Innenentwicklung

Innenentwicklung bezeichnet im Städtebau die Strategie, den zukünftigen Flächenbedarf durch die Nutzung von innerörtlicher, bereits erschlossenen Flächen zu decken und auf die Ausweisung von Flächen auf der Grünen Wiese weitgehend zu verzichten. Obwohl Innenentwicklung schon lange als wesentliche städtebauliche Zielsetzung definiert ist, hat sich die Intensität des Landschaftsverbrauchs im Außenbereich in den letzten Jahren weiter gesteigert. In Anbetracht des demographischen Wandels und der damit verbundenen gesellschaftlichen Herausforderungen, aber auch hinsichtlich ökonomischer Faktoren bedarf es einer qualifizierten Auseinandersetzung mit Strategien und in der kommunalen Praxis anwendbaren Instrumenten und Steuerungsmöglichkeiten zur Innenentwicklung, um das im Baugesetzbuch (BauGB) definierte Ziel Innen- vor Außenentwicklung umzusetzen.

Ausgangssituation und Problemlage

Seit den 1950er Jahren war die Entwicklung von Städten und Gemeinden in Deutschland infolge des steigenden Wohlstandes und der aufkommenden Massenmotorisierung (PKW-Verfügbarkeit) vor allem durch Wachstum und Ausdehnung der Siedlungsfläche ins Umland (Suburbanisierung) gekennzeichnet. Neben dem Bevölkerungswachstum der 50er bis 70er Jahre war hierfür vor allem der anhaltende Trend zum Wohnen in „grünen“ Vororten verantwortlich. Dieser Suburbanisierung der Wohnfunktion folgte die Standortverlagerung von Industrie, Gewerbe und Handel an den Stadtrand oder auf die grüne Wiese.

Diese Entwicklung hat ihre Spuren hinterlassen. Die Suburbanisierung führte einerseits zu einem enorm steigenden Flächenverbrauch für Siedlungs- und Verkehrszwecke, die mit einer Flächenversiegelung einhergehen. Dem gegenüber ist andererseits zunehmend das Brachfallen von Flächen und Gebäuden in Innenbereichen von vielen Städten und Gemeinden festzustellen. Gründe hierfür sind die demographischen Entwicklung und der Strukturwandel in Landwirtschaft, Industrie, Einzelhandel sowie die Aufgabe von Militär- und Infrastrukturstandorten auf der Nachfrageseite. Auf der Angebotsseite fehlen attraktive Angebote für Wohnen, Arbeiten, Handel und Freizeit in den Zentren. Ein wachsender Funktionsverlust und die Verödung vieler Ortszentren und Innenstädte sind die Folge, was wiederum mit einem generellen Verlust an Standortattraktivität und Zukunftsfähigkeit (Wohn- und Lebensqualität) verbunden ist. Den am Siedlungsrand zusätzlich entstehenden Kosten für Schaffung und Aufrechterhaltung von Infrastruktur steht eine immer weniger effizient genutzte, jedoch kostenintensive Infrastruktur im Zentrum gegenüber. Dies führt zu einer erheblich steigenden Kostenbelastung für die Kommunen.

Die Stadt- und Gemeindeentwicklung war schon immer von Erweiterung, Umbau sowie Bestandserhaltung bestimmt. Seit dem Zweiten Weltkrieg war die Entwicklung in Deutschland von nahezu kontinuierlichem Wachstum geprägt. Die Siedlungs- und Verkehrsfläche wuchs im Verhältnis zur Bevölkerungszahl jedoch überproportional stark.

Die Hauptursachen hierfür sind:

  • der Anstieg der Wohnfläche pro Person von ca. 14 m² (1950) auf mittlerweile ca. 42 m² (2004).
  • die Verkleinerung der durchschnittlichen Haushaltsgröße von 3 (1950) auf heute ca. 2,1 Personen je Haushalt.
  • das kontinuierliche Wirtschaftswachstum, mit der damit verbundenen Steigerung des allgemeinen Lebensstandards und der Ansprüche an die Wohnungsversorgung.
  • die Zunahme und Neuerrichtung von Gewerbestandorten.
  • Flächenexpansion und veränderte Standortanforderungen in Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistungsgewerbe (insbesondere Einzelhandel).
  • die Ausdehnung von Verkehrsflächen.

Perspektivenwechsel

Aufgrund der dargestellten negativen Folgen der Zersiedelung, aber auch des anhaltenden wirtschaftlichen und sozialen Strukturwandels, eines neu erwachten Interesses an attraktiven innerörtlichen Nutzungsangeboten sowie vor allem der Folgen des demographischen Wandels setzt allmählich in weiten Teilen von Politik und Gesellschaft ein Umdenken ein.

Folgende Entwicklungen und Trends für diese Neuorientierung können angeführt werden:

  • Demographischer Wandel: aufgrund der wachsenden Einwohnerzahl und Überalterung der Gesellschaft sollte die vorhandene Infra- und Siedlungsstruktur an diese Entwicklung angepasst werden.
  • Der Anstieg der Wohnfläche pro Person verlangsamt sich.
  • Die durchschnittliche Haushaltsgröße nimmt nur noch langsam ab.
  • Die angespannte Lage vieler öffentlicher Haushalte infolge rückläufiger Einnahmen und steigender Ausgaben.
  • Durch den wirtschaftlichen Strukturwandel, die Umstrukturierungsprozesse bei Bahn, Post, Energieversorgungsunternehmen und anderen Infrastruktureinrichtungen sowie durch die Aufgabe von Militärstandorten entstehen in vielen Kommunen große Flächenreserven in besten, innerstädtischen Lagen für neue Nutzungen zur Verfügung.
  • Der Wandel der Wirtschaft zu Dienstleistungen und „sauberem“ Gewerbe ermöglicht die Reintegration von Arbeitsstätten in innerstädtische nutzungsgemischte Quartiere.
  • Die Attraktivität des Standortes Innenstadt, geprägt durch Nähe zu Versorgungs-, Kultur- und Infrastrukturangebot, gewinnt nachweislich wieder an Bedeutung. Erste Studien belegen einen Trend zur Reurbanisierung gewisser Lebensstilgruppen. Die wachsende Zahl älterer Menschen infolge des demographischen Wandels ist eine dieser Gruppen, die diesen Trend in den kommenden Jahrzehnten beschleunigen wird.

Die gravierenden Probleme und die daraus erwachsenen Trends und Ansprüche stellen viele Städte und Gemeinden vor eine komplexe Aufgabe. Gleichzeitig neue attraktive Flächenangebote für unterschiedliche Nutzungen zu schaffen, den weiteren Flächenverbrauch einzudämmen und die Zukunftsfähigkeit der innerstädtischen Quartiere und Ortszentren zu erhalten und zu stärken, stellt fast alle Kommunen vor eine große Herausforderung.

Lösungsansatz

Eine Wiedernutzung brachgefallener Flächen und Gebäude im Innenbereich wäre sowohl aus Gründen des Freiraumschutzes als auch in stadtgestalterischer und stadtökonomischer Hinsicht dringend erforderlich. Jedoch ist die Wiedernutzung bebauter Flächen die teuerste Baulandgewinnung.[1]

Es wird seit den 1990er Jahren in der Fachöffentlichkeit und zunehmend auch von der Politik eine grundlegende Umorientierung der Siedlungsentwicklung gefordert. Langfristiges strategisches bzw. normatives Ziel bestimmter politischer Gruppen ist eine konsequente Bestandsentwicklung bei weitgehendem Verzicht auf die Ausweisung neuer Bauflächen. Gemäß der Zielvorgabe Innenentwicklung vor Außenentwicklung sollen vorhandene Potenziale im Bestand durch Aktivierung, Re-Aktivierung und/oder bauliche Verdichtung besser ausgeschöpft werden. Hierdurch kann eine Neuinanspruchnahme von Landschaft für Siedlungszwecke vermieden, die Suburbanisierung gebremst, Innenstädte und Ortskerne revitalisiert und die Effizienz der kommunalen Infrastruktur kostenoptimiert werden. Allerdings gehen durch Nachverdichtung und bauliche Innenentwicklung auch potentielle Grünflächen im Innenbereich verloren.

Da vermutlich noch für längere Zeit die Anzahl der Haushalte und die Wohnfläche pro Person – wenn auch langsamer als bisher – wachsen werden, wird weiterhin Nachfrage nach zusätzlichen Flächen bestehen. Diese Nachfrage kann ggf. auf erschlossenen Flächenreserven innerhalb bestehender Siedlungsflächen realisiert werden. Auch der Bedarf nach neuen Gewerbestandorten sollte soweit möglich auf bestehende Flächen im Innenbereich gelenkt werden, sofern dies wirtschaftlich tragbar ist. Neuer Wohnraum und nicht störende gewerbliche Nutzungen müssen dabei nicht im Widerspruch zum Leitbild der aufgelockerten, durchgrünten Stadt stehen. Vielmehr geht es bei der Innenentwicklung auch um eine qualitative Verbesserung der Freiraumsituation, wodurch ein Zielkonflikt entsteht.

Zur Erreichung dieser Ziele ist eine aktive Innenentwicklung abzuwägen. Es gilt, innerörtliche Flächenpotentiale zu erkennen, zu analysieren und optimal für neue Nutzungen zu aktivieren. Hierbei sind allerdings die Zielkonflikte und Kosten zu bedenken.

Diesen Anforderungen versucht der Ansatz des Aktiven Flächenressourcenmanagements zu folgen und dementsprechende Möglichkeiten und Strategien zur Aktivierung innerörtlicher Flächenpotenziale aufzuzeigen. Anknüpfend daran sind spezielle Strategien zur baulichen Anpassung und Aktivierung leerstehender Gebäude, entsprechend den heutigen Anforderungen von Wohnen und Gewerbe, vorhanden. Diese werden unter den Begriffen Leerstandsmanagement und Gebäuderessourcenmanagement subsumiert.

Literatur

  • Michael Krautzberger, Bernhard Stüer: BauGB-Novelle 2013. Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts. In: Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl) 2013, S. 805–815.
  • BBSR (Hrsg.): Innenentwicklungspotenziale in Deutschland – Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage und Möglichkeiten einer automatisierten Abschätzung. Sonderveröffentlichung, Bonn 2014. Bearbeitung: IÖR Dresden.
  • Ronald Kunze: Stichwort „Innenentwicklung“ in: Bauordnung im Bild. WEKA-Media, Kissing 2007.
  • Michael Krautzberger: Die «Innenentwicklungsnovelle 2013». In: Grundstücksmarkt und Grundstückswert (GuG) 2013, 193 ff.
  • Tatjana Schreiber: Ein Wohnungsbauprogramm zur Innenentwicklung – gelingt die Behebung von Wohnraummangel? Am Beispiel des Projekts „20.000 Wohnungen für Stockholm“. (ISR Graue Reihe Heft 21). Institut für Stadt- und Regionalplanung, TU Berlin 2009, ISBN 978-3-7983-2127-4.
  • Stephan Mitschang: Innenentwicklung – Fach- und Rechtsfragen. Peter Lang Verlag, Frankfurt 2008, ISBN 978-3-631-57677-9.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Kleiber, Wolfgang et al.: Verkehrswertermittlung von Grundstücken. 8. Auflage. Köln 2017, S. 2444.