In-vitro-Fertilisation

Die In-vitro-Fertilisation (IVF) – lateinisch für „Befruchtung im Glas“ – ist eine Methode zur künstlichen Befruchtung. Sie wurde in den 1960er und 1970er Jahren von Robert Edwards, der 2010 dafür den Nobelpreis für Medizin erhielt,[1] Jean Purdy und Patrick Steptoe entwickelt. In Deutschland ist diese Behandlung zulässig, wenn bei einem (Ehe-)Paar ein Jahr lang trotz regelmäßigem, ungeschütztem Geschlechtsverkehr die Schwangerschaft ausbleibt oder eine Präimplantationsdiagnostik (PID) angezeigt ist.

Ablauf der In-vitro-Fertilisation

Gewinnung von Spermien und Eizellen

Vor Beginn der Behandlung erfolgt bei beiden Partnern eine medizinische Abklärung. Dazu gehören genetische Untersuchungen, etwa die Bestimmung des Karyotyps (normal: Frau 46,XX; Mann 46,XY; abweichend z. B. beim Klinefelter-Syndrom 47,XXY) sowie Tests auf schwere erbliche Erkrankungen wie Mukoviszidose oder bestimmte Y-Chromosom-Defekte (AZF-Region).

Um mehrere Eizellen gleichzeitig heranreifen zu lassen, wird die körpereigene Hormonproduktion zunächst durch GnRH-Analoga/-Agonisten oder GnRH-Antagonisten gedrosselt („Downregulation“). Anschließend erfolgt die hormonelle Stimulation der Eierstöcke mit FSH-Präparaten über rund 10–12 Tage. Ziel ist die Reifung mehrerer Eizellen; als optimal gelten etwa 15 Eizellen pro Zyklus.[2] Die Behandlung wird durch Ultraschalluntersuchungen regelmäßig überwacht, um Wachstum und Zahl der Follikel zu kontrollieren. Der Eisprung wird schließlich durch die Gabe von hCG ausgelöst, das im Körper ähnlich wie das luteinisierende Hormon (LH) wirkt.

Die Eizellen werden anschließend in einem kurzen, ultraschallgesteuerten Eingriff (Follikelpunktion) durch die Scheide mit einer feinen Punktionsnadel entnommen.

Parallel dazu erfolgt die Gewinnung der Spermien. Meist geschieht dies durch Masturbation, in Einzelfällen durch mikrochirurgische Verfahren wie die Hodenbiopsie (TESE). Vor der Verwendung werden die Spermien im Spermiogramm untersucht, u. a. auf Konzentration, Beweglichkeit und Morphologie gemäß den Kriterien der WHO.[3]

Befruchtung

Die gewonnenen Eizellen werden befruchtet. Dies gelingt mit einer Erfolgsrate von ca. 50 % bis 70 %. Dazu gibt es vier Methoden.

In-vitro-Fertilisation (IVF)

Die Eizellen werden mit dem aufbereiteten Sperma in einem Reagenzglas zusammengebracht. Es findet eine spontane Befruchtung statt. So erfolgt eine natürliche Selektion der mobilen und schnellen Spermien.

In-vitro-Maturation (IVM)

Bei der In-vitro-Maturation, einer experimentellen Technik, werden unreife Eizellen im Labor herangereift, wenn sie ein gewisses Reifestadium erreichen (Metaphase II). Im Gegensatz zur IVF ist bei einer IVM keine oder nur eine sehr niedrig dosierte Hormonbehandlung zur Stimulierung der Ovarien notwendig. Die Methode sei daher eine Alternative für Patientinnen, bei denen das Risiko eines ovariellen Überstimulationssyndroms besteht.[4]

Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI)

Bei der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion wird das Spermium mit einer Pipette (rechts) in die mittels einer Haltepipette (links) fixierte Eizelle eingebracht.

Die ICSI wird bei gestörter Beweglichkeit der Spermien, Spermien-Antikörpern oder sehr niedriger Spermienanzahl im Ejakulat verwendet. Eine weitere Indikation ist die ausgebliebene Befruchtung bei der klassischen In-vitro-Fertilisation (siehe oben) trotz unauffälliger Samenparameter. Bei der ICSI wird ein einzelnes Spermium unter mikroskopischer Sicht mittels eines Mikromanipulators in die vorbereitete Eizelle injiziert. Diese Behandlung wird auch bei Männern empfohlen, die eine Vasektomie hatten sowie Betroffenen einer ansteckenden Geschlechtskrankheit (HIV, Hepatitis usw.) und Krebspatienten, deren Sperma nach einer Chemotherapie beeinträchtigt wurde.[5]

Eine Sonderform stellt die Intracytoplasmic Morphologically Selected Sperm Injection (IMSI) dar, bei der das verwendete Spermium unter einem hochauflösenden Mikroskop anhand morphologischer Kriterien ausgesucht wird.[6] Erste prospektive Studien berichteten bei Paaren mit verminderter Spermienqualität und wiederholt erfolglosen ICSI-Versuchen über höhere Schwangerschaftsraten und geringere Abortraten im Vergleich zur konventionellen ICSI.[6] Neuere systematische Reviews und Metaanalysen kommen jedoch zu weniger eindeutigen Ergebnissen: Ein Cochrane Review zeigte, dass die vorhandenen randomisierten Studien keine sichere Evidenz liefern, dass IMSI im Vergleich zu ICSI die Lebendgeburtenrate verbessert.[7] Fachgesellschaften sehen IMSI bislang nicht als Standardverfahren, sondern allenfalls als Option in besonderen Fällen.[8]

Testikuläre Spermienextraktion mit ICSI (TESE-ICSI)

Dasselbe Vorgehen wie bei der ICSI, jedoch werden die Spermien nicht aus dem Ejakulat, sondern aus einer Hodenbiopsie gewonnen. Verwendung findet es bei einem Verschluss der ableitenden Samenwege und bei Azoospermie, die nicht auf einem Verschluss der ableitenden Samenwege beruht.

Mikrochirurgische Epididymale Spermatozoenaspiration (MESA-ICSI)

Entspricht ebenfalls dem ICSI-Vorgehen, wobei die Spermien unter Verwendung eines Operationsmikroskops direkt aus dem Nebenhoden (Epididymis) gewonnen werden. Indikation ist wie auch bei der TESE die Verschlussazoospermie (=Fehlen reifer sowie unreifer Spermien im Ejakulat durch Verschluss der Samenzellwege, normalem Hodenvolumen und normalem FSH-Spiegel).

Nachbefruchtungsphase und Embryonentransfer

Die im Labor befruchteten Eizellen werden im Brutschrank kultiviert und regelmäßig hinsichtlich ihrer Entwicklung beurteilt.[9]

Der Embryonentransfer erfolgt in der Regel am zweiten Tag nach Befruchtung (4-Zell-Stadium) oder am fünften Tag (Blastozysten-Stadium).[10] Zur Vermeidung von Mehrlingsschwangerschaften wird international zunehmend der Transfer nur eines Embryos (Single Embryo Transfer, SET) empfohlen, da sich dadurch die Mehrlingsrate deutlich reduzieren lässt, ohne dass die kumulativen Schwangerschaftsraten nach mehreren Zyklen wesentlich beeinträchtigt werden.[11]

Überzählige befruchtete Eizellen können in vielen Ländern kryokonserviert werden. In Deutschland ist die Kryokonservierung von Embryonen aufgrund des Embryonenschutzgesetzes nur in medizinischen Ausnahmefällen erlaubt; zulässig ist dagegen die Einfrierung von imprägnierten Eizellen im sogenannten Vorkernstadium.[12]

Etwa 14 Tage nach der Follikelpunktion kann ein Schwangerschaftstest durch Bestimmung des humanen Choriongonadotropins (hCG) im Blut durchgeführt werden.[10] Die Lebendgeburtenrate pro Behandlungszyklus liegt im Durchschnitt bei 20–40 %, variiert jedoch stark mit dem Alter der Frau und weiteren individuellen Faktoren.[13][14]

Kommt es trotz mehrerer Embryotransfers nicht zu einer Schwangerschaft, wird in der klinischen Praxis teils von recurrent implantation failure (RIF) gesprochen. Eine allgemein anerkannte Definition existiert jedoch nicht; häufig wird RIF nach mindestens drei erfolglosen Transfers morphologisch guter Embryonen angenommen.[15] Verschiedene diagnostische und therapeutische Ansätze zur Verbesserung der Einnistung werden diskutiert, viele davon sind jedoch nicht durch hochwertige Studien abgesichert. Ein Beispiel ist das Endometrium Scratching, bei dem die Gebärmutterschleimhaut mechanisch stimuliert wird. Randomisierte kontrollierte Studien konnten bislang keinen konsistenten Nutzen dieser Technik für die Lebendgeburtenrate nachweisen.[16]

Rechtliche und ethische Probleme

Elternkombinationen

Bei der IVF ist es möglich, dass die genetische und die soziale Elternschaft auseinanderfallen. So ist es im Extremfall denkbar, dass die Eizelle einer Spenderin mit der Samenzelle eines Spenders befruchtet und die auf diese Weise entstandene Zygote einer Leihmutter eingesetzt wird. Zusammen mit den sozialen Eltern ist hier also die (Teil-)Elternschaft von bis zu fünf Personen denkbar.

Derartige Kombinationen sind allerdings ethisch problematisch. In manchen Ländern sind Eizellspenden und/oder Leihmutterschaften deshalb verboten, in vielen anderen gesetzlich geregelt. In Polen scheiterte die katholische Kirche 2009 mit einer Initiative, IVF gesetzlich verbieten zu lassen.[17] In Deutschland sind sowohl die Eizellspende als auch die Leihmutterschaft durch das Embryonenschutzgesetz verboten. Dagegen ist die Samenspende erlaubt, was angesichts des Gleichbehandlungsgrundsatzes kritisch diskutiert wird. Werden die Samen des Partners verwendet, spricht man von „homologer“, bei der Verwendung von Samen dritter (meist unbekannter) Spender von „heterologer“ Samenspende.

Erzeugung und Übertragung mehrerer Embryonen

Bei einer IVF werden häufig mehrere Eizellen befruchtet, um die Chancen auf eine erfolgreiche Schwangerschaft zu erhöhen. Die dabei entstehenden Embryonen können nicht immer alle im selben Zyklus übertragen werden. Der Umgang mit diesen „überzähligen“ Embryonen ist Gegenstand medizinischer Praxis, rechtlicher Regelungen und ethischer Diskussionen, die international unterschiedlich bewertet werden.[18]

Eine Möglichkeit besteht in der Kryokonservierung, bei der Embryonen in flüssigem Stickstoff eingefroren und für spätere Behandlungszyklen aufbewahrt werden. In manchen Ländern ist auch die Nutzung für die Embryonenforschung gesetzlich geregelt. In Deutschland hingegen verbietet das Embryonenschutzgesetz sowohl die Verwerfung entwicklungsfähiger Embryonen als auch deren Verwendung zu Forschungszwecken.[12]

Um der Erzeugung von Embryonen „auf Vorrat“ vorzubeugen, ist in Deutschland lediglich die Kryokonservierung von imprägnierten Eizellen im sogenannten Vorkernstadium zulässig, also vor der Verschmelzung des mütterlichen und väterlichen Erbguts. Diese Vorkernstadien können später aufgetaut werden und sich nach der Kernverschmelzung zu Embryonen entwickeln, die in die Gebärmutter übertragen werden.[13]

Mehrlingsschwangerschaften und Reduktion

Mehrlingsschwangerschaften nach IVF stellen sowohl für die Mutter (z. B. Risiko für Präeklampsie, Gestationsdiabetes oder Thrombosen) als auch für die Kinder (z. B. Frühgeburt, niedriges Geburtsgewicht) ein erhöhtes Risiko dar.[19] Um diese Risiken zu begrenzen, sieht die Richtlinie der Bundesärztekammer vor, dass in Deutschland pro IVF-Zyklus maximal drei Embryonen übertragen werden dürfen.[20] International gilt der Trend zunehmend dem **Single Embryo Transfer (SET)**, um Mehrlingsschwangerschaften zu vermeiden.[18]

Kommt es dennoch zu höhergradigen Mehrlingsschwangerschaften (z. B. mit vier oder mehr Feten), kann in Ausnahmefällen eine selektive Reduktion durchgeführt werden, um das Risiko für Mutter und Kinder zu verringern. Dabei werden ein oder mehrere Embryonen bzw. Föten gezielt nicht weiterentwickelt (Fetoreduktion). In Deutschland ist eine solche Maßnahme rechtlich nur zulässig, wenn eine medizinische Indikation vorliegt, insbesondere eine Gefährdung der Gesundheit der Mutter oder der Überlebenschancen der übrigen Kinder.[20]

Sozialrechtliche Situation in Deutschland

Bis zum Jahre 2003 kamen die gesetzlichen Krankenkassen für vier volle Behandlungszyklen auf, inzwischen werden nur noch drei zur Hälfte übernommen. Die restlichen Kosten müssen selbst getragen werden. Die Kostenübernahme ist für Patienten in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in § 27a SGB V geregelt. Voraussetzungen für eine Kostenübernahme sind: Das Paar muss verheiratet sein; es dürfen ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden; Ehefrau und Ehemann müssen vor Behandlungsbeginn das 25. Lebensjahr vollendet haben; die Ehefrau darf bei Beginn der Behandlung das 40., der Ehemann das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben; vor Beginn der Behandlung ist der Krankenkasse ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen; zusätzliche Beratung der Ehegatten über die Maßnahmen von einem Arzt, welcher die Behandlung nicht selbst durchführt, über eine solche Behandlung und Überweisung des beratenden Arztes; Bestehen einer hinreichenden Aussicht, dass durch die gewählte Behandlungsmethode eine Schwangerschaft herbeigeführt wird; es darf vorher keine Sterilisation des Mannes oder der Frau durchgeführt worden sein (Ausnahmen bedürfen der Genehmigung der Krankenkasse); und Durchführung eines HIV-Tests. Die Kostenübernahme ist darüber hinaus hinsichtlich der Anzahl der Behandlungsversuche begrenzt:[21] bei der Insemination im Spontanzyklus bis zu achtmal, bei der Insemination nach hormoneller Stimulation bis zu dreimal, bei der In-vitro-Fertilisation bis zu dreimal, beim intratubaren Gameten-Transfer bis zu zweimal, bei der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion bis zu dreimal.

Sozialrechtliche Situation in Österreich

Bei bestimmten Indikationen übernimmt der österreichische IVF-Fonds[22] seit dem Jahr 2000 bei bis zu vier IVF-Behandlungen 70 Prozent der Arzneimittel- und Behandlungskosten. Voraussetzung ist mindestens eine der folgenden medizinischen Indikationen: Beidseitig verschlossene oder sonst dauerhaft funktionsunfähige Eileiter, Endometriose, polyzystische Ovarien (PCO-Syndrom) oder seitens des Mannes Sterilität bzw. schwere männliche Infertilität. Das Paar muss in aufrechter Ehe oder in eheähnlicher Lebensgemeinschaft leben. Zum Zeitpunkt des Beginns des Versuches darf die Frau das 40. Lebensjahr (40. Geburtstag) und der Mann das 50. Lebensjahr (50. Geburtstag) noch nicht vollendet haben. Tritt bei einer Behandlung eine Schwangerschaft bis zur achten Woche ein (Herzschlag muss am Ultraschall ersichtlich sein), dann können wieder bis zu vier Behandlungszyklen beansprucht werden. Interessanterweise begründet in Österreich auch eine nachgewiesene Eileiterschwangerschaft vier weitere Versuche, nicht jedoch der Abortus vor der 8. SSW. Des Weiteren ist im Gegensatz zu Deutschland, das die (Blastozysten-)Kultur auch unter den restriktiven Bedingungen des Embryonenschutzgesetzes (ESchG) rechtlich zulässt, in Österreich die weitere Kultivierung aller imprägnierten Eizellen und damit auch aller entstehenden Embryonen sowie die anschließende Embryoselektion erlaubt.

Sozialrechtliche Situation in der Schweiz

In der Schweiz werden die Kosten für eine In-vitro-Fertilisation nicht von der Krankenkasse übernommen. Einzig bei der Steuererklärung der Frau (des Ehepaars) besteht die Möglichkeit, die gesamten Auslagen als Krankheitskosten geltend zu machen und somit einen kleinen Teil der Ausgaben wieder einzusparen.

Gesundheitliche und psychische Aspekte

Kinder, die nach assistierten Reproduktionstechnologien (ART) wie IVF oder ICSI geboren werden, weisen in epidemiologischen Studien ein leicht erhöhtes Risiko für bestimmte gesundheitliche Probleme auf. Dazu gehören insbesondere Frühgeburtlichkeit, niedriges Geburtsgewicht sowie ein geringfügig erhöhtes Risiko für bestimmte angeborene Fehlbildungen, etwa des Herz-Kreislauf- oder Urogenitaltrakts.[23][24] Insgesamt bleibt das absolute Risiko jedoch gering, und der überwiegende Teil der nach ART gezeugten Kinder ist gesund.[10]

Große bevölkerungsbasierte Studien aus den nordischen Ländern haben zusätzliche Erkenntnisse geliefert. Eine Übersichtsarbeit von Pinborg et al. (2023) zeigt, dass viele Unterschiede zwischen ART- und natürlich gezeugten Kindern durch elterliche Faktoren (z. B. Alter, Subfertilität, Mehrlingsschwangerschaften) erklärbar sind, während sich langfristige Gesundheitsparameter meist nicht unterscheiden.[25] Eine multinationale Kohortenstudie aus vier nordischen Ländern fand kein erhöhtes generelles Krebsrisiko bei ART-Kindern, berichtete jedoch ein etwas höheres Risiko für Krebserkrankungen nach frozen-thawed embryo transfer (FET) im Vergleich zu frisch transferierten Embryonen oder spontaner Konzeption.[26] Langzeitdaten zeigen zudem Verbesserungen in perinatalen Outcomes über die Zeit, etwa durch reduzierte Mehrlingsraten und optimierte Behandlungsprotokolle.[27]

Diskutiert werden auch mögliche epigenetische und kardiovaskuläre Langzeiteffekte bei ART-Kindern. Einzelne Studien berichteten über ein erhöhtes Risiko seltener imprinting-Erkrankungen[28] sowie über Veränderungen der Gefäßfunktion in der Kindheit.[29] In einer Kohorte junger Erwachsener wurde zudem eine leicht erhöhte Prävalenz von Bluthochdruck beobachtet.[30] Fachgesellschaften betonen jedoch, dass diese Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren sind und die große Mehrheit der nach ART geborenen Kinder gesund ist.[25]

Für die behandelten Frauen stellt die IVF eine körperliche Belastung dar. Hormonstimulationen können Nebenwirkungen wie Stimmungsschwankungen, Gewichtszunahme oder ein erhöhtes Thromboserisiko hervorrufen; die Eizellentnahme ist ein invasiver Eingriff mit den üblichen Operationsrisiken (z. B. Blutung, Infektion, Verletzung benachbarter Organe).[10]

Psychisch können sowohl Frauen als auch Männer unter dem oft langjährigen unerfüllten Kinderwunsch und wiederholten, erfolglosen Behandlungszyklen leiden. Studien zeigen ein erhöhtes Risiko für Stress, depressive Symptome und Partnerschaftsprobleme, insbesondere nach mehreren gescheiterten Versuchen.[31][32] Aussagen zu möglichen späteren psychischen Problemen bei durch IVF gezeugten Kindern sind hingegen umstritten. Größere Kohortenstudien fanden bislang keine konsistenten Hinweise auf schwerwiegende psychische Störungen im Vergleich zu natürlich gezeugten Kindern.[33]

Erfolgsaussichten

Die Erfolgsaussichten einer IVF hängen wesentlich von individuellen Faktoren ab, insbesondere vom Alter der Frau, der Ursache der Infertilität sowie der Anzahl und Qualität der gewonnenen Eizellen und Embryonen.[10]

Nach Angaben des Deutschen IVF-Registers liegt die kumulative Lebendgeburtenrate nach mehreren Behandlungszyklen bei rund 30–40 % der behandelten Paare.[13] Daten aus den USA (CDC) zeigen vergleichbare Erfolgsraten, wobei diese stark altersabhängig sind: Frauen unter 35 Jahren erreichen pro Embryotransfer eine Lebendgeburtenrate von etwa 40 %, während sie bei Frauen über 40 Jahren deutlich unter 10 % liegt.[14]

Weltweit wird geschätzt, dass etwa 30–40 % der Paare nach mehreren IVF-Zyklen ein Kind bekommen.[18] In Deutschland wird derzeit etwa jedes achtzigste Kind durch IVF oder ICSI gezeugt.[18]

Wirtschaftliche Aspekte

In Deutschland gibt es rund 125 Kliniken und Fachzentren, die In-vitro-Fertilisationen anbieten. Sie führen jährlich etwa 70.000 Behandlungen durch, wobei eine Behandlung im Schnitt etwa 4.000 Euro kostet. So waren es 2016 bereits mehr als 90.000 Behandlungen, Tendenz weiterhin steigend.[34] 2007 wurden 11.500 Kinder nach künstlicher Befruchtung geboren. Die weltweiten Aufwendungen für In-vitro-Fertilisation wurden im Jahr 2010 auf 6 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Davon entfallen circa 2,4 Milliarden Euro auf die USA und 300 Millionen Euro auf Deutschland, was insgesamt etwa 0,1 % aller Gesundheitsausgaben in Deutschland ausmacht.[35] Etwa ein Viertel des Umsatzes entfällt auf Fruchtbarkeitsmedikamente; bei diesen ist die Merck KGaA aus Darmstadt Weltmarktführer. Der Geschäftsbereich Fruchtbarkeit von Merck steuerte 2009 mit einem Umsatz von 600 Millionen Euro etwa ein Zehntel des gesamten Pharmageschäfts von Merck bei. Merck ist damit auch das einzige Pharmaunternehmen, für das die Reproduktionsmedizin eine nennenswerte Rolle spielt.[36]

Kosten und Finanzierung in Österreich

Ein Anbieter von IVF – und intracytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) – in Wien verrechnet Kosten von rund 2700 Euro im Fall von Frauen unter 35 Jahren oder 2900 Euro bei 35–40-Jährigen. ICSI ist jeweils etwa 10 % teurer. Diese Beträge gelten ohne Steuern. Die Leistungen inkludieren Beratung, Medikamente und die IVF bis hin zur Feststellung oder auch Nicht-Feststellung einer Schwangerschaft. (Stand November 2018)

Liegen bestimmte medizinischen Indikationen vor, etwa entfernte oder funktionsunfähige Eileiter (ausgenommen als Folge einer beabsichtigten Eileiterunterbindung), so übernimmt seit dem Inkrafttreten des IVF-Fondsgesetzes mit 1. Jänner 2000 (zuletzt 2018 geändert) der beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (BMASGK) eingerichtete IVF-Fonds unter bestimmten Bedingungen 70 % der anfallenden Kosten. Derart kofinanzierte IVF-Versuche werden anonymisiert im IVF-Register statistisch erfasst, für das Jahr 2017 10.216 Versuche.[37][38]

Es gibt 29 Vertragszentren laut IVF-Fonds-Gesetz, davon 22 private und 7 öffentliche, in 6 Bundesländern (nicht in: Bgld., Ktn., NÖ).[39]

Seltene Fehlerfälle

In seltenen Fällen sind in Kinderwunschkliniken Verwechslungen von Embryonen oder Gameten dokumentiert worden. Solche Vorfälle können erhebliche rechtliche und psychologische Folgen für die betroffenen Familien haben und wurden in einzelnen Ländern breit medial diskutiert.[40][41] Fachgesellschaften wie die ESHRE betonen daher die Bedeutung von standardisierten Laborabläufen, Mehrfachkontrollen und eindeutiger Kennzeichnung von Proben, um solche Fehler zu verhindern.[10]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. nobelprize.org. Abgerufen am 4. Oktober 2010.
  2. Sesh Kamal Sunkara et al.: Association between the number of eggs and live birth in IVF treatment: an analysis of 400 135 treatment cycles. In: Human Reproduction, online-Vorabveröffentlichung vom 10. Mai 2011, doi:10.1093/humrep/der106
  3. WHO laboratory manual for the examination and processing of human semen. 5th Edition. 2010.
  4. In-vitro-Maturation von Eizellen: Verfahren und Erfolgsaussichten. In: invitra.com/de. Abgerufen am 19. Februar 2021.
  5. Spermien-Mikroinjektion: Was ist die ICSI und was kostet sie? In: invitra.com. 11. September 2018, abgerufen am 5. Juli 2019 (deutsch).
  6. a b B Bartoov, A Berkovitz, F Eltes, A Kogosowski, Y Menezo, Y. Barak: Real-time fine morphology of motile human sperm cells is associated with IVF-ICSI outcome. In: J Androl., 2003, 24(4), S. 437–448. PMID 12672913.
  7. DM Teixeira, MA Barbosa, RA Ferriani, PA Navarro, N Raine-Fenning, CO Nastri, WP. Martins: Regular (ICSI) versus ultra-high magnification (IMSI) sperm selection for assisted reproduction. In: Cochrane Database Syst Rev., 2020, 11(11), S. CD010167. doi:10.1002/14651858.CD010167.pub3. PMID 33226119.
  8. ESHRE Guideline: Ovarian stimulation for IVF/ICSI. ESHRE Guideline Group on Female and Male Infertility, European Society of Human Reproduction and Embryology, 2022.
  9. Good practice recommendations for IVF laboratories. ESHRE Guideline Group. In: Hum Reprod Open., 2019;2019(2), S. hoz025; doi:10.1093/hropen/hoz025.
  10. a b c d e f Good practice recommendations for add-ons in reproductive medicine. ESHRE Guideline Group. In: Hum Reprod Open., 2019 (3), S. hoz025; doi:10.1093/hropen/hoz025.
  11. C De Geyter, C Calhaz-Jorge, MS Kupka, C Wyns, E Mocanu, T Motrenko, G Scaravelli, J Smeenk, S Vidakovic, V. Goossens: ART in Europe, 2017: results generated from European registries by ESHRE. In: Hum Reprod Open., 2020, (3), S. hoaa032. doi:10.1093/hropen/hoaa032.
  12. a b Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz – ESchG). In: BGBl., I, 1990, S. 2746.
  13. a b c Jahresbericht 2022. Deutsches IVF-Register (DIR).
  14. a b 2020 Assisted Reproductive Technology Fertility Clinic Success Rates Report. Centers for Disease Control and Prevention (CDC), U.S. Dept. of Health & Human Services, 2022.
  15. Recurrent implantation failure: good practice recommendations. ESHRE Guideline Group. In: Hum Reprod Open., 2023, (3), S. hoad021. doi:10.1093/hropen/hoad021.
  16. S Lensen, D Osavlyuk, S Armstrong, C Stadelmann, A Hennes, E Napier, J Wilkinson, L Sadler, C. Farquhar: A randomized trial of endometrial scratching before in vitro fertilization. In: N Engl J Med., 2019, 380(4), S. 325–334. doi:10.1056/NEJMoa1808737. PMID 30673546.
  17. Polen: Kirchen-Kreuzzug gegen künstliche Befruchtung. (Memento vom 13. September 2009 im Internet Archive) DiePresse.com
  18. a b c d C De Geyter, C Calhaz-Jorge, MS Kupka, C Wyns, E Mocanu, T Motrenko, G Scaravelli, J Smeenk, S Vidakovic, V. Goossens: ART in Europe, 2017: results generated from European registries by ESHRE. In: Hum Reprod Open., 2021, (3), S. hoab026. doi:10.1093/hropen/hoab026.
  19. Multiple pregnancies following assisted reproduction. ESHRE Guideline Group. In: Hum Reprod Open., 2016, (1), S. hoh001. doi:10.1093/hropen/hoh001
  20. a b Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion. Bundesärztekammer. Stand: 2018.
  21. Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung („Richtlinien über künstliche Befruchtung“)
  22. ris.bka.gv.at – Bundesgesetz, mit dem ein Fonds zur Finanzierung der In-vitro-Fertilisation eingerichtet wird (IVF-Fonds-Gesetz).
  23. M Hansen, JJ Kurinczuk, C Bower, S. Webb: The risk of major birth defects after intracytoplasmic sperm injection and in vitro fertilization. In: N Engl J Med., 2002, 346(10), S. 725–730. doi:10.1056/NEJMoa010035. PMID 11875048.
  24. S Sunderam, DM Kissin, Y Zhang, SG Folger, SL Boulet, L Warner, WD. Barfield: Assisted reproductive technology surveillance — United States, 2014. In: MMWR Surveill Summ., 2017, 66(6), S. 1–24. doi:10.15585/mmwr.ss6606a1. PMID 28426307.
  25. a b A Pinborg, AA Henningsen, A Loft, SS Malchau, J Forman, AN. Andersen: Long-term outcomes for children conceived by assisted reproduction technologies (ART). In: Hum Reprod Update, 2023, 29(4), S. 463–481. doi:10.1093/humupd/dmad008. PMID 37086833.
  26. N Sargisian, B Lannering, S Opdahl, M Gissler, AK Henningsen, C Bergh, A Pinborg et al.: Cancer in children born after frozen–thawed embryo transfer: a cohort study. In: PLoS Med., 2022, 19(11), S. e1004078. doi:10.1371/journal.pmed.1004078. PMID 36350944.
  27. AK Henningsen, UB Wennerholm, M Gissler, LB Romundstad, KG Nygren, A Tiitinen, R Skjaerven, J Forman, AN Andersen, A. Pinborg: Trends in perinatal health after assisted reproduction: a Nordic population of ART singletons and twins over 20 years. In: Hum Reprod., 2015, 30(3), S. 710–721. doi:10.1093/humrep/deu361. PMID 25505243.
  28. H Hiura, H Okae, H Chiba, N Miyauchi, F Sato, A Sato, T.Arima: Imprinting methylation errors in ART. In: Reprod Med Biol., 2014, 13(4), S. 193–202. doi:10.1007/s12522-014-0186-8
  29. U Scherrer, E Rexhaj, Y Allemann, C. Sartori: Cardiovascular dysfunction in children conceived by assisted reproductive technologies. In: Eur Heart J.; 2012; 33(3), S. 376–378. doi:10.1093/eurheartj/ehr436. PMID 22199106.
  30. L Cui, W Zhou, Y Xiang et al.: Hypertension and cardiovascular health in young adults conceived by assisted reproductive technologies: a cohort study. In: J Am Coll Cardiol., 2018, 71(12), S. 1290–1291. doi:10.1016/j.jacc.2018.01.045.
  31. CM Verhaak, JM Smeenk, A van Minnen, JA Kremer, FW. Kraaimaat: A longitudinal, prospective study on emotional adjustment before, during and after consecutive fertility treatment cycles. In: Hum Reprod., 2005, 20(8), S. 2253–2260. doi:10.1093/humrep/dei015. PMID 15979987.
  32. AL Greil, K Slauson-Blevins, J. McQuillan: The experience of infertility: a review of recent literature. In: Sociol Health Illn., 2010, 32(1), S. 140–162. doi:10.1111/j.1467-9566.2009.01213.x. PMID 20003036.
  33. KK Melby, LH Mortensen, T Sobotka, AN. Andersen: Psychiatric disorders in individuals born after medically assisted reproduction: a population-based cohort study. In: Hum Reprod., 2017, 32(11), S. 2432–2438. doi:10.1093/humrep/dex300. PMID 29040587.
  34. Reproduktionsmedizin: Deutschland verliert den Anschluss bei der künstlichen Befruchtung. In: handelsblatt.com. Abgerufen am 5. Juli 2019.
  35. Statistisches Bundesamt. Stand 2013; abgerufen am 6. November 2015.
  36. Handelsblatt, 7. Juli 2010, S. 4–5.
  37. Kosten Wunschbaby Institut Feichtinger, Wien, 2018, abgerufen am 10. November 2018.
  38. IVF-Fonds: Hilfe bei unerfülltem Kinderwunsch. bmgf.gv.at, abgerufen am 10. November 2018 – Links zu Jahresberichten 2012–2017.
  39. IVF-Fond Jahresbericht 2017. (Memento vom 10. November 2018 im Internet Archive; PDF) bmgf.gv.at, Juni 2018, S. 27; abgerufen am 10. November 2018.
  40. IVF-Baby war nicht von der Mutter: Verwechslung in Kinderwunschklinik. ORF.at, 4. Mai 2014.
  41. Verwechslung in österreichischer Kinderwunschklinik. Spiegel Online, 2014.

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Autor/Urheber: Eugene Ermolovich (CRMI), Lizenz: CC BY-SA 3.0
A human oocyte is held by a glass holding pipette (left). A beveled glass pipette containing an immobilized ejaculated spermatozoon is inserted through the zona pellucida and deep into the oolemma, creating a deep furrow. Once the membrane of the oocyte is penetrated, the sperm is deposited therein.