Internetzensur im Iran

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Vortrag über Internetzensur im Iran auf dem 32C3 (englisch)

In den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts stieg die Internetnutzung im Iran stark an und erreichte mit etwa 7,5 Millionen Nutzern nach Israel den zweithöchsten Wert im Nahen Osten.[1] In der ersten Zeit nach der Einführung des Internets waren die vom iranischen Staat betriebenen Provider vergleichsweise offen. Viele Nutzer sahen das Internet als eine Möglichkeit, die strengen Zensurgesetze im Iran zu umgehen.[2][3] Erste Zensurmaßnahmen fanden nach der Wahl Mohammed Chatemis zum iranischen Präsidenten und der Einsetzung der Chordad-Bewegung statt. Unter dem 2005 gewählten konservativen Präsidenten Mahmud Ahmadineschad wurden die Kontrollen weiter verschärft. Viele Blogger, Onlineaktivisten, Dissidenten und Techniker wurden in Zusammenhang mit Aktivitäten im Internet zu Haftstrafen verurteilt, diskriminiert oder missbraucht.[4][5] Im November 2006 wurde der Iran von Reporter ohne Grenzen als eines von 13 Ländern als "Feind des Internets" bezeichnet.[1] Bei den Protesten nach der Präsidentschaftswahl 2009 wurde von der Opposition das Internet, vor allem das Web 2.0 zur Organisation von Protesten genutzt. Infolgedessen wurde das Internet im Iran zeitweise gesperrt und behindert.[6]

Gesperrte Websites

2006 wurden unter anderem folgende Websites gesperrt: New York Times, Amazon.com, IMDb, Amnesty International, Blogger, Facebook und YouTube, WordPress. Ebenfalls gefiltert werden reformpolitische Websites, Nachrichtendienste, Seiten mit Informationen zur Anonymisierung im Internet, pornographische und homosexuelle Websites sowie als unmoralisch oder aus sonstigen Gründen zu zensierende Websites. Der Iran blockiert nach China die meisten Websites.[1] Die kurdische Version von Wikipedia wurde laut Reporter ohne Grenzen 2006 mehrere Monate lang gesperrt.[7] Im Juli 2009 blockierte der Iran die meisten Domainnamen der Whistleblowerseite WikiLeaks.[8] Im September 2012 blockierte der Iran den Zugang zum Google-Maildienst Gmail.[9]

Methoden

Internet Service Provider

Jeder Internetdienstanbieter (ISP) muss vor seiner Inbetriebnahme von der Telecommunication Company of Iran (TCI) und dem Ministerium für Kultur und Islamischer Unterweisung bewilligt werden. Die Verwendung von Filtersoftware für Websites und E-Mails ist vorgeschrieben. Laut iranischen Pressemitteilungen hat die Regierung für die ISPs 2003 eine Liste mit 15.000 zu blockierenden Seiten erstellt.[10] ISPs werden bei Nichteinhaltung der Filterbedingungen zu hohen Geldstrafen verurteilt. Bis 2006 wurden mindestens 12 ISPs wegen Nichterfüllung der Filtervorschriften geschlossen.[11] Beim Vertragsabschluss mit einem ISP müssen Kunden garantieren, keine "antiislamischen" Websites aufzurufen.[12] 2008 wurden 5 Millionen Websites gefiltert, deren Inhalt von den Behörden zumeist als unmoralisch und antiislamisch bezeichnet wird.[13] ISPs werden regelmäßig dazu angewiesen, Webseiten mit Inhalten zu Politik, Menschenrechten oder frauenspezifischen Themen sowie Weblogs mit dissidentischen, pornographischen oder antiislamischen Inhalten zu filtern. Von Sperrungen waren mehrmals auch Facebook oder YouTube sowie Nachrichtendienste betroffen.[13]

Kontrollsoftware

Zur Kontrolle des Internets wird von den iranischen Behörden hauptsächlich die von der US-amerikanischen Firma Secure Computing entwickelte Content-Control Software Secure Computing eingesetzt. Secure Computing gab an, die Software nicht an den Iran verkauft zu haben, die Behörden nutzten die Software illegal ohne Lizenz.[14] Das Programm ist auf die Filterung lokaler persischsprachiger Webseiten und englischsprachiger Webseiten eingestellt.[1]

Deep Packet Inspection

2008 verkaufte Nokia Siemens Networks den iranischen Behörden ein System, das die Überwachung, Kontrolle, Aufzeichnung und Veränderung des landesweiten Inhaltsaufkommens im Internet mittels Deep Packet Inspection ermöglicht.[15] Nokia Siemens Networks behauptete, dass das System nur die Funktionalität zur Überwachung illegaler Vorgänge besitze.[16] In einer Entschließung vom 10. Februar 2010 kritisiert das Europäische Parlament Nokia/Siemens scharf für die Lieferung von für Zensur und Überwachung notwendige Technologien an die iranischen Behörden, die der Verfolgung und Verhaftung iranischer Dissidenten dienen.[17]

Verringerung der Übertragungsgeschwindigkeit

Im Oktober 2006 wiesen die iranischen Behörden alle Internet Service Provider an, die Übertragungsgeschwindigkeit für alle privaten Nutzer und Internetcafés auf 256 Kilobit pro Sekunde zu reduzieren. Hintergrund war möglicherweise das Interesse der Behörden, den Zugang zu westlichen Medien zu reduzieren.[18] Das Bewusstsein der Behörden für Neue Medien wuchs, nachdem 2006 ein pornographisches Video, das angeblich eine bekannte iranische Fernsehdarstellerin zeigte, landesweites Aufsehen erregte.[1] 2007 boten die meisten ISPs gegen eine einmalige Zahlung 2 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) für 2,5 Millionen Rial, 4 Mbit/s für 5 Millionen Rial und 8 Mbit/s für 10 Millionen Rial an.

Blockierung von VPN-Verbindungen

2013 wurde der Internetzugang über VPN-Netz blockiert. Davon ausgenommen wurden behördlich registrierte VPN-Zugänge. VPN-Verbindungen wurden im Iran zur Umgehung von Zensurmaßnahmen genutzt.[19]

Umgehungsmöglichkeiten

Das Umgehen der Sperren ist unter anderem durch Proxyserver und das Tor-Netzwerk möglich. Seit 2003 wird vom US-amerikanischen International Broadcasting Bureau, Voice of America und der Firma Anonymizer, Inc ein frei zugänglicher Proxyserver für Iraner bereitgestellt.[14] Der Server ändert seine Adresse, sobald er von den iranischen Behörden gesperrt wird. Der Proxy Server filtert pornographische Webseiten.[20] Unter den gesperrten Wörtern befindet sich unter anderem auch gay (dt.: "schwul"), wodurch der Zugriff auf Seiten mit homosexuellenrelevanten Themen nicht möglich ist.[21]

Landesweites Intranet

Im April 2012 wurde bekannt, dass der Iran ein landesweites Intranet nach nordkoreanischem Vorbild aufbauen möchte. Das Kommunikationsministerium gab dem Projekt den Namen Halal Internet[22]. Iranischen Medien zufolge sollte das Intranet bereits im März 2013 freigeschaltet werden.[23] 2015 soll die Abkoppelung vom globalen Internet erfolgen.[22]

Weblinks

Commons: Internetzensur im Iran – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Referenzen

  1. a b c d e Tait, R. (2006.) Censorship fears rise as Iran blocks access to top websites. The Guardian UK. Abgerufen am 9. Dezember 2006.
  2. Feuilherade, P. (2002.) Iran's banned press turns to the net. BBC News. Abgerufen am 9. Dezember, 2006.
  3. BBC News. (2003.) Iran Steps Up Net Censorship. BBC News. Abgerufen am 9. Dezember 2006.
  4. Amnesty International. (2004.) Iran: Civil society activists and human rights defenders under attack. Amnesty International.org. Abgerufen am 21. Oktober 2012.
  5. Reporters Without Borders. (2005.) Reporters Without Borders welcomes release of blogger Arash Sigarchi (Memento vom 22. Dezember 2015 im Internet Archive) RSF.com. Abgerufen am 21. Oktober 2012.
  6. Web Pries Lid of Iranian Censorship, New York Times vom 23. Juni 2009 (abgerufen am 21. Oktober 2012).
  7. Iran Cracks Down On Internet Use, Voice of America vom 12. Oktober 2006 (abgerufen am 21. Oktober 2012).
  8. Iran blocks WikiLeaks (Memento vom 20. Juli 2009 im Internet Archive), dortselbst, 16. Juli 2009
  9. Iran sperrt Google-Maildienst Gmail (Memento vom 24. September 2012 auf WebCite), tagesschau.de vom 24. September 2012. (abgerufen am 24. September 2012).
  10. Iran steps up net censorship. BBC News, abgerufen am 3. Januar 2018.
  11. Reporters Without Borders. "Report on Iran" (Memento vom 24. Februar 2008 im Internet Archive). Abgerufen am 9. Dezember 2006.
  12. OpenNet Initiative. (2006.) Internet Filtering in Iran in 2004-2005: A Country Study. Abgerufen am 21. Oktober 2012.
  13. a b Iran blocks access to over five million websites: report, AFP vom 19. November 2008 (abgerufen am 21. Oktober 2012).
  14. a b Knight, W. (2005.) "Iranian net censorship powered by US technology". The New Scientist. Abgerufen am 9. Dezember 2006.
  15. "Iran's Web Spying Aided By Western Technology" by Christopher Rhoads in New York and Loretta Chao in Beijing, The Wall Street Journal, 23. Juni 2009. Abgerufen am 23. Juni 2009.
  16. Provision of Lawful Intercept capability in Iran, Pressemitteilung vom 23. Juni 2009 (abgerufen am 21. Oktober 2012).
  17. Lage im Iran: Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2010 zu Iran Demokratie und Menschenrechte/Pkt. 11.
  18. Reuters. (2006.) "Iran cuts Internet speeds to homes, cafes", Reuters vom 18. Oktober 2006 (abgerufen am 21. Oktober 2012).
  19. SPIEGEL ONLINE, Hamburg Germany: Internetsperren in Iran: Behörden schließen Schlupfloch gegen Zensur - SPIEGEL ONLINE - Netzwelt. Abgerufen am 7. April 2017.
  20. Poulson, K. (2003.)"US sponsors Anonymiser – if you live in Iran". The Register UK. Abgerufen am 9. Dezember 2006.
  21. McCullagh, D. (2004.) "U.S. blunders with keyword blacklist". CNET News.com Abgerufen am 9. Dezember 2006.
  22. a b Kuhn, Johannes: Wie Iran das Netz zum Intranet machen möchte, Süddeutsche.de vom 3. April 2012 (abgerufen am 22. Oktober 2012)
  23. Iran to launch giant domestic intranet, Al Jazeera vom 24. September 2012 (abgerufen am 22. Oktober 2012).

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Talk about Internet Censorship in Iran at 32C3 by Mahsa Alimardani As Internet users increasingly connect to the Internet through smartphones, this has transformed Iran’s Internet ecology towards an increasing reliance and production in apps. In Iran, a country that practises some of the most stringent censorship and surveillance techniques in the world has seen this transformation reshape the way the government implements information controls online. While applications with popular usage on browsers such as Facebook and Twitter remain blocked through their mobile applications, platforms that predominantly exist in app form such as WhatsApp, Viber, and Instagram remain unblocked in the country. This talk will look at how the government is counteracting these policies through various means, including local imitation apps, and new programs such as ‘intelligent filtering’, and the Revolutionary Guards' “Spider” program. Additionally, a discussion of how Iranian Internet users use these platforms, especially in reference to digital security awareness and practices will be included.