Injektive Funktion

Illustration einer Injektion.
Jedes Element von Y hat höchstens ein Urbild: A, B, D je eines, C keines.

Injektivität oder Linkseindeutigkeit ist eine Eigenschaft einer mathematischen Relation, also insbesondere auch einer Funktion (wofür man meist gleichwertig auch „Abbildung“ sagt): Eine injektive Funktion, auch als Injektion bezeichnet, ist ein Spezialfall einer linkseindeutigen Relation, namentlich der, bei dem die Relation auch rechtseindeutig und linkstotal ist.

Definition

Eine Funktion ist injektiv, wenn es zu jedem Element der Zielmenge höchstens ein (also eventuell gar kein) Element der Ausgangs- oder Definitionsmenge gibt, das darauf zielt, wenn also nie zwei oder mehr verschiedene Elemente der Definitionsmenge auf dasselbe Element der Zielmenge abgebildet werden:

Das ist äquivalent zu

Die Zielmenge kann daher nicht weniger mächtig als die Definitionsmenge sein, d. h., sie kann nicht weniger Elemente enthalten.

Die Bildmenge darf eine echte Teilmenge der Zielmenge sein, d. h., es kann Elemente geben, die keine Bildelemente sind, wie es in der abgebildeten Grafik rechts der Fall ist. Dies macht den Unterschied zu einer bijektiven Abbildung aus, von der außer Injektivität noch verlangt wird, dass jedes Element der Zielmenge als Bildelement auftritt, dass also surjektiv ist.

Dass eine Abbildung injektiv ist, wird gelegentlich durch ausgedrückt, mit einem aus und zusammengesetzten Zeichen. Es erinnert an die Einbettung einer Menge in eine Obermenge durch eine Funktion die jedes Element von auf sich selbst abbildet.

Beispiele und Gegenbeispiele

Nichtinjektive Funktion
  • Außermathematisches Beispiel: Die Funktion, die jedem Bürger der Bundesrepublik Deutschland mit Personalausweis die Nummer seines aktuellen Personalausweises zuordnet, ist injektiv, wobei als Zielmenge die Menge aller möglichen Personalausweisnummern angenommen wird (denn Personalausweisnummern werden nur einmal vergeben).
  • bezeichne die Menge der natürlichen und die Menge der ganzen Zahlen.
ist injektiv.
ist injektiv.
ist injektiv.
ist nicht injektiv, da z. B. gilt.
  • Jede Funktion von einer zweielementigen Menge in eine einelementige Menge ist nicht injektiv, weil notwendigerweise beide Elemente von auf das einzige Element abgebildet werden:
trotz

Eigenschaften

  • Man beachte, dass die Injektivität einer Funktion nur vom Funktionsgraphen abhängt (im Gegensatz zur Surjektivität, die auch von der Zielmenge abhängt, die man am Funktionsgraphen nicht ablesen kann).
  • Eine Funktion ist genau dann injektiv, wenn für alle Teilmengen gilt:
  • Eine Funktion ist genau dann injektiv, wenn für alle gilt (wobei die Urbildfunktion bezeichnet).
  • Sind die Funktionen und injektiv, dann ist auch die Komposition (Verkettung) injektiv.
  • Aus der Injektivität von folgt, dass injektiv ist.
  • Eine Funktion mit nichtleerer Definitionsmenge ist genau dann injektiv, wenn eine Linksinverse hat, das ist eine Funktion mit (wobei die identische Abbildung auf bezeichnet).
  • Eine Funktion ist genau dann injektiv, wenn sie linkskürzbar ist, wenn also für beliebige Funktionen aus die Gleichheit folgt. (Diese Eigenschaft motiviert den in der Kategorientheorie verwendeten Begriff Monomorphismus, jedoch sind bei allgemeinen Morphismen injektiv und linkskürzbar nicht mehr äquivalent.)
  • Jede beliebige Funktion ist als Verkettung darstellbar, wobei surjektiv und injektiv (nämlich eine Inklusionsabbildung) ist.
  • Eine stetige reellwertige Funktion auf einem reellen Intervall ist genau dann injektiv, wenn sie in ihrem ganzen Definitionsbereich streng monoton steigend oder streng monoton fallend ist, d. h., wenn für zwei beliebige Zahlen und aus dem Definitionsbereich gilt: Aus folgt (steigend), bzw. aus folgt (fallend).
Drei injektive streng monoton steigende reelle Funktionen.
Drei injektive streng monoton fallende reelle Funktionen.

Mächtigkeiten von Mengen

Eine wichtige Rolle spielt der Begriff der Injektion in der Mengenlehre bei Definition und Vergleich von Mächtigkeiten, einem Begriff, der die Elementeanzahl von endlichen Mengen auf beliebige Mengen verallgemeinert. Zwei Mengen heißen „von gleicher Mächtigkeit“, wenn es sowohl eine Injektion von nach als auch eine solche von nach gibt. (In diesem Fall existieren auch Bijektionen von der einen auf die andere Menge.) Dagegen heißt von kleinerer Mächtigkeit als , wenn es zwar eine Injektion von nach , aber keine von nach gibt.

Schubfachschluss

Ein in Beweisen insbesondere der Zahlentheorie häufiges Schlussschema benutzt die Feststellung, dass eine Abbildung einer endlichen Menge in eine Menge mit weniger Elementen nicht injektiv sein kann, dass es also Elemente mit und gleichem Bild gibt. Wegen der Vorstellung von vielen Objekten in weniger Schubfächern heißt das „Schubfachschluss“.

Anzahl injektiver Abbildungen

Die Anzahl der injektiven Abbildungen von einer Definitionsmenge in eine gegebene endliche Zielmenge mit der Eigenschaft ist gegeben durch:

Dies entspricht in der Kombinatorik einer Variation ohne Wiederholung.

Geschichte

Nachdem man generationenlang mit Formulierungen wie „eineindeutig“ ausgekommen war, kam erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts mit der durchgehend mengentheoretischen Darstellung aller mathematischen Teilgebiete das Bedürfnis nach einer prägnanteren Bezeichnung auf.

Im Englischen lässt sich das Substantiv injection 1945 belegen.[1] Das englische Adjektiv injective wurde 1952 in den Foundations of algebraic topology von S. Eilenberg und N. Steenrod verwendet, allerdings eher im Sinne von injektiven Objekten.[2] Injektiv im Kontext mit den Fachwörtern surjektiv und bijektiv wurde 1954 von der Autorengruppe Nicolas Bourbaki in dem Buch Théorie des ensembles, Éléments de mathématique Première Partie eingeführt.[2]

Es herrscht stellenweise große Verwirrung bezüglich der Zuordnung zwischen den Begriffen „eineindeutig“ einerseits und „injektiv“ bzw. „bijektiv“ andererseits. Quellen (Lehrbücher) aus der reinen Mathematik favorisieren „injektiv“, fachfremde Quellen favorisieren teilweise eher „bijektiv“.

Weblinks

Wikibooks: Beweisarchiv: Mengenlehre – Lern- und Lehrmaterialien

Einzelnachweise

  1. Ralph H. Fox: Torus homotopy groups. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. Band 31, Nr. 2, 1. Februar 1945, S. 71–74, siehe S. 73 (Online [PDF; abgerufen am 13. Januar 2017]): „The nucleus of the injection homomorphism …“
  2. a b Earliest Known Uses of Some of the Words of Mathematics.

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