenster. Gedichte. Suhrkamp, Frankfurt 1990, ISBN 3-518-40284-6.
  • Beispielsweise am Wannsee. Ausgewählte Gedichte Suhrkamp, Frankfurt 1992, ISBN 3-518-22112-4.
  • Foxtrott im Erfurter Stadion. Gedichte. Suhrkamp, Frankfurt 1993, ISBN 3-518-40545-4.
  • Die Gedichte. Suhrkamp, Frankfurt 1995, ISBN 3-518-39096-1.
  • mit Boris Becker: Geräumtes Gelände. Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 1995, ISBN 3-88375-228-2.
  • mit Rango Bohne: Korrespondenzen mit Landschaft. Suhrkamp, Frankfurt 1996, ISBN 3-518-40801-1.
  • Gegend mit Spuren. Hörspiel. Akademie der Künste, Berlin 1996, ISBN 3-88331-008-5.
  • Der fehlende Rest. Erzählung., Frankfurt 1997, ISBN 3-518-40857-7.
  • Kaleidoskop der Stimmen. Ein Gespräch mit Leo Kreutzer und das Hörspiel „Bahnhof am Meer“. Wehrhahn, Hannover 1998, ISBN 3-932324-55-2.
  • Journal der Wiederholungen. Gedichte. Suhrkamp, Frankfurt 1999, ISBN 3-518-41026-1.
  • Aus der Geschichte der Trennungen. Roman. Suhrkamp, Frankfurt 1999, ISBN 3-518-39762-1.
  • mit Rango Bohne: Häuser und Häuser. Fünfunddreißig Prosatexte. Suhrkamp, Frankfurt 2002, ISBN 3-518-41307-4.
  • Schnee in den Ardennen. Journalroman. Suhrkamp, Frankfurt 2003, ISBN 3-518-41458-5[9] (= Ein Buch für die Stadt 2009).
  • Die folgenden Seiten. Journalgeschichten. Suhrkamp, Frankfurt 2006, ISBN 3-518-41820-3.[10][11]
  • Dorfrand mit Tankstelle. Gedichte. Suhrkamp, Frankfurt 2007, ISBN 978-3-518-22420-5.[12]
  • Aus der Kölner Bucht. Gedichte. Suhrkamp, Frankfurt 2009, ISBN 978-3-518-46155-6.
  • Im Radio das Meer. Journalsätze. Suhrkamp, Frankfurt 2009, ISBN 978-3-518-42108-6.
  • Scheunen im Gelände. Gedichte. Mit Collagen von Rango Bohne. Edition Lyrik Kabinett, München 2012, ISBN 978-3-938776-31-5.
  • Wie es weiterging. Ein Durchgang – Prosa aus fünf Jahrzehnten. Suhrkamp, Berlin 2012, ISBN 978-3-518-42305-9.
  • Was wir noch wissen. Journal der Augenblicke und Erinnerungen. In: Sinn und Form 4/2013, S. 591–602.
  • Jetzt die Gegend damals. Journalroman. Suhrkamp, Berlin 2015, ISBN 978-3-518-42488-9.
  • Graugänse über Toronto. Journalgedicht. Suhrkamp, Berlin 2017, ISBN 978-3-518-42752-1.
  • Die Rückkehr der Gewohnheiten Journalgedichte. Suhrkamp, Berlin 2022, ISBN 978-3-518-43045-3.
  • Marion Poschmann (Hrsg.): Jürgen Becker. Gesammelte Gedichte. 1971-2022. Mit Collagen von Rango Bohne und Fotos von Boris Becker. Suhrkamp, Berlin 2022, ISBN 978-3-518-43044-6.

Herausgabe

  • mit Wolf Vostell: Happenings. Fluxus – Pop Art – Nouveau Réalisme. Eine Dokumentation. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1965.
  • Elisabeth Borchers: Gedichte. Ausgewählt von Jürgen Becker. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-518-01509-5.
  • Jahrbuch der Lyrik 1987 (mit Christoph Buchwald). Luchterhand, Darmstadt 1987, ISBN 3-472-61687-3.

Übersetzung

  • Rudyard Kipling: Und das war so… Middelhauve, Köln 1973, ISBN 3-7876-9430-7.

Hörspiele

Sonderausstellungen

  • 2017: Jürgen Becker. New York 1972, Museum für Photographie Braunschweig

Literatur

  • Jürgen Becker. text + kritik, Heft 159. Richard-Boorberg-Verlag, München 2003, ISBN 3-88377-733-1.
  • Hans-Ulrich Müller-Schwefe: Schreib’ alles. Zu Jürgen Beckers „Rändern“, „Feldern“, „Umgebungen“, anhand einer Theorie simuliert präsentativer Texte. Fink, München 1977, ISBN 3-7705-1424-6.
  • Andreas Wirthensohn: Annäherungen an einen vorläufigen Zusammenhang. Zum Werk Jürgen Beckers. Königshausen und Neumann, Würzburg 2000, ISBN 3-8260-1873-7.
  • Jürgen Becker. Texte, Dokumente, Materialien. Elster-Verlag, Baden-Baden 1998, ISBN 3-89151-251-1.
  • Doris Janshen: Opfer und Subjekt des Alltäglichen. Denkstruktur und Sprachform in den Prosatexten Jürgen Beckers. Böhlau, Köln/Wien 1976, ISBN 3-412-02375-2.
  • Burkhard Meyer-Sickendiek und Anne-Rose Meyer-Eisenhut (Hrsg.): Fluxus und / als Literatur: Zum Werk Jürgen Beckers. Edition Text und Kritik, München 2014, ISBN 978-3-86916-325-3.
  • Jörn Laakmann: „Jede Zeile verbirgt einen anderen Text.“ Eine Studie zum Werk von Jürgen Becker. Dissertation an der Universität Konstanz. 1999.[13]
  • Jochen Meißner: Felder, Ränder, Umgebungen. Die Hörspiellandschaften des Jürgen Becker (und einiger seiner Zeitgenossen). DLF, 2008.
  • Henning Ziebritzki, Zeitzeuge im Schnee. Randnotiz zu Jürgen Beckers Lyrik. In: Akzente. Zeitschrift für Literatur 4 (2014), S. 302–311. ISSN 0002-3957
  • Peter Neumann: Verstehst du, was diese Baumgruppe sagt? – Eine spielerische Annäherung an die Sprache einer Landschaft, Ess zu Jürgen Becker. In: Jan Röhnert: Poesie und Praxis. Sechs Dichter im Jahr der Wissenschaft. (= Schriftenreihe des Collegium Europaeum Jenense 37, zugleich Edition Paideia), IKS Garamond, Jena 2009, ISBN 978-3-938203-76-7.
  • Andreas Nentwich: Jürgen Becker: Aus der Geschichte der Trennungen. In: Renate Stauf und Cord-Friedrich Berghahn (Hrsg.): Weltliteratur II. Eine Braunschweiger Vorlesung, Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2005, ISBN 3-89534-549-X, S. 525–544.
  • Sebastian Kleinschmidt: Der Pfeil des Lebens und der Pfeil der Werke. Laudatio zum Günter-Eich-Preis auf Jürgen Becker. In: Sinn und Form 2/2014, S. 256–264.
  • Boris Becker: Jürgen Becker New York 1972. Fotografien. Sprungturm Verlag, Köln 1972, ISBN 978-3-9815061-2-9.
  • Leo Kreutzer (Hrsg.): Über Jürgen Becker. Suhrkamp, Frankfurt 1972, ISBN 3-518-10552-3.
  • Burkhard Meyer-Sickendiek: Das „Prinzip der Felder“. Experimentelle Prosa in der Frühphase der edition suhrkamp. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 87,3 (2013), S. 386–404.

Weblinks

Commons: Jürgen Becker (Schriftsteller) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise, Fußnoten

  1. Suchender Blick nach dem Geheimnis der Details – Vor 80 Jahren wurde der Schriftsteller Jürgen Becker geboren, „Kalenderblatt“ im Deutschlandfunk vom 10. Juli 2012
  2. WDR Kulturnachrichten vom 27. September 2021: Künstlerin Rango Bohne ist tot, abgerufen am 27. September 2021
  3. Kölner Stadt-Anzeiger vom 5. Juli 2022: Schriftsteller Jürgen Becker wird 90. Abschied mit vom „Doppelleben“ in Odenthal und Köln, von Gisela Schwarz, abgerufen am 17. Juli 2022
  4. Jürgen Becker erhält den Georg-Büchner-Preis 2014. (Memento vom 31. Mai 2014 im Internet Archive) Auf der Website der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
  5. Mitgliedseintrag von Jürgen Becker bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, abgerufen am 11.10.17
  6. Süddeutsche Zeitung, Nr. 166 vom 21. Juli 2001, überregionale Ausgabe S. 13
  7. Begründung der Jury bei Carsten-Gansel.de, Abruf am 10. August 2021
  8. Sebastian Kleinschmidt, Der Pfeil des Lebens und der Pfeil der Werke. Laudatio zum Günter-Eich-Preis auf Jürgen Becker. In: Sinn und Form 2/2014, S. 256–264.
  9. Nicht alles wissen, Rezension von Martin Krumbholz, Frankfurter Rundschau, 5. November 2003.
  10. 200 Blätter für 200 Notizen, Rezension von Michael Opitz, Deutschlandradio Kultur, 19. Oktober 2006.
  11. 200 Texte. Jürgen Becker und seine Journalgeschichten von Joachim Büthe, Deutschlandfunk, 27. November 2006.
  12. Gedichte über die Stille, Rezension von Michael Opitz, Deutschlandradio Kultur, 18. Juli 2007.
  13. PDF (Memento vom 19. August 2006 im Internet Archive)

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Jürgen Becker am 26.11.2009 in Köln