Jüdischer Friedhof (Kleinbardorf)

Jüdischer Friedhof Kleinbardorf

Der jüdische Friedhof in Kleinbardorf, einem Ortsteil der Gemeinde Sulzfeld im Grabfeld im unterfränkischen Landkreis Rhön-Grabfeld, wurde 1574 angelegt.

Lage und Ausdehnung

Luftaufnahme des Friedhofs

Der jüdische Friedhof Kleinbardorf wurde 1574 auf dem damals so genannten „Steilen Berg“ oder „Wartberg“ südöstlich von Kleinbardorf angelegt. Der Wartberg ist heute in der Umgebung als „Judenhügel“ bekannt.

Der Friedhof hat eine Fläche von 21.050 Quadratmeter[1]. 1987 wurden etwa 4.400 Mazewot (Grabsteine) gezählt, 1933 waren es noch 20.000 Grabstätten. Der Friedhof ist nach dem jüdischen Friedhof München der zweitgrößte jüdische Friedhof in Bayern.[2]

Der Friedhof befindet sich innerhalb eines frühmittelalterlichen Ringwalls von etwa 1,5 Kilometern Länge.[3]

Geschichte

(c) Dietrich Krieger, CC BY-SA 3.0
Taharahaus
Steinerner Waschtisch im Taharahaus

In der Familienchronik der Freiherren von Bibra ist für 1574 festgehalten, dass Georg Christof von Bibra den örtlichen jüdischen Familien gegen einen jährlichen Zins die Nutzung des Geländes als Friedhof gestattet hat. Zusätzlich musste für jede Bestattung noch ein Entgelt entrichtet werden.[4]

1769 erwarb die jüdische Gemeinde Kleinbardorf den Friedhof und erweiterte ihn. Durch einen weiteren Grundstückskauf erreichte er 1843 seine heutige Größe.[4] 1938 wurde Jakob Fleischhacker als letzter jüdisch bestattet.[2]

Der Friedhof wurde 1925, mehrfach in der Zeit des Nationalsozialismus, 1957 und 1977 geschändet.[2] Dabei wurden zahlreiche Steine zerschlagen oder umgestürzt. Der Friedhof wurde immer wieder renoviert. Heute kümmert sich der Bürger, der auch das Taharahaus renoviert hat, ehrenamtlich um die Pflege der gesamten Anlage, die dadurch sehr gut erhalten ist. 1988 wurde der Bürger für seine Verdienste um den Friedhof mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.[5]

Neben den Juden in Kleinbardorf diente der Friedhof weiteren 27 benachbarten jüdischen Gemeinden als Bezirksfriedhof, unter anderem Bastheim, Eichenhausen, dem etwa 30 Kilometer entfernten Gleicherwiesen, Höchheim, Kleineibstadt, Bad Königshofen, Oberwaldbehrungen, Poppenlauer, Rödelmaier, Trappstadt, Unsleben, Maßbach und Oberlauringen[4][6]. Das Gräberverzeichnis von 1759 bis 1938 und Aufzeichnungen der Beerdigungen zwischen 1800 und 1938 sind erhalten geblieben.[6]

Taharahaus

Besonderheiten

(c) Dietrich Krieger, CC BY-SA 3.0
Ehrenmal für jüdische Gefallene

Frauengräber

Rechts des südwestlichen Eingangs befindet sich ein Bereich mit Frauengräbern, die während oder infolge einer Entbindung verstorben sind.[5]

Ehrenmal

Auf dem Friedhof steht ein Kriegerdenkmal für die jüdischen Gefallenen des Ersten Weltkriegs.

Keltenweg

Der etwa 200 Kilometer lange Keltenweg führt durch den Friedhof.

Ringwall

Ringwall an der Außenseite des Friedhofs

Der Friedhof liegt innerhalb eines etwa 1,5 Kilometer langen Ringwalls und wird im Südwesten von ihm begrenzt. Der Ringwall wurde nie im größeren Stil systematisch ergraben. Kleinere Grabungen, Vergleiche mit ähnlichen Befestigungen und Lesefunde zeigen jedoch, dass er mit großer Wahrscheinlichkeit ottonisch-karolingischen Ursprungs ist und im 9. Jahrhundert nach Christus errichtet wurde. Er ist an den meisten Stellen mit einem Vorgraben und teilweise mit einem Vorwall versehen. Die heute noch erhaltenen Reste sind an der Außenseite bis zu zehn Meter hoch, an der inneren Seite bis etwa fünf Meter. Der Vorgraben ist noch bis zu zwei Meter tief. Ob der Ringwall der Kontrolle des Fernhandelswegs Würzburg-Erfurt diente, und/oder eine Verteidigungsanlage während der Ungarneinfälle war, ist nicht bekannt.[3]

Jüdische Bevölkerung

Jüdische Bevölkerung im Altlandkreis Königshofen (Quelle: Schild von Naturpark Haßberge)
1810181318301839184818711880189019001910192519331935193719391940
Aub1
Aubstadt4
Obereßfeld1
Rothausen4
Saal an der Saale11
Höchheim100120991111249982785547252626
Kleinbardorf8576778387756058543511118
Kleineibstadt751049710193100114105725026712
Königshofen2224212538646881891011089481
Sulzdorf an der Lederhecke1471511341211036753383212
Trappstadt2253706960565660382615109
Waltershausen38343954461483
Gesamt4675625375645514754414293402721901481361127644

Literatur

  • Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. A 85. 1988, S. 75–76.
  • Baruch Z. Ophir, Falk Wiesemann: Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979, S. 336–337.
  • Reinhold Albert: Jüdische Friedhöfe im Landkreis Rhön-Grabfeld. (= Schriftenreihe der Kulturagentur des Landkreises Rhön-Grabfeld, Band 1). Bad Neustadt an der Saale 2015, ISBN 978-3-942112-17-8.
  • Reinhold Albert: Geschichte der Juden im Grabfeld. (= Schriftenreihe des Vereins für Heimatgeschichte im Grabfeld e.V., Band 2). 2. Auflage. Kleineibstadt 1996.

Weblinks

Commons: Jüdischer Friedhof (Kleinbardorf) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Informationstafel am Jüdischen Friedhof Kleinbardorf
  2. a b c Haus der Bayerischen Geschichte
  3. a b Stefan Gerlach: Vorzeit Spuren in Rhön-Grabfeld. In: Schriftenreihe des Vereins für Heimatgeschichte im Grabfeld e. V.
  4. a b c www.synagogenprojekt.de
  5. a b www.alemannia-judaica.de
  6. a b International Jewish Cemetery Project

Koordinaten: 50° 16′ 21″ N, 10° 24′ 42″ O

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Grabfeld 194 pano.jpg
(c) Dietrich Krieger, CC BY-SA 3.0
Im Taharahaus in jüdischen Friedhof Sulzfeld-Kleinbardorf, kurz vor einem Unwetter, Rhön-Grabfeld, Bayern
Grabfeld-116.jpg
(c) Dietrich Krieger, CC BY-SA 3.0
Ehrenmal für im 1. Weltkrieg gefallene jüdische Soldaten, Jüdischer Friedhof Sulzfeld-Kleinbardorf, Rhön-Grabfeld, Bayern, Deutschland.
Judenhügel Kleinbardorf 006.jpg
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Wallabschnitt mit Graben und Vorwall (rechts) des Ringwalls Judenhügel in Kleinbardorf, Aussenbereich des dortigen jüdischen friedhofs
Grabfeld 155.jpg
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Taharahaus im jüdischen Friedhof Kleinbardorf, Rhön-Grabfeld, Bayern, Deutschland
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photo from ballon of Jewish cemetery at Kleinbardord
Judenhügel Kleinbardorf 059.jpg
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Jüdischer Friedhof Sulzfeld-Kleinbardorf, Rhön-Grabfeld