Islamische Ethik

Als islamische Ethik lassen sich unterschiedliche Konzeptionen bezeichnen, die in Geschichte und Gegenwart durch islamisch geprägte religiöse Lehrer, Juristen und Philosophen vertreten wurden. Sie gehen mehr oder weniger vom Koran, den Hadithen und anderen Traditionen aus.

Quellen von Recht und ethischen Normen nach klassischem Verständnis

Der Koran ist die erste und unstrittige Quelle islamischer Gebote. Daneben werden in fast allen Richtungen des Islam Überlieferungen der Worte (Hadithe) und Handlungen (Sira) Mohammeds als Quelle göttlicher Gebote anerkannt, da dieser als der Gesandte Gottes (Rasul Allah) gilt. Wo diese Quellen nicht ausreichen, wird auf Analogieschluss (Qiyas) und traditionellen Konsens (Idschma') zurückgegriffen. Über den Idschma' wurde eine Vielzahl zur Zeit Mohammeds verbreiteter Bräuche Teil der islamischen Normen. Dabei spielt wohl die Annahme eine Rolle, dass Bräuche, die Mohammed als Gesandter Allahs konkludent billigte, den göttlichen Geboten entsprechen. Religiöse und sittliche Normen sind im klassischen Islam Teil der Scharia, also des islamischen Rechts. Bei dessen Auslegung durch die islamische Rechtswissenschaft Fiqh wird aber oftmals ein Interpretationsspielraum eingeräumt. Vor allem in der Adab-Literatur wurden über die Scharia hinausgehende Regeln richtigen Verhaltens weitergegeben.

Grundsätzlich basieren nach klassischem Verständnis die Handlungsnormen ihrer Geltung und ihrem materiellen Gehalt nach direkt auf den Geboten Allahs. Menschliche Vernunft kann demnach keine eigenen Normen des Handelns setzen, sondern nur versuchen, die geoffenbarten Normen zu erkennen und anzuwenden. Peter Antes führt dieses traditionelle Verständnis folgendermaßen aus: „Gut und Böse sind (folglich) keine Wesensmerkmale, die "in se" Verhaltensweisen eigen sind; sie entstammen einzig und allein Kategorien positiver Setzung, denn Gott "tut, was er will" (Koran 11,107). Daher ist die menschliche Vernunft von sich aus nicht fähig, die Qualifizierung "gut – böse" treffsicher zu erkennen und eigenständig vorzunehmen… Gut ist demnach stets das, was Gott befiehlt, und schlecht/böse das, was er verbietet.“[1] So verstanden, erscheint die klassische islamische Ethik als eine Variante sogenannter Divine Command Theorien.

Viele muslimische Theologen sehen die Goldene RegelWas du willst, das man dir tut, das tue auch den anderen!“ in einigen Suren des Koran sowie in der Hadith impliziert. Auch die Muslime haben der Goldenen Regel (vgl. Mt 7,12 : Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen!") als „unverrückbare, unbedingte Norm für alle Lebensbereiche“ in der „Deklaration des Weltparlaments der Religionen – Die Weltethos-Erklärung“ 1993 zugestimmt.[2]

Ethische Auffassungen in der islamisch geprägten Philosophie

Manchmal wird das arabische Wort akhlāq mit "islamischer Ethik" übersetzt. Es bezeichnet aber eher die Lehre von den Charaktereigenschaften des Menschen.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Antes, l.c.
  2. Deklaration des Parlaments der Weltreligionen - Die Weltethos-Erklärung und ihre Unterzeichner. (PDF in Arabisch, Bahasa Malaysia, Bulgarisch, Chinesisch, Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Katalanisch, Kroatisch, Niederländisch, Portugiesisch, Russisch, Slowenisch, Spanisch, Türkisch) Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 30. September 2013; abgerufen am 17. August 2013.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.weltethos.org

Literatur

  • Ch. E. Butterworth (Hg.): The Political Aspects of Islamic Philosophy: Essays in Honor of Muhsin S. Mahdi, Cambridge, Mass. 1992.
  • Peter Antes: Ethik in nichtchristlichen Kulturen. W.Kohlhammer Verlag, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1984.
  • A. A. An-Na'im: Toward an Islamic Reformation: Civil Liberties, Human Rights, and International Law. New York, Syracuse University Press 1990.
  • M. Fakhry: Ethical Theories in Islam, Leiden: Brill, 2. A. 1994.
  • D. H. Frank: Ethics, in: S. H. Nasr / O. Leaman (Hgg.): History of Islamic Philosophy, 959-968.
  • Lenn Evan Goodman: Islamic Humanism, University Press 2003, ISBN 0-19-513580-6.
  • Michael A. Cook: Commanding Right and Forbidding Wrong in Islamic Thought, Cambridge: Cambridge University Press 2001.
  • Azim Nanji: Islamic Ethics (PDF; 56 kB), in: Peter Singer (Hg.): A Companion to Ethics, Oxford: Blackwell 1991, 106-118.
  • Karl Prenner: Islamische Kultur, in: Anton Grabner-Haider (Hg.): Ethos der Weltkulturen, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, S. 277–318.
  • Seyyed Hossein Nasr: Ideals and Realities of Islam, in: History of Islamic Philosophy, New York: Routledge, 2001.
  • Daud Rahbar: God of justice, a study in the ethical doctrine of Qur´an. Brill, Leiden 1960.
  • Majid Khadduri: The Islamic Conception of Justice, Baltimore, MD: Johns Hopkins University Press 1984.
  • D. M. Donaldson: Studies in Muslim Ethics, London: SPCK 1953.
  • Heiner Bielefeldt: Muslim Voices in the Human Rights Debate, in: Human Rights Quarterly 17/4 (1995), 587-617.
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  • Hans Daiber: Political Philosophy, in: S. H. Nasr / O. Leaman (Hgg.): History of Islamic Philosophy, 841-85.
  • Oliver Leaman: Christian Ethics in the Light of Muslim Ethics, in C. Rodd (Hg.): New Occasions Teach New Duties?, Edinburgh: T. & T. Clark 1995, 219-31.
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  • Amyn B. Sajoo: Muslim Ethics, Emerging Vistas, I. B. Tauris 2004, ISBN 1-84511-716-6.