Jüdische Gemeinde Schluchtern

Eine jüdische Gemeinde in Schluchtern, einem Ortsteil von Leingarten im Landkreis Heilbronn im nördlichen Baden-Württemberg, hat seit dem frühen 18. Jahrhundert bestanden. Die höchste Mitgliederzahl der jüdischen Gemeinde betrug um 1885 etwa 99 Personen.

Geschichte

Einzelne Juden in Schluchtern wurden erstmals nach dem Dreißigjährigen Krieg erwähnt, eine aus mehreren Familien bestehende Gemeinde bildete sich dann im Lauf des 18. Jahrhunderts. Eine Synagoge wurde um 1800 im Nebengebäude eines Wohnhauses eingerichtet, auch gab es verschiedene Frauenbäder für rituelle Waschungen. Die zumeist armen Juden lebten im Bereich der Entengasse. 1845 wurde ein neues Frauenbad, 1882 der jüdische Friedhof Schluchtern errichtet, zuvor hatten die Schluchterner Juden ihre Toten auf dem jüdischen Friedhof Heinsheim und dem Jüdischen Friedhof Waibstadt bestattet. Die Gemeinde wuchs bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts allmählich an, nahm dann aber durch Ab- und Auswanderung stark ab.

Nationalsozialistische Verfolgung

In der Zeit des Nationalsozialismus entzogen sich vor allem jüngere jüdische Bürger durch Auswanderung weiteren Verfolgungen. Die verbliebenen zwölf Juden wurden im Zuge der Wagner-Bürckel-Aktion am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert, wo eine Frau starb. Die anderen wurden 1942 nach Auschwitz verschleppt und fanden dort sehr wahrscheinlich ausnahmslos den Tod. Alfred Abraham Kirchhausen, Kriegsversehrter und Träger des Eisernen Kreuzes I. Klasse und bis 1939 Inhaber der Schluchterner Zigarrenfabrik mit zwanzig Beschäftigten, wurde von Darmstadt aus nach Theresienstadt deportiert. Er überlebte und kehrte 1945 nach Schluchtern zurück, wo er 1949 starb und auf dem Jüdischen Friedhof begraben wurde. Von den Ausgewanderten kam nur David Kirchhausen 1956 wieder nach Schluchtern zurück.[1] Er starb 1969 und wurde ebenfalls auf dem Jüdischen Friedhof bestattet.

Das Gedenkbuch des Bundesarchivs verzeichnet 55 in Schluchtern geborene jüdische Bürger, die dem Völkermord des nationalsozialistischen Regimes zum Opfer fielen.[2]

Bürgerliche Namen

Als alle Juden in Baden 1809 erbliche Familiennamen annehmen mussten, nahmen die zwölf Familienvorstände der Schluchterner Juden folgende Namen an: Edesheimer (2), Kirchhauser bzw. Kirchhausen (2), Sontheimer (2), Armhold (1), Essinger (1), Gunzenhausen (1), Massenbach (1), Rittberger (1) und Wertheimer (1).

Persönlichkeiten

Löb Friedberg (er starb nach 1815 in Schluchtern). Er wurde 1797 von dem kurpfälzischen Landesrabbiner Naftali Hirsch Moses Katzenellenbogen 1797 als Unterrabbiner für das Amt Fischbach in Schluchtern eingesetzt. Nachdem Schluchtern an das Fürstentum Leiningen gekommen war, war er neben der jüdischen Gemeinde Schluchtern ab 1804 auch zuständig für die jüdischen Gemeinden in Richen, Sinsheim und Steinsfurt. 1806 fiel das Fürstentum Leiningen an Baden, und Löb Friedberg wurde nun auch zuständig für weitere jüdische Gemeinden: Eppingen, Stebbach und weitere Gemeinden in der Umgebung.

Löb Friedberg war verheiratet mit Zirle Delom (1772–1833). Sie zog nach dem Tod ihres Mannes nach Mosbach zu ihrem Sohn Isak Friedberg († 1870 in Bruchsal), der dort von 1830 bis 1855 Bezirksrabbiner war.

Gemeindeentwicklung

JahrGemeindemitglieder
17433 Familien
177511 Personen
180142 Personen
180912 Familien
185886 Personen
188599 Personen
190074 Personen
192531 Personen
193328 Personen

Literatur

  • Norbert Geiss: Geschichte der Juden in Schluchtern. Ein Gedenkbuch für die Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung. Evangelisches Pfarramt Schluchtern, Leingarten 2010, ISBN 978-3-9812485-8-6.
  • Wolfram Angerbauer, Hans Georg Frank: Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn. Geschichte, Schicksale, Dokumente. Landkreis Heilbronn, Heilbronn 1986 (Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn. Band 1), S. 205–209.
  • Carsten Wilke: Biographisches Handbuch der Rabbiner. Teil 1, Die Rabbiner der Emanzipationszeit in den deutschen, böhmischen und großpolnischen Ländern 1781–1871. Band 1. Saur, München 2002, ISBN 3-598-24871-7.
  • Joachim Hahn und Jürgen Krüger: Synagogen in Baden-Württemberg. Band 2: Joachim Hahn: Orte und Einrichtungen. Theiss, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-8062-1843-5, S. 293–295 (Gedenkbuch der Synagogen in Deutschland. Band 4).

Einzelnachweise

  1. Angerbauer/Frank, S. 209
  2. Gedenkbuch - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 - 1945. Abgerufen am 29. Oktober 2009.

Auf dieser Seite verwendete Medien

Star of David.svg
Der Davidstern, Symbol des jüdischen Glaubens und jüdischen Volkes.