Jüdischer Friedhof Bochum

Jüdischer Friedhof und Trauerhalle, 2021

Der Jüdische Friedhof Bochum befindet sich an der Wasserstraße im Stadtteil Wiemelhausen von Bochum als Teil des dortigen Kommunalfriedhofes. Dort befinden sich auch Grabsteine der drei früheren jüdischen Friedhöfe. Mit Grabmalen aus einem Zeitraum von zweieinhalb Jahrhunderten stellt er eine wichtige Quelle für die Geschichte des Bochumer Judentums dar.[1]

Vorgeschichte

Die zwei ältesten jüdischen Grabsteine in Bochum

Der erste jüdische Friedhof in Bochum lang vor dem Buddenbergtor.[2] Die erste urkundliche Erwähnung erfolgte 1722. Nachdem die Synagogengemeinde 1879 das Gelände verkauft hatte, wurden die Gebeine und Grabsteine auf den Neuen Friedhof überführt. An diesem Ort war bereits 1822 ein neuer jüdischer Friedhof entstanden, der bis 1884 belegt wurde. Ein zweiter jüdischer Friedhof wurde 1884 angelegt und bis 1918 benutzt. Die zwei Friedhöfen am Fuße des Lohberges wurden in der NS-Zeit verwüstet, es wird geschätzt das ein Drittel der Grabsteine zerstört wurden. Grabsteine von allen drei Friedhöfen finden sich heute auf dem Jüdischen Friedhof an der Wasserstraße.[3]

Geschichte

Grabfeld

Als der Platz auf dem vorherigen Friedhof sich langsam erschöpfte, beschloss die Stadt Bochum die zukünftige Begräbnisstätte in Wiemelhausen einzurichten. Die Erweiterung des Friedhofs war ohnehin schon geplant. Neben der Zusage eines Kaufrechtes in Falle einer Auflassung, wurde der jüdischen Gemeinde eine Leichenhalle und eine Brunnenanlage zugesagt. Die Gemeinde sollte sich zur Hälfte beteiligen. Die ersten Bestattungen auf dem neuen jüdischen Friedhof fanden am 18. Januar 1918 statt.[4]

Die Trauerhalle im Stil des Backsteinexpressionismus konnte erst 1928 gebaut werden. Der Bauherr war das Stadtbauamt Bochum, der Architekt Theodor Sohm. Die Einweihungsfeier fand am 28. Oktober 1928 statt.[5] Die Trauerhalle überstand die Pogromnacht 1938 und die NS-Zeit unbeschadet. Zur Erinnerung an den Bochumer Rabbiner Dr. Moritz David, von 1901 bis 1936 im Amt, wurde an der Halle im Jahr 1959 eine Tafel angebracht.[6]

Während in der NS-Zeit seit November 1938 jüdische Friedhöfe gezielt geschändet wurden, so auch in Bochum, traf es den Friedhof an der Wasserstraße weniger hart. Wahrscheinlich trug sein abgelegener und unauffälliger Standort dazu bei.[7] Auch durch den Einsatz von Bernhard Haltern, den Friedhofsverwalter von 1929 bis 1957, konnte der Friedhof geschützt werden. Obwohl er selber Mitglied der NSDAP war, nutzte er seine Position als „Hilfspolizeibeamter“ für städtische Grünanlagen und Friedhöfe, um den Friedhof vor einer Verwüstung zu schützen. Motivation war sein Gespür für Recht und Unrecht und die Achtung von der Würde aller Menschen, auch im Tode.[8] Während seines Kriegseinsatzes übernahm seine Ehefrau die Aufgabe weiter.

Grabsteine von jüdischen Opfern der NS-Zeit

52 Opfern der Zwangsarbeit im KZ-Außenkommando Brüllstraße des Bochumer Vereins, einem Rüstungsbetrieb, wurden hier beigesetzt. Die für sie errichteten Grabsteine (Feld V, 2 Reihen) wurden erst 1965 aufgestellt.[3] Weiterhin sind hier 2 Urnen von Opfern aus dem KZ Oranienburg und dem KZ Dachau bestattet.[9]

Grabstein der Familie Neuberg

Neben den meist aus der Fremde verschleppten Zwangsarbeitern finden sich auch Hinweise auf Bochumer Opfer der Shoah auf den Friedhof. So erinnert der Grabstein von Ella Neunberg-Lilienthal von 1923 nicht nur an sie, sondern auch an drei Mitglieder der Familie, die in KZs umkamen.

Die zwei alten Friedhof am Lohberg standen, wie auch andere Grabstätten des dort liegenden ehemaligen städtischen Friedhofs, dem Wiederaufbau im Weg. Durch den Neubau des Bochumer Hauptbahnhofs wurden neue Gleise auf Teilen der Fläche der Friedhöfe gelegt.[10] Im Jahre 1954 wurden Gräber, welche nicht in der NS-Zeit verwüstet waren, zu diesem Friedhof umgebettet.[9] Von den alten Grabsteinen des Buddenbergfriedhofs sind nur noch zwei Steine erhalten, die des Aaron Marcus, der 1766 starb, und der des Issachar Isaak, dessen Datumszeile fehlt. Von dem älteren jüdischen Friedhof am Lohberg sind noch 51 Grabsteine erhalten. Der älteste ist der des Salomon Herz, welcher am 25. Oktober 1832 starb. Auf dem neue jüdische Friedhof, der sich im kommunalen Besitz befand, wurde am 2. Juli 1884 Emilie Stern bestattet, ihr Grabstein ist noch erhalten.[11] Von dem jüngeren Friedhof überstanden 32 Grabsteine die Umsetztaktion nicht.[12]

Der historische Teil des Friedhofs wurde mit seinen Gräberfeldern, Brunnen und Trauerhalle 2001 als Baudenkmal unter der Nummer A 529 eingetragen.[13]

Neue Gräber von Juden aus den GUS-Staaten

Seit dem Jahr 1990 kam es in Deutschland zu einer großen Zuwanderung von Juden aus der ehemaligen UdSSR. Die Kultusgemeinde Bochum-Herne-Recklinghausen erfuhr in diesen Rahmen einen sehr großen Zuwachs. Diese neuen Gemeindemitglieder wurden auch auf dem Friedhof begraben. Waren im Jahr 1997 noch große Teile der Gräberfelder W und X nicht belegt,[14] sind sie nun komplett belegt. An vielen der Grabsteine kann man anhand des Namens, der teils kyrillischen Inschrift und anderer Details die Herkunft aus den ehemaligen GUS-Staaten der hier zur letzten Ruhe gebetteten Personen erkenne.

Neuer Friedhof

Da jüdische Gräber ein Ewigkeitsrecht haben, sie also nicht neu belegt werden,[15] war es absehbar war, dass kein Raum für weitere Bestattungen ist. 2011 wurde der jüdischen Gemeinde durch die Stadt Bochum ein Teil des im Osten des Geländes des Hauptfriedhofs zur Verfügung gestellt.[3][16] Die Fläche ist für einen symbolischen Euro überlassen worden.[17] Inzwischen finden dort die Bestattungen statt, eine neue Trauerhalle ist von der jüdischen Gemeinde eingerichtete worden.

Siehe auch

Literatur

  • Manfred Keller, Gisela Wilbertz - Evangelische Stadtakademie Bochum (Hrsg.): Spuren im Stein. Ein Bochumer Friedhof als Spiegel jüdischer Geschichte. Klartext, Essen 1997, ISBN 3-88474-522-0.
  • Ingrid Wölk: Ortsartikel Bochum, in: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Arnsberg, hg. von Frank Göttmann, Münster 2016, S. 197–226 Online-Fassung der Historischen Kommission für Westfalen.
  • Gisela Wilbertz: Jüdische Friedhöfe im heutigen Bochumer Stadtgebiet (Bochum, Wattenscheid, Stiepel). Hrsg.: Veröffentlichung des Stadtarchivs Bochum. Studienverlag Dr. N. Brockmeyer, Bochum 1988.
  • Beitrag zu den jüdischen Friedhöfen in Bochum in: Gisela Wilbertz: Stadtgeschichte über Gräbern. Historische Friedhöfe in Bochum. Hrsg.: Stadt Bochum, Presse- und Informationsamt. 3000. Auflage. Bochum Dezember 1991 (Scan der Broschüre [abgerufen am 17. Oktober 2022]).

Weblinks

Commons: Jüdischer Friedhof Wiemelhausen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Manfred Keller, Gisela Wilbertz - Evangelische Stadtakademie Bochum (Hrsg.): Spuren im Stein. Ein Bochumer Friedhof als Spiegel jüdischer Geschichte. Klartext, Essen 1997, ISBN 3-88474-522-0, S. 10.
  2. Ansicht des Friedhofs auf einem Modell von Bochum von 1800
  3. a b c Jüdische Friedhöfe in Westfalen
  4. Manfred Keller, Gisela Wilbertz - Evangelische Stadtakademie Bochum (Hrsg.): Spuren im Stein. Ein Bochumer Friedhof als Spiegel jüdischer Geschichte. Klartext, Essen 1997, ISBN 3-88474-522-0, S. 44–48.
  5. Manfred Keller, Gisela Wilbertz - Evangelische Stadtakademie Bochum (Hrsg.): Spuren im Stein. Ein Bochumer Friedhof als Spiegel jüdischer Geschichte. Klartext, Essen 1997, ISBN 3-88474-522-0, S. 48.
  6. Manfred Keller, Gisela Wilbertz - Evangelische Stadtakademie Bochum (Hrsg.): Spuren im Stein. Ein Bochumer Friedhof als Spiegel jüdischer Geschichte. Klartext, Essen 1997, ISBN 3-88474-522-0, S. 73.
  7. Manfred Keller, Gisela Wilbertz - Evangelische Stadtakademie Bochum (Hrsg.): Spuren im Stein. Ein Bochumer Friedhof als Spiegel jüdischer Geschichte. Klartext, Essen 1997, ISBN 3-88474-522-0, S. 49.
  8. Manfred Keller, Gisela Wilbertz - Evangelische Stadtakademie Bochum (Hrsg.): Spuren im Stein. Ein Bochumer Friedhof als Spiegel jüdischer Geschichte. Klartext, Essen 1997, ISBN 3-88474-522-0, S. 373–375.
  9. a b Gisela Wilbertz: Stadtgeschichte über Gräbern. Historische Friedhöfe in Bochum. Hrsg.: Stadt Bochum, Presse- und Informationsamt. 3000. Auflage. Broschüre im Eigenverlag, Bochum Dezember 1991, S. 20, 22 (Scan der Broschüre [abgerufen am 17. Oktober 2022]).
  10. Ansichten der Verlagerung der Gleise auf historischen Karten
  11. Manfred Keller, Gisela Wilbertz - Evangelische Stadtakademie Bochum (Hrsg.): Spuren im Stein. Ein Bochumer Friedhof als Spiegel jüdischer Geschichte. Klartext, Essen 1997, ISBN 3-88474-522-0, S. 44–47.
  12. Manfred Keller, Gisela Wilbertz - Evangelische Stadtakademie Bochum (Hrsg.): Spuren im Stein. Ein Bochumer Friedhof als Spiegel jüdischer Geschichte. Klartext, Essen 1997, ISBN 3-88474-522-0, S. 50.
  13. Denkmalliste der Stadt Bochum, Karteikarte: A 529. (PDF) In: geodatenportal.bochum.de. 22. Juni 2001, abgerufen am 8. Juni 2021.
  14. Manfred Keller, Gisela Wilbertz - Evangelische Stadtakademie Bochum (Hrsg.): Spuren im Stein. Ein Bochumer Friedhof als Spiegel jüdischer Geschichte. Klartext, Essen 1997, ISBN 3-88474-522-0, S. 54–55.
  15. Manfred Keller, Gisela Wilbertz - Evangelische Stadtakademie Bochum (Hrsg.): Spuren im Stein. Ein Bochumer Friedhof als Spiegel jüdischer Geschichte. Klartext, Essen 1997, ISBN 3-88474-522-0, S. 33.
  16. Karte des geplanten Jüdischen Friedhofs im Ratsinformationssystem der Stadt Bochum
  17. Neuer jüdischer Friedhof / Deborah Steffens: „Jüdisches Leben gehört zu Bochum“

Koordinaten: 51° 27′ 42,9″ N, 7° 13′ 28,7″ O

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Jüdischer Friedhof Wiemelhausen an der Wasserstraße in Bochum