Ingeborg-Drewitz-Literaturpreis für Gefangene

Der Ingeborg-Drewitz-Literaturpreis für Gefangene, begründet 1988 und benannt nach der am nachdrücklichsten für die Belange von Inhaftierten eintretenden deutschen Schriftstellerin Ingeborg Drewitz, hat das Ziel, die Gefangenen zu authentischen Texten anzuspornen und diese Gefangenenliteratur der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der Literaturpreis wird bislang in einem Drei- bis Vier-Jahre-Turnus vergeben und ist bei der Textsorte weitgehend offen.

Anliegen

Die Grundidee war und ist, die Inhaftierte (und ehemalige Inhaftierte), die in der Öffentlichkeit keinerlei Lobby haben, selber zu Wort kommen zu lassen, um nicht immer über sie zu sprechen, sondern authentisch von ihnen ihre Erfahrungen mitgeteilt zu bekommen. Der Ingeborg-Drewitz-Literaturpreis, der in dieser Form deutschlandweit einzigartig ist, stellt einen ergänzenden Faktor im deutschen Kulturleben dar. Dies zeigt sich auch darin, dass bei den vergangenen Ausschreibungen unter anderem Martin Walser, George Tabori, Luise Rinser, Friedrich Magirius, (Superintendent in Leipzig und Pfarrer der dortigen Nicolaikirche) sowie der damalige Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Hans Schwier, als Schirmherren gewonnen werden konnten. Schirmherr im Jahre 2008 war der Kommentator der Strafvollzugsgesetzes, Heinz Müller-Dietz, 2011 übernahm diese Funktion der Bildhauer Siegfried Neuenhausen, 2015 der Schriftsteller (und Ex-Gefangene) Peter Zingler, 2018 der Rechtsanwalt (und Ex-Strafanstaltsleiter) Thomas Galli.

Strukturen

Aus den zahlreichen Einsendungen wählt die Jury die qualitativ gelungensten und eindrucksvollsten Texte (Gedichte, Erzählungen, Romanauszüge, Tagebuchaufzeichnungen, Reportagen, Briefe, Hörspiele etc.) aus. Die ausgezeichneten Beiträge werden anschließend in einer Anthologie veröffentlicht. Die Jury besteht aus sechs Juroren. Zur Grundidee des Preises gehört die paritätische Zusammensetzung der Jury aus (teilweise ehemaligen) Gefangenen und Nicht-Gefangenen. Bei letzteren wird zumeist versucht, Persönlichkeiten aus den Bereichen Literaturkritik, Journalismus oder Kriminologie zu gewinnen. Ebenfalls zur Jury gehört von Anfang an der Initiator des Preises, der Germanist Helmut H. Koch.

Zum Trägerkreis des Preises gehören die Gefangeneninitiative Dortmund, das Strafvollzugsarchiv an der Fachhochschule Dortmund[1], und der Verein Chance e. V. Münster (ein Verein zur Straffälligenhilfe), die Humanistische Union Nordrhein-Westfalen, sowie die Bundeskonferenz katholischer Strafvollzugsseelsorger und die Bundeskonferenz evangelische Gefängnisseelsorge.

Anthologien

  • Risse im Fegefeuer. 1989.
  • Fesselballon. 1992.
  • Gestohlener Himmel. 1995.
  • Wenn Wände erzählen könnten. 1999.
  • Nachrichten aus Anderwelt. 2002.
  • Nichts beginnt. Nichts passiert. Nichts endet. 2005.
  • Geräusche der Nacht. 2008.
  • In jeder Nacht lacht der Teufel leise. 2011.
  • Gemeinsam einsam. 2015.
  • Begegnungen in der Welt des Widersinns. 2018.

Weblinks

Fußnoten

  1. Johannes Feest: Schreibende Gefangene: beschwerlich & literatisch. Zum Verhältnis von Literaturpreis und Strafvollzugsarchiv. In: derselbe: Definitionsmacht, Renitenz und Abolitionismus: Texte rund um das Strafvollzugsarchiv. Schriftenreihe des Strafvollzugsarchivs, Springer, Wiesbaden 2020, ISBN 978-3-658-28808-2, S. 125–131; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche