Islamfaschismus

Islamfaschismus, Islamofaschismus oder islamischer Faschismus beschreibt eine islamische Form des Faschismus. Verwender dieses Begriffs bezeichnen unter anderem Al-Qaida, Boko Haram, Al-Shabaab, IS, die Taliban, die Muslimbruderschaft, Hamas und Hisbollah als islamfaschistische Organisationen. Kritiker des Begriffs sehen in der Verbindung von Islam und Faschismus ein beleidigendes und falsches politisches Schlagwort.

(c) Bundesarchiv, Bild 146-1978-070-04A / Mielke / CC-BY-SA 3.0
Großmufti von Jerusalem Al-Husseini beim Abschreiten einer bosnischen SS-Division (1943)

Ursprung des Begriffes

Der Neologismus aus den Substantiven Islam und Faschismus ist ein Determinativkompositum. „Islam-“, „Islamo-“ oder „islamisch“ beschreibt demnach das Substantiv „Faschismus“. Die Begriffe sind in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgekommen.

Die These vom Erstarken eines „Islamfaschismus“ hat insbesondere nach dem 11. September 2001 Verbreitung gefunden, während der Begriff Islamfaschismus bereits im März 1979 während der islamischen Revolution im Iran von Chomeini-Gegnern verwendet wurde.[1] Andere Autoren, wie z. B. der Journalist und Kolumnist William Safire schrieb die erstmalige Benutzung des Begriffes dem britischen Nahostexperten Malise Ruthven zu.[2] Unter dem Titel „Die Deutung des Islam als Sprache“ schrieb dieser am 8. September 1990 in der britischen Tageszeitung The Independent: „[…] Auch existiert das Phänomen eines politischen Problems, was die Welt des Islam betrifft. Im Gegensatz zu den Erben anderer nicht-westlicher Traditionen, wie zum Beispiel Hinduismus, Shintoismus oder Buddhismus, scheinen muslimische Gesellschaften große Mühe zu haben, Meinungsverschiedenheiten auf politische Weise zu institutionalisieren: eine autoritäre Regierungsform, wenn nicht gar ein Islamfaschismus, ist eher die Regel als die Ausnahme von Marokko bis nach Pakistan“.[3]

Definition und Verwendung des Begriffes

Der Begriff soll die Tendenz innerhalb islamistischer Gruppen benennen, die entweder offen mit faschistischen Ideen sympathisieren oder, ohne Bezug darauf, nach einem Muster agieren, das dem europäischen Faschismus äquivalent erscheine.

Befürworter des Begriffs sehen weitere Merkmale faschistischer Ideologie[4] erfüllt, wie etwa die dem Führerkult ähnliche Idolisierung einiger islamischer Führer, eine Märtyrerideologie, die das Individuum der Gemeinschaft opfert, sowie die Notwendigkeit eines „Volksschädlings“ zu propagandistischen Zwecken, den im Falle Al-Qaidas und anderer Dschihadisten stets Israel, die USA und das schon von den Nazis als Kampfbegriff benutzte „Weltjudentum“ darstellten. Verschiedene Autoren weisen auch auf die historisch nachgewiesene direkte Zusammenarbeit zwischen dem NS-Regime des Dritten Reiches und verschiedenen muslimischen Organisationen und Persönlichkeiten des Vorderen Orients hin, wie zum Beispiel Mohammed Amin al-Husseini, dem 1974 verstorbenen ehemaligen Großmufti der Stadt Jerusalem.[5] Als weitere Elemente werden, u. a. von Alan Posener, Rassismus und Antisemitismus genannt.

Verwendet wird der Begriff unter anderem von einigen Intellektuellen, z. B. in iranischen Weblogs zur Bezeichnung von totalitären Regimes. Auch der verstorbene Publizist Christopher Hitchens, der atheistische und religionskritische Positionen vertrat, bezeichnete islamischen Fundamentalismus gerne als „Faschismus“[6] und wird oft als der eigentliche Erfinder des Begriffes „Islamfaschismus“ genannt. In einer Art „Verteidigungsrede“ für seine Verwendung des Begriffs hob Hitchens in einem Artikel vom 22. Oktober 2007 für das US-amerikanische Magazin Slate die Gemeinsamkeiten faschistischer und salafistischer Ideologien hervor:[7]

„[…] Die beiden augenscheinlichsten Vergleichspunkte wären die folgenden: Beide Ideologien basieren auf einem Kult mörderischer Gewalt, der Tod und Zerstörung verherrlicht und Geistesleben verachtet – ‚Tod dem Intellekt! Lang lebe der Tod!‘, wie es General Francisco Francos Kumpan Gonzalo Queipo de Llano so kernig ausgedrückt hatte. Beide [Ideologien] stehen der Moderne feindlich gegenüber – außer, wenn es sich um die Entwicklung von Waffen handelt – und beide sind hoffnungslos nostalgisch in Bezug auf vergangene Imperien und damit verbundenen verschüttgegangenen Ruhm und Glanz. Beide [Ideologien] sind besessen von realen und imaginären [erlittenen] ‚Erniedrigungen‘ und [als Konsequenz] rachsüchtig. Beide [Ideologien] sind chronisch infiziert mit dem Gift antisemitischer Paranoia – interessanterweise auch mit deren weniger stark ausgeprägten Kusine, nämlich der Anti-Freimaurer-Paranoia. Beide [Ideologien] neigen zu Führerkult und Führeranbetung und der Hervorhebung eines einzig wahren Buches. Beide [Ideologien] haben sich der sexuellen Unterdrückung verschrieben – insbesondere der Unterdrückung jeglicher sexueller ‚Abweichung‘ – und, in Bezug auf ihr Gegenüber, der Unterwerfung der Frau und der Verachtung alles Weiblichen. Beide [Ideologien] verabscheuen Kunst und Literatur und betrachten diese als Symptome von Entartung und Dekadenz. Beide [Ideologien] verbrennen Bücher und zerstören Museen und Kunstschätze. […]“

Der Islamwissenschaftler Bassam Tibi nennt den Islamfaschismus eine weitere totalitäre Ideologie, die sich nun ausbreitet, nachdem die Welt den Faschismus und Stalinismus überwunden hat.

Die Frauenrechtlerin Ayaan Hirsi Ali bezeichnete im Jahre 2007 während eines Interviews mit der britischen Zeitung London Evening Standard den Islam als „den neuen Faschismus“ und „eine destruktive, nihilistische Sekte des Todes“.[8] In einem weiteren Interview im selben Jahr mit dem Independent begründete sie ihre Thesen mit der Kernbotschaft des Islams, die von einem Muslim die gleiche bedingungslose Unterwerfung und Aufopferung bis hin zum eigenen Tod einfordere, wie sie beispielsweise von Mohammed Atta, einem der Attentäter des 11. Septembers, der Welt vor Augen geführt worden war. Darüber hinaus sehe sie keinen Unterschied zwischen Islam und Islamismus, da der Prophet Mohammeds selbst zur gewaltsamen Eroberung anderer Länder im Namen des Islam und zum Töten Andersgläubiger und Homosexueller aufgerufen hätte.[9]

Der deutsch-ägyptische Politologe und prominente Islamkritiker Hamed Abdel-Samad unterstreicht die weltanschaulichen Gemeinsamkeiten faschistischer Parteien und Bewegungen in Europa und bestimmter islamischer Organisationen in Vorderasien und Nordafrika zu Beginn des 20. Jahrhunderts.[10] Abdel-Samad weist aber ähnlich wie Ayaan Hirsi Ali auf faschistische Elemente im sogenannten „Ur-Islam“ hin, insbesondere das bedingungslose Unterwerfungsprinzip im Islam,[11] verschiedene judenfeindliche Passagen im Koran und die ethnischen Säuberungen, die unter der Führung Mohammeds von seinen Anhängern auf der Arabischen Halbinsel im 7. Jahrhundert vollzogen wurden.[12]

Es ist unklar, ob alle Vertreter des Begriffs das gleiche unter dem Begriff Islamfaschismus verstehen: Josef Joffe benutzte anlässlich der Attentate in Madrid vom 11. März 2004 in der Zeit den Ausdruck Islamo-Faschismus als Beschreibung der Ideologie islamistischer Attentäter, allerdings ohne ihn genauer zu definieren.[13] Der Journalist Hannes Stein kommentierte für Die Welt: „Der islamische Fundamentalismus […] hatte europäische Lehrmeister. Er wurzelt nicht nur im Koran, sondern auch in der deutschen Volkstumsideologie.“[14]

Der Begriff Islamfaschismus wurde am 7. August 2006 auch von George W. Bush im Hinblick auf Hisbollah und die sie seiner Meinung nach unterstützenden Länder im Libanonkrieg 2006 bei einer Pressekonferenz in Crawford verwendet: „Sie versuchen ihre Botschaft des Dschihad zu verbreiten. Eine Botschaft, die ich als totalitär bezeichne – Islamischer Radikalismus, islamischer Faschismus. Sie versuchen diese zu verbreiten, indem sie diejenigen attackieren, welche die Freiheit lieben.“[15]

Diskussion des Begriffes

Einen Überblick zur Debatte bis 2005 bieten die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags.[16] Die Islamwissenschaftlerin Sonja Hegasy und der Historiker René Wildangel bezeichnen, unter anderem in einem Artikel für die Süddeutsche Zeitung, den Begriff des Islamfaschismus als historisch nicht korrekt sowie als „die bisher letzte Wortkreation im Wettrüsten der Antagonismen“, die dazu diene, „eine ganze Religion zu diffamieren“ und unterschwellig einen gesellschaftlichen Konsens zu schaffen, der die Verantwortung für aktuelle Entwicklungen den Muslimen bzw. dem Islam an sich zuordnet. Trotz Armut und Demütigung „à la Versailles“ seien muslimische Gesellschaften nicht in den Faschismus abgeglitten. Der den faschistischen Ideologien häufig innewohnende Antisemitismus sei ein Import aus dem Europa des 19. Jahrhunderts. Als Beispiel führen sie die Protokolle der Weisen von Zion an, eine antisemitische Fälschung, die bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts von arabischen Christen ins Arabische übersetzt worden sei, damals aber keine öffentliche Aufmerksamkeit erlangt habe. Die „Protokolle“ seien erst weit verbreitet worden, als in den Jahren nach 1948 (Staatsgründung Israels) der Palästinakonflikt eskalierte. Zudem finde die jahrhundertelange Judenfeindschaft in Europa in islamischen Ländern kein vergleichbares Gegenstück, obwohl es im Koran, ähnlich wie im Neuen Testament, antijudaistische Textstellen gebe.

Bezüglich des Islamismus behaupten sie, dass der für faschistische Systeme charakteristische Nationalismus nicht geteilt worden sei, dass der Nationalsozialismus bereits früh von führenden Mitgliedern der 1928 gegründeten Moslembruderschaft, einer islamistischen Gruppe, verurteilt worden sei und dass der antiwestliche, konservative Kurs solcher Gruppierungen mit einer „ausdrücklich anti-imperialistischen Haltung verbunden“ gewesen sei. Sie zitieren dazu Muhammad al-Ghazālī, den sie als führendes Mitglied der Moslembruderschaft und „moderat-islamistischen Vordenker“ beschreiben, der mit Bezug auf das faschistische Italien unter Mussolini und das nationalsozialistische Hitler-Deutschland von einem „blinden, chauvinistischen Nationalismus“ gesprochen habe, der die „Teilung der Menschen in unverträgliche Rassen“ bewirkt habe.

Hegasy und Wildangel relativieren auch die Bedeutung der Kollaboration des Jerusalemer Großmuftis und SS-Mitglieds Mohammed Amin al-Husseini mit den Nazis: Al-Husseini habe in seinem Berliner Exil nicht für die gesamte muslimische Welt gesprochen, trotz gegenteiliger Behauptungen der NS-Propaganda. Zudem sei die Tatsache, dass es neben Husseinis Kollaboration auch öffentliche Kritik am Nationalsozialismus gegeben habe, weitgehend unbekannt. „In Ägypten und anderen Ländern, darunter Palästina, Syrien und dem Libanon, sei besonders im intellektuellen Milieu scharfe Kritik am Nationalsozialismus – und an der Judenverfolgung in Deutschland – geäußert worden.“ Auch die Weigerung des damaligen marokkanischen Sultans, Mohammed V., dem Drängen des Vichy-Regimes nach Deportation der jüdischen Bürger nachzugeben, sei „in der Erinnerung nicht präsent.“ Unter anderem diese Punkte würden, Hegasy und Wildangel zufolge, bei der Konstruktion eines historischen Islamfaschismus ausgeblendet, da sie nicht ins Bild passen würden.

Hitler befahl am 11. Juni 1941 in Weisung 32: „Vorbereitungen für die Zeit nach Barbarossa“ ausdrücklich eine Ausnutzung der arabischen Freiheitsbewegung für die deutschen Kriegsziele im Nahen Osten.[17] Seine regionalen Generäle Hellmuth Felmy und Walter Warlimont lieferten sich 1955 nach ihrer vorzeitigen Befreiung aus dem Kriegsverbrechergefängnis Landsberg einen Insider-Streit darüber, woran ihre Umsetzung von Hitlers Direktive gescheitert sei; insbesondere der ideologische Faktor, also der Islam, sei umstritten gewesen; auch Putschist Grobba beteiligte sich an der Debatte.[18] Gerhard Höpp hat die weitgefassten Ideen aller Beteiligten dazu, also von NS-Ämtern, von NS-Wissenschaftlern jeglicher denkbaren Fachrichtungen und der arabischen Islamfaschisten detailliert aus den Quellen dargestellt.[19]

„Die nationalsozialistische Bewegung Grossdeutschlands hat seit ihrer Entstehung den Kampf gegen das Weltjudentum auf ihre Fahne geschrieben. Sie hat deshalb schon immer mit besonderer Sympathie den Kampf der freiheitsliebenden Araber, vor allem in Palästina gegen die jüdischen Eindringlinge, verfolgt. Die Erkenntnis dieses Feindes und der gemeinsame Kampf gegen ihn bilden die feste Grundlage des natürlichen Bündnisses zwischen dem nationalsozialistischen Grossdeutschland und den freiheitsliebenden Mohammedanern der ganzen Welt. In diesem Sinne übermittle ich Ihnen am Jahrestag der unseligen Balfour-Deklaration meine herzlichsten Grüße und Wünsche für die glückliche Durchführung Ihres Kampfes bis zum sicheren Endsieg.“

Diejenigen, die – wie der Verfasser des in mehrere Sprachen übersetzten Buches Djihad und Judenhass, Matthias Küntzel – die These vertreten, dass der Antisemitismus in der islamischen Welt eher eine Ursache als eine Folge des Nahostkonflikts ist, schaffen laut Hegasy und Wildangel ein ‚Konstrukt, dessen Durchschlagskraft nicht unterschätzt werden sollte‘.“[20] Allerdings kritisierte auch Küntzel den Begriff „Islamo-Faschismus“, wobei er gleichzeitig auf ideologische Gemeinsamkeiten zwischen Islamismus und Nationalsozialismus hinwies, die er hauptsächlich in der zentralen Rolle sah, die der Antisemitismus in beiden Bewegungen spielte.[21]

Das ebenfalls historisch ausgerichtete Werk von Jeffrey Herf Nazi Propaganda for the Arab world von 2009 geht wie folgt auf eine arabische Faschismusrezeption ein: Bei der Muslimbruderschaft habe es während des Krieges und danach eine gemeinsame Grundlage für NS, Faschismus und Islam gegeben, was sich besonders an den gemeinsamen Radiosendungen von Exil-Islamisten und Nazis von Berlin aus gezeigt habe, bei den Sendern „Voice of Free Arabism“ und „Berlin in Arabic“. Ihre Zeitschrift Al Ikhwan Al Muslimin aber im Februar 1948 den programmatischen Artikel „Die Juden und der Kommunismus“ gebracht, der die Nazithese vom jüdischen Bolschewismus verbreitet habe. Die Niederlage der Nationalsozialisten von 1945 sei schlicht nicht zur Kenntnis genommen worden. Einen zweiten Grund, historisch vom Fortleben nazistischer Ideen in Ägypten zu sprechen, sieht Herf in der Beschäftigung des NS-Propagandisten Johann von Leers in Kairoer staatlichen Einrichtungen („Information Departement“) in den 50er Jahren durch eine gezielte Entscheidung Gamal Abdel Nassers. Nassers Sicht auf die Juden, die seiner offiziellen Publikationen und die in einigen anderen arabischen Ländern hätten sich nicht von der der Nationalsozialisten unterschieden: Er wollte Ansichten und Denkweisen über Israel und die Juden fördern, deren Wurzeln in der NS-Ideologie und -Propaganda lagen.[22]

Die deutsche Orientalistik der Zeit bemühte sich um eine weitgehende Synthese von Islam und Nationalsozialismus, was in der Produktion von Schriften gipfelte, die Hitler teils als Vorläufer (Ritter, Knecht, „knight“) im Sinne der islamischen Eschatologie, teils als „Licht des Propheten“ (also Mohammeds) hinstellten.[23] In den für Arabien bestimmten Sendungen und Flugschriften, welche vom Mufti oder von Raschid Ali al-Gailani redigiert wurden, weist das Kommen Hitlers auf den bald erwarteten Propheten hin; wie weit man bei solchen theologischen Aussagen gehen kann, beschäftigte monatelang Auswärtiges Amt, Propagandaministerium, RSHA und geneigte Orientalisten. Solche Protagonisten, die altersbedingt bis weit in die Nachkriegszeit die Lehrstühle für Orientalistik, Religionswissenschaft u. ä. besetzten, und dadurch die Richtung solcher Wissenschaften wie die Wahrnehmung von Islam und Orient noch jahrzehntelang prägten, sind z. B. Otto Rössler und Sigrid Hunke.

Der Historiker Moshe Zuckermann bezeichnet den Begriff Islamfaschismus als „hanebüchene[n] Ausdruck“ und als „inhaltsleeres Gerede“. „Der islamistische Fundamentalismus hat mit Faschismus, betrachtet man die Analysen des Faschismus, die in den 60er Jahren geleistet wurden, gar nichts zu tun. Wenn wir unter Faschismus verstehen, was sich in einer bestimmten Epoche in Italien, Ungarn, Spanien, später dann als Nationalsozialismus in Deutschland in einer radikalisierten Sonderform formierte, so stellt dies etwas ganz anderes als die Bewegungen des radikalisierten Islam dar. Der Islam ist von ganz anderen Momenten angetrieben und hat ganz andere Zielsetzungen. Das hat nichts miteinander zu tun. Man muss schon den Begriff des Faschismus inhaltlich entleeren, um oberflächliche Ähnlichkeiten ausmachen zu können.“

Er weist darauf hin, dass der Faschismus „tendenziell nicht- oder auch antireligiös“ war, während der islamische Fundamentalismus theokratisch ausgerichtet sei. Das Primat des Staates spiele beim islamischen Fundamentalismus im Vergleich zum Faschismus „eher eine untergeordnete Rolle“. Auch fehle hier der im Nationalsozialismus vorhandene „monolithische Volksgenosse“, und die Vorstellung von Gemeinschaft (Umma) sei im Islam ganz anders als das, was im Begriff der „Volksgemeinschaft“ anklinge. Von daher glaubt Zuckermann, dass der Begriff „Islamofaschismus“ eher polemisch als analytisch gebraucht wird.[24]

Der Nahosthistoriker Wolfgang G. Schwanitz widersprach im Webportal explizit.net der Aussage des Autors Hamed Abdel-Samad, der heutige Islamismus wäre „islamischer Faschismus“. Diese Fehlanalyse des Islamismus als Mischideologie mit totalitären Strängen sei ahistorisch. Überdies sei der Begriff „islamischer Faschismus“ viel zu römisch vordeterminiert und untauglich für islamische Länder, wo sich nicht wenige Menschen kaum durch westliche Konzepte von Staat, Nation und Bürgerschaft, sondern eher durch ihre Religionen, Stämme und die relative Einheit von staatlicher Macht und Moschee definieren. Zudem sei der abzulehnende Begriff „Islamfaschismus“ keine Selbstbezeichnung von Islamisten. Schließlich nehme dieser Terminus weitere totalitäre Bewegungen wie den Nationalsozialismus und den Kommunismus aus dem Gesamtbild, die im 20. Jahrhundert Nah- und Mittelost wesentlich stärker als der italienische Faschismus von 1919 bis 1945 geprägt haben.[25]

Vertreter des Begriffes

Literatur

  • Thomas Schmidinger: Zur Islamisierung des Antisemitismus (PDF) in: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hrsg.): Jahrbuch 2008, Wien u. a. 2008, S. 103–139.
  • Hamed Abdel-Samad: Der islamische Faschismus: Eine Analyse. Droemer, München 2014, ISBN 978-3-426-27627-3.
  • Wolfgang G. Schwanitz: Islam in Europa, Revolten in Mittelost. Islamismus und Genozid von Wilhelm II. und Enver Pascha über Hitler und al-Husaini bis Arafat, Usama Bin Ladin und Ahmadinejad sowie Gespräche mit Bernard Lewis. Trafo-Wissenschaftsverlag Weist, Berlin 2013, 2014, 2. Aufl., ISBN 978-3-86464-018-6
    • dsb. Hrsg.: Germany and the Middle East 1871–1945. Markus Wiener, Princeton 2004, ISBN 1-55876-298-1 & ISBN 1-55876-299-X, S. 16f.
  • Jasmin Waibl-Stockner: „Die Juden sind unser Unglück!“ Antisemitische Verschwörungstheorien und ihre Verankerung in Politik und Gesellschaft. Lit, Münster 2009, ISBN 978-3-643-50019-9 (= Politikwissenschaft, Band 157, zugleich bearbeitete Dissertation an der Universität Innsbruck vom 2007)
  • Matthias Küntzel: Djihad und Judenhaß. Ça ira Verlag, Freiburg 2002
    • dsb.: Von Zeesen bis Beirut. Der Nationalsozialismus und der Antisemitismus in der arabischen Welt. In: Doron Rabinovici, Ulrich Speck, Nathan Sznaider (Hrsg.): Neuer Antisemitismus? Eine globale Debatte. Frankfurt 2005.
  • David Motadel: Für Prophet und Führer. Die islamische Welt und das Dritte Reich. Klett-Cotta, Stuttgart 2017, ISBN 978-3-608-98105-6.
  • Extreme Rechte und Islam. Schwerpunktheft Der Rechte Rand, Nr. 107, 2007
  • Bernhard Schmid: Der Krieg und die Kritiker. Die Realität im Nahen Osten als Projektionsfläche für Antideutsche, Antiimperialisten, Antisemiten und andere. Unrast, Münster 2006, ISBN 978-3-89771-029-0
  • Malte Gebert, Carmen Matussek: „…selbst wenn sie unser Land verlassen würden.“ Die Adaption der Protokolle der Weisen von Zion in der arabischen Welt. In: Jahrbuch für Antisemitismusforschung, 18. Metropol, Berlin 2009, ISBN 978-3-940938-53-4, S. 67–88
  • Klaus Holz: Aus trüber Quelle. Rechtsradikale Ideologen und islamistische Antisemiten planen in Teheran eine gemeinsame Konferenz. Das wundert nicht. Ihr Judenhass hat einen gemeinsamen Ursprung In: Die Zeit, Nr. 6/2006
  • Dirk Ansorge (Hrsg.): Antisemitismus in Europa und in der arabischen Welt. Ursachen und Wechselbeziehungen eines komplexen Phänomens. Bonifatius, Paderborn 2006, ISBN 3-89710-363-X
  • Willi Winkler: Der „Schattenmann“. Von Goebbels zu Carlos. Das mysteriöse Leben des François Genoud. Rowohlt, Reinbek 2011; ISBN 978-3-87134-626-2 (G. war ein wesentlicher Protagonist)
    • Ausf. Rezension: Ivo Bozic, Vom Dritten Reich zur Dritten Welt. in Dschungel. Beilage zu Jungle World #4, 27. Januar 2011, S. 6f.
  • Michael Whine: Eine unheilige Allianz. Internationale Verbindungen zwischen Rechtsextremismus und Islamismus. in Thomas Greven & Thomas Grumke (Hrsg.): Globalisierter Rechtsextremismus? Die extremistische Rechte in der Ära der Globalisierung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2006, S. 181–199, ISBN 978-3-531-14514-3
  • Wolfgang Benz, Juliane Wetzel (Hrsg.): Antisemitismus und radikaler Islamismus. Reihe: Antisemitismus, Geschichte und Strukturen, 4. Klartext, Essen 2007, ISBN 3-89861-714-9
  • Volker Weiss: Brüder im Ungeist. Die NPD und die Islamisten demonstrieren gerne Einigkeit in ihrem Hass gegen „Weltjudentum“ und die USA, Frankfurter Rundschau 26. April 2007
  • Barry Rubin, Wolfgang G. Schwanitz: Nazis, Islamists, and the Making of the Modern Middle East. Yale University Press, New Haven & London 2014, ISBN 978-0-300-14090-3
  • Phillip Landgrebe: Arabische Muslim_innen und der Nationalsozialismus und die Bestände des International Tracing Service (ITS). In: Lernen aus der Geschichte vom 31. Juli 2017
  • Umberto Eco: Urfaschismus. In: Die Zeit, Nr. 28/1995; Original-Text Ecos, mit 14 Kriterien, Übersetzung Meinhard Büning, von der Redaktion leicht gekürzt
  • Jeffrey Herf: Hitlers Dschihad. Nationalsozialistische Rundfunkpropaganda für Nordafrika und den Nahen Osten. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 2010, H. 2, April, S. 259–286[35]

Weblinks

Wiktionary: Islamfaschismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Hans-Peter Drögemüller: Iranisches Tagebuch. 5 Jahre Revolution. Hamburg 1983
  2. William Safire: Language: Islamofascism, anyone? In: The New York Times, 1. Oktober 2006, nytimes.com
  3. hier ins Deutsche übersetzt nach: Malise Ruthven: Construing Islam as a language. In: The Independent, 8. September 1990.
  4. Laurence W. Britt: Fascism Anyone? In: Free Inquiry Magazine, Volume 23, Number 2, Ausgabe Frühjahr 2003, secularhumanism.org (Memento vom 7. Juni 2009 im Internet Archive)
  5. David G. Dalin, John F. Rothmann: Icon of Evil – Hitler’s Mufti and the Rise of Radical Islam. New York 2008
  6. Christopher Hitchens: In enemy territory. (Memento vom 30. September 2007 im Internet Archive) The Independent, 22. September 2004
  7. Christopher Hitchens: Defending the term 'Islamofascism’. In: Slate Magazine, 22. Oktober 2007, slate.com
  8. Ayaan Hirsi Ali – Enlightened intolerance. economist.com/blogs, 16. April 2014, The Economist
  9. Johann Hari: Ayaan Hirsi Ali: My life under a fatwa. In: The Independent, 27. November 2007, independent.co.uk
  10. Hamed Abdel-Samad: Der Islamische Faschismus. München 2014, S. 29 ff.
  11. Hamed Abdel-Samad: Der Islamische Faschismus. München 2014, S. 60.
  12. Hamed Abdel-Samad: Der Islamische Faschismus. München 2014, S. 66 f.
  13. a b Josef Joffe: Die Offensive des Islamo-Faschismus Appeasement ist keine Antwort. Die Spanier ziehen die falsche Lehre aus den Anschlägen von Madrid. In: Die Zeit, Nr. 13/2004
  14. Hannes Stein: Viva la muerte. In: Die Welt, 16. März 2004
  15. President Bush and Secretary of State Rice Discuss the Middle East Crisis, Presseerklärung, whitehouse.gov / Office of the Press Secretary, 7. August 2006
  16. VA Weege: „Islamfaschismus“ Begriff und kritische Diskussion. In: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags. Bundestag, 16. Dezember 2005, abgerufen am 29. Januar 2022 (deutsch).
  17. Online (Memento vom 15. Juli 2010 im Internet Archive)
  18. Quellen im Art. Felmy, Weblinks
  19. zmo.de (PDF; 2 MB)
  20. Sonja Hegasy, René Wildangel: Des Führers Mufti – Der Begriff des Islamo-Faschismus ist historisch nicht korrekt. (Memento vom 18. Januar 2012 im Internet Archive) Süddeutsche Zeitung, 8./9. Mai 2004
  21. Matthias Küntzel: Islamismus, Faschismus und NS. März 2005
  22. Jeffrey Herf: Nazi Propaganda for the Arab world, 2009, S. 251, 265 f. Eig. Übers. aus d. Engl. - Herf hat die Thesen Wildangels von 2004 & 2007 ausweislich von Verweisen und des Lit.verz. zur Kenntnis genommen, ohne darauf inhaltlich einzugehen
  23. bei Höppner, Weblinks, S. 19, Anm. 63, die „Fabel“ gegen die Juden mit Hitler als koranische Erlöserfigur in ganzer Länge. Erwin Rommel ist rhum, die Lanze, gegen die Juden
  24. Gerhard Hanloser: „Der islamistische Fundamentalismus hat mit Faschismus nichts zu tun“. Telepolis, 24. August 2006; Interview mit Moshe Zuckermann
  25. Hamas und „islamischer Faschismus“, Webversion 8-2014 (PDF; 185 kB)
  26. Bush: Anfang eines Kampfes gegen „islamischen Faschismus“
  27. Daniel Cohn-Bendit, Andreas Fanzidah, Peter Unfried: „Wir müssen die Angst überwinden“. Daniel Cohn-Bendit über Terror in Paris – Der Politiker spricht über die „Generation Bataclan“ und die richtige Strategie im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“. In: taz.de. 22. November 2015, abgerufen am 22. November 2015.
  28. Christopher Hitchens: In enemy territory (Memento vom 30. September 2007 im Internet Archive)
  29. Islamofaschismus - Verteidigung eines Begriffs, Die Welt 27. Oktober 2007
  30. Eure Familien, unsere Familien
  31. Die religiösen Faschisten, die mein Land beherrschen
  32. Wallraff: Erdogan errichtet "islamofaschistische Diktatur". In: Homepage der Münchner Abendzeitung. 18. Dezember 2017, abgerufen am 25. Juli 2021.
  33. Henryk M. Broder: Manchmal haben wir nur die Wahl zwischen Desaster und Katastrophe. Spiegel Online, 1. August 2005; Interview mit L. de Winter.
  34. Deniz Yücel: Es soll nicht sein, was nicht sein darf. In: Die Welt. 1. Juli 2021, S. 3 (welt.de).
  35. Zusammenfassung sowie 14 repräsentative NS-Originalsendungen des Mufti-Senders in Zeesen; Rückübersetzung aus dem Englischen; siehe Herfs Namensartikel

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Der Großmufti von Jerusalem bei den bosnischen Freiwilligen der Waffen-SS. Der Großmufti schreitet die Front mit Hitlergruß ab.
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