Illegale Tagung der KPD im Sporthaus Ziegenhals

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Ernst Thälmann als Kandidat der Kommunistischen Partei zur Reichspräsidentenwahl 1932.

Die Illegale Tagung der KPD im Sporthaus Ziegenhals bezeichnet ein konspiratives Zusammentreffen der Parteispitze der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), dem Zentralkomitee (ZK), mit Bezirkssekretären und Chefredakteuren der wichtigsten Bezirkszeitungen[1] am 7. Februar 1933, kurz nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten. Tagungsstätte war das als Treffpunkt von Arbeitersportlern genutzte und von KPD-Mitgliedern geführte damalige Sporthaus Ziegenhals bei Berlin. Es war das letzte Zusammentreffen des Zentralkomitees mit Ernst Thälmann als Vorsitzenden der KPD vor seiner Verhaftung wenige Tage nach dem Reichstagsbrand am 3. März 1933.

Vorgeschichte

Die einstige Regierungspartei SPD verlor zur Reichstagswahl am 6. November 1932 im Vergleich zur Wahl 1930 und im Juli 1932 weiter an Zustimmung. Erstmals seit der Reichstagswahl 1930 musste auch die NSDAP Verluste hinnehmen, die die größten dieser Wahl waren, und konnte ihr Ergebnis als stärkste Partei nicht verbessern. Mit größten Gewinnen ging die KPD aus der Wahl hervor und war nun drittstärkste Kraft im Reichstag. Eine parlamentarische Mehrheit konnte nicht gebildet werden. Die kurze Amtszeit von Kurt von Schleicher als Reichskanzler endete bereits am 30. Januar 1933, als Reichspräsident Paul von Hindenburg die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler vollzog.

Bereits um 1930 hatte die KPD den Kampfbund gegen den Faschismus und den bewaffneten Parteiselbstschutz gegründet, um dem erstarkenden Nationalsozialismus auch mit Waffengewalt zu begegnen. Zugleich standen sich KPD und SPD programmatisch und in allen wesentlichen Fragen der praktischen Politik feindlich und unversöhnlich gegenüber. Im Wahlkampf zur Reichstagswahl im Juli 1932 kam es am 25. Mai 1932 im Preußischen Landtag zu einer Saalschlacht zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten, bei der mehrere kommunistische wie sozialdemokratische Abgeordnete teils schwer verletzt wurden, was den Abbruch der Sitzung zur Folge hatte.[2] Die Saalschlacht war Auslöser für die Gründung der Antifaschistischen Aktion durch die KPD im Juni 1932.[3]

Dennoch lehnte die KPD eine Woche vor der Machtübergabe an Hitler ein Angebot der SPD-Führung zur Einheitsfront als Angriff auf die „wahrhafte Einheit der Arbeiterklasse“ ab und sprach ihm die Ernsthaftigkeit als „Einheitsfrontmanöver“ ab.[4] Am 30./31. Januar 1933 bot wiederum die KPD-Führung der SPD, dem ADGB, dem AfA-Bund, den christlichen Gewerkschaften und der „proletarischen Öffentlichkeit“ die Aktionseinheit gegen die Hitler-Hugenberg-Papen-Regierung an und forderte zum Generalstreik und zu Massendemonstrationen auf.[5] Das württembergische Industriedorf Mössingen gilt als deutschlandweit einziger Versuch eine Regierung Adolf Hitlers durch die Teilnahme an einen landesweiten Generalstreik zu vereiteln. Der Versuch wurde als Mössinger Generalstreik bekannt.

Tagung

Die Anreise und die Durchführung der Tagung erfolgte unter den Regeln der Konspiration. Teilweise konnte die aus dem ganzen Reichsgebiet erfolgende Anreise nur unter größten Anstrengungen realisiert werden.[6] Für die Organisation und Sicherung der Tagung war Hermann Dünow zuständig. Dünow war von 1927 bis 1933 für die sicherheits- und militärpolitische Arbeit der KPD und für verschiedene Gefangenenbefreiungen wie von Otto Braun verantwortlich. Nach verschiedenen Anlaufpunkten in Berlin mit festen Zeitpunkten wurden die Teilnehmer der Tagung für zwei Zeitfenster zur Sternwarte Treptow gelotst, in der ein Mitglied der KPD arbeitete. Die an der Warte eingetroffenen Teilnehmer wurden von Dünow am Ende einer Führung durch die Warte in Empfang genommen und als Sportreisegruppen in Omnibusse zum Sporthaus Ziegenhals gebracht.[7] Den Ordnerdienst am Tagungsort übernahmen Mitglieder des verbotenen Rotfrontkämpferbundes.[8] Die Tagung wurde von Walter Ulbricht geleitet.[1] In den Erinnerungen Herbert Wehners bezeichnet er sich verantwortlich für die bis zur Sternwarte reisenden Tagungsteilnehmer, während er die Sicherung ab Abfahrt und der Tagung Hans Kippenberger zuschreibt.[9]

Ernst Thälmann führte innerhalb seines Referats auf der Tagung aus, dass die neue Regierung unter Hitler keine Niederlage des Proletariats sei, sondern der Beginn einer neuen und höheren Phase des Kampfes gegen den Faschismus. Er hob hervor, dass die KPD nicht in der Lage war, politisch mehr zu erreichen, weil sie den Einfluss der SPD- und ADGB-Führung sowie der christlichen Gewerkschaftsführer auf die Massen nicht „in dem erforderlichen Maße zu liquidieren“ im Stande gewesen sei. Die Kanzlerschaft Hitlers sei begleitet von Anzeichen eines Bürgerkriegs, derer sich die KPD bewusst sein müsse. Daher müsste es nun Aufgabe der Partei sein, dafür Sorge zu tragen, dass eine „Kette der Massenaktionen und Massenkämpfe gegen die faschistische Diktatur in ganz Deutschland nicht mehr abreißt“. Dabei seien die „Massen zu höheren Formen der wehrhaften Massennotwehr“ zu erziehen.[10]

Im Laufe des Referats unterbrach Ulbricht Thälmann und musste die Tagung abbrechen, weil der Charakter der Versammlung für Außenstehende offenkundig wurde und die Konspiration unter diesen Umständen nicht mehr gewahrt werden konnte.[8] Während anschließend Thälmann mit einem Auto in Sicherheit gebracht worden sei, sollen andere Tagungsteilnehmer mit einem Omnibus sowie einem Motorboot vom Sporthaus entkommen sein.[11] Kurze Zeit später kam die SA am verlassenen Tagungsort an.

Teilnehmer

Im Rahmen einer Gedenkrede am 7. Februar 1953 zum Jahrestag der illegalen Tagung benannte Wilhelm Pieck die Zahl der damalig möglichen Teilnehmer mit 112 Funktionären. Den Großteil hätte mit 39 Mitglieder und 24 Kandidaten das Zentralkomitee der Partei umfasst, das am 8. bis 15. Juni 1929 auf dem Parteitag in Berlin-Wedding gewählt wurde. Die Vorsitzenden der parteilichen Bezirksstrukturen, die Sekretäre, wurden mit 24 und die der Chefredakteure der Bezirkszeitungen und des Zentralorgans Rote Fahne mit 25 angegeben. Pieck beziffert die Gesamtzahl der Anwesenden auf der Tagung mit „35 bis 40 Personen“.[12] Die nachfolgende Auflistung zeigt die Dokumentation der jeweils nicht abgeschlossenen Teilnehmerlisten der Tagung exemplarisch nach Günter Hortzschansky[13] sowie Horst Duhnke.[14] Unterschiede in den Nennungen der Tagungsteilnehmer bei Hortzschansky erfolgen auf Nennung der jeweiligen Auflage nach Hermann Weber:[15]

Mitglieder und Kandidaten des Zentralkomitees

TeilnehmerLebensdatenlt. Hortzschanskylt. DuhnkeNS-OpferGroße SäuberungAnmerkungen
Franz Dahlem1892–1981JaJaEmigriertN/ATeilnahme nach Hortzschansky (3. Auflage)[15]
Wilhelm Florin1894–1944JaJaEmigriertN/ATeilnahme nach Hortzschansky (1. und 3. Auflage)[15]
Fritz Große1904–1957JaJaInhaftiertN/AKandidat des Zentralkomitees
Ernst Grube1890–1945JaJaInhaftiert und ermordetN/A
Fritz Heckert1884–1936NeinJaAusgebürgertN/AIn den Ausführungen Wilhelm Piecks lediglich als verstorbenes ZK-Mitglied jedoch nicht als Teilnehmer der illegalen Tagung benannt[12]
Wilhelm Hein1889–1958NeinJaInhaftiertN/A1933/34 wegen „Feigheit und Desertion“ aus der KPD ausgeschlossen[16]
Walter Kaßner1894–1970JaNeinInhaftiertN/AKandidat des Zentralkomitees
Wilhelm Koenen1886–1963JaNeinEmigriertN/A
Michael Niederkirchner1882–1949JaJaInhaftiert und emigriertN/A
Hans Pfeiffer1895–1968NeinNeinInhaftiertN/AKandidat des Zentralkomitees; direkte Anweisung der Kaderabteilung des ZK der SED Pfeiffer nicht als Teilnehmer der Tagung zu erwähnen[17]
Wilhelm Pieck1876–1960JaJaEmigriertN/ASpäterer und einziger Präsident der DDR
Siegfried Rädel1893–1943JaJaInhaftiert und ermordetN/AKandidat des Zentralkomitees
Hermann Remmele1880–1939NeinJaAusgebürgertInhaftiert und ermordetRehabilitierung und Aufhebung des Urteils 1988
Rudolf Renner1894–1940JaJaInhaftiert und ermordetN/AIn den Ausführungen Wilhelm Piecks ebenso als Chefredakteur benannt[12]
John Schehr1896–1934JaJaInhaftiert und ermordetN/AKandidat des Zentralkomitees bis zur Kooptierung als Vollmitglied, Mitte 1932
Ernst Schneller1890–1944JaJaInhaftiert und ermordetN/ANach der 3. Reichsparteikonferenz der KPD im Oktober 1932 ins Zentralkomitee berufen
Hermann Schubert1886–1938NeinJaEmigriert und ausgebürgertInhaftiert und ermordetErnennung zum Vollmitglied des Zentralkomitee 1931; Rehabilitierung und Aufhebung des Urteils unbekannt
Franz Stenzer1900–1933JaJaInhaftiert und ermordetN/AErnennung zum Vollmitglied des Zentralkomitees, Ende 1932
Walter Stoecker1891–1939JaJaInhaftiert und ermordetN/A
Ernst Thälmann1886–1944JaJaInhaftiert und ermordetN/AParteivorsitzender der KPD; Referent auf der illegalen Tagung
Walter Ulbricht1893–1973JaJaEmigriertN/ALeiter der illegalen Tagung

Weitere führende Funktionäre

TeilnehmerLebensdatenlt. Hortzschanskylt. DuhnkeNS-OpferGroße SäuberungAnmerkungen
August Creutzburg1892–1941NeinJaEmigriertInhaftiert und ermordetRehabilitierung und Aufhebung des Urteils 1998
Philipp Dengel1888–1948NeinJaEmigriertN/AIn den Ausführungen Wilhelm Piecks lediglich als verstorbenes ZK-Mitglied jedoch nicht als Teilnehmer der illegalen Tagung benannt;[12] Teilnahme nach Hortzschansky (1. und 2. Auflage)[15]
Hermann Dünow1898–1973JaJaInhaftiertN/AMitorganisator und Verantwortlicher der Sicherung der illegalen Tagung
Karl Elgaß1900–1985NeinNeinInhaftiertN/ATeilnahme nach eigenen Angaben;[18] Ausschluss/Austritt aus der SED 1948 und Flucht nach West-Berlin
Otto Franke1877–1953JaJaInhaftiert und emigriertN/AMitorganisator der illegalen Tagung
Georg Ulrich Handke1894–1962JaNeinInhaftiertN/A
Hans Kippenberger1898–1937JaNeinEmigriertInhaftiert und ermordetRehabilitierung und Aufhebung des Urteils 1957; Teilnahme nach Hortzschansky (3. Auflage)[15]
Arthur Lange1906–1972NeinNeinInhaftiertN/AMitorganisator der illegalen Tagung
Max Maddalena1895–1943NeinJaInhaftiert und ermordetN/A
Theodor Neubauer1890–1945JaJaInhaftiert und ermordetN/A
Ernst Putz1896–1933NeinJaInhaftiert und FreitodN/A
Georg Schumann1886–1945JaJaInhaftiert und ermordetN/A
Lisa Ullrich1900–1986JaNeinInhaftiertN/A
Herbert Wehner1906–1990NeinNeinEmigriertN/ATeilnahme nach Angaben von Karl Elgaß;[19] 1942 wegen des Vorwurfs des Verrats aus der KPD ausgeschlossen

Bezirkssekretäre

TeilnehmerLebensdatenlt. Hortzschanskylt. DuhnkeNS-OpferGroße SäuberungAnmerkungen
Karl Barthel1907–1974NeinNeinInhaftiertN/ATeilnahme nach eigenen Angaben; Vorwürfe wegen angeblichen Fehlverhaltens in der Haft[20]
Bernhard Bästlein1894–1944JaJaInhaftiert und ermordetN/A
Hans Beimler1895–1936JaJaInhaftiertN/AIm Spanischen Bürgerkrieg gefallen
Jakob Boulanger1897–1968JaNeinInhaftiertN/A
Albert Buchmann1894–1975JaNeinInhaftiertN/A
Philipp Daub1896–1976JaNeinInhaftiert und emigriertN/A
Lambert Horn1899–1939JaNeinInhaftiert und ermordetN/A
Werner Kraus1898–1964NeinNeinInhaftiertN/ATeilnahme nach eigenen Angaben;[21] Mit Inhaftierung im Juli 1933 V-Mann der Gestapo innerhalb der KPD
Albert Kuntz1896–1945JaJaInhaftiert und ermordetN/A
Hermann Matern1893–1971JaNeinInhaftiert und emigriertN/A
Max Opitz1890–1982JaNeinInhaftiertN/A
Anton Saefkow1903–1944NeinJaInhaftiert und ermordetN/A
Augustin Sandtner1893–1944JaJaInhaftiert und ermordetN/A
Fritz Selbmann1899–1975JaNeinInhaftiertN/ATeilnahme nach Hortzschansky (3. Auflage)[15]
Robert Stamm1900–1937JaJaInhaftiert und ermordetN/A
Paul Suhr1902–1933JaNeinErmordetN/A
Mathias Thesen1891–1944JaJaInhaftiert und ermordetN/A
Paul Wojtkowski1892–1960NeinNeinInhaftiertN/ATeilnahme nach Angaben von Karl Elgaß[22]

Chefredakteure

TeilnehmerLebensdatenlt. Hortzschanskylt. DuhnkeNS-OpferGroße SäuberungAnmerkungen
Willi Bohn1900–1985JaNeinInhaftiertN/A

Weitere Teilnehmer

TeilnehmerLebensdatenlt. Hortzschanskylt. DuhnkeNS-OpferGroße SäuberungAnmerkungen
Paula Mörschel1893–1987JaJaN/AN/AWirtsleute des Tagungsorts Sporthaus Ziegenhals
Wilhelm Mörschel1890–1948JaJaN/AN/AWirtsleute des Tagungsorts Sporthaus Ziegenhals

Nachgang

(c) Bundesarchiv, B 145 Bild-P046279 / Weinrother, Carl / CC-BY-SA 3.0
Karl-Liebknecht-Haus am Berliner Bülowplatz als Sitz der KPD zur Reichstagswahl 1932.

Am 23. Februar 1933 wurde das Karl-Liebknecht-Haus als Parteizentrale der KPD und Sitz der Chefredaktion der Roten Fahne durch die Politische Polizei besetzt. Wenige Tage später, am 27. Februar, erneuerte die KPD mit einem offenen Brief „An die sozialdemokratischen und christlichen Arbeiter Deutschlands! An die Kollegen der freien Gewerkschaften und die Reichsbannerkameraden!“ von Ernst Thälmann ihr Angebot zur Einheitsfront. Dem Brief vorausgegangen war die letzte Sitzung des Politbüros des Zentralkomitees, an der Thälmann vor seiner Verhaftung teilnahm.[1] In der folgenden Nacht von dem 27. auf den 28. Februar kam es zum Brand des Reichstagsgebäudes. Bereits am 28. Februar 1933 wurde die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat (Reichstagsbrandverordnung) erlassen. Damit wurden die Grundrechte der Weimarer Verfassung de facto außer Kraft gesetzt und der Weg freigeräumt für die legalisierte Verfolgung der politischen Gegner der NSDAP durch Polizei und SA.[23] Die Verordnung war gleichbedeutend mit dem Ende des Rechtsstaates in seiner bisherigen Form. Die Verordnung blieb bis zum Ende des Dritten Reiches in Kraft und war die Grundlage für ein Regime des permanenten Ausnahmezustandes.

Ebenso am 28. Februar machte Adolf Hitler unmissverständlich deutlich, dass jetzt „rücksichtslose Auseinandersetzung mit der KPD dringend geboten sei“.[24] Die Notverordnung konnte darüber hinaus auch auf Sozialdemokraten und letztlich auf alle Gegner des Regimes angewandt werden. Der laufende Reichstagswahlkampf zur Wahl am 5. März konnte von der NSDAP nach dem Brand in offen terroristische Bahnen gelenkt werden. Bis Mitte Mai 1933 wurden allein in Preußen über 100.000 politische Gegner – die Mehrzahl Kommunisten – verhaftet und in provisorische Konzentrationslager und Folterkeller gebracht. Größter Verlierer der Wahl war nach dem Terror der vergangenen Wochen die KPD mit einem Stimmenverlust von etwa einer Million. Dies entsprach einem Verlust von 4,2 Prozentpunkten. Die Verluste der SPD waren mit 2,1 Prozentpunkten relativ gering. Insbesondere in ihren Hochburgen wie in Berlin oder in Sachsen blieben die beiden „marxistischen Parteien“ stabil. Noch vor der ersten (konstituierenden) Sitzung des neu gewählten Reichstags wurden die Mandate der KPD annulliert, sodass das Parlament 566 Abgeordnete umfasste. Dieser Schritt brachte der NSDAP die absolute Mehrheit.

Ernst Thälmann wurde bereits am 3. März 1933, zwei Tage vor der Reichstagswahl und einige Tage nach dem Reichstagsbrand, verhaftet. Die Dokumentation des Referats von Thälmann im Sporthaus Ziegenhals erfolgte lediglich in Auszügen. Diese Auszüge befanden sich in der Anklageschrift für einen Prozess gegen Thälmann, der nie umgesetzt wurde. Thälmann fertigte eine erhalten gebliebene Abschrift der Anklageschrift an, die zur Grundlage der Dokumentation des Inhalts des Referats wurde.[25] Thälmann wurde im August 1944, nach über elf Jahren Einzelhaft, vermutlich auf direkten Befehl Adolf Hitlers, im KZ Buchenwald erschossen.

Rezeption

(c) Bundesarchiv, Bild 183-T0201-0310 / CC-BY-SA 3.0
Jugendstunde zur Vorbereitung auf die Jugendweihe in dem als Gedenkzimmer gestalteten ehemaligen Tagungsraum, 1978.

Innerhalb der DDR wurde das Zusammentreffen im Sporthaus Ziegenhals als „illegale Tagung des Zentralkomitees mit etwa 40 Teilnehmern“ charakterisiert.[1] Im von Ernst Thälmann auf der Tagung gehaltenen Referat wurde demnach die Taktik und Strategie für die KPD formuliert, um „die schwerste Belastungsprobe in der Geschichte der Arbeiterbewegung“ bestehen zu können. Aus diesem Grund bezog sich die SED für das eigene Programm „Programm zur Errichtung einer Arbeiter- und Bauernmacht“ auf den Inhalt des Referats.[26] Das Referat bildet die Schlussszene des zweiteiligen Ernst Thälmann-Films der DEFA von 1986. Das Sporthaus Ziegenhals als Tagungsort wurde nach dem Krieg HO-Gaststätte und baubedingt in den Folgejahren abgerissen. Das Tagungszimmer des Treffens blieb dabei erhalten und wurde im Neubau von 1959 als Gedenkzimmer hergerichtet.[11] Die Eröffnung der neuen Gedenkstätte erfolgte durch den damaligen Präsidenten der DDR Wilhelm Pieck. Das Gedenkzimmer war daraufhin bis zum Ende der DDR u. a. Anlaufpunkt für die Jugendstunde zur Vorbereitung auf die Jugendweihe.

In der jüngeren Forschung wird die Dokumentation der Tagung in Ziegenhals durch die DDR kritisch beleuchtet. Die Dokumentation wird als u. a. selektiv wahrgenommen, weil sie immer wieder Teilnehmer der Tagung ausspare, „die nicht mehr mit der Politik der SED einverstanden waren oder die zu Opfern Stalins gehörten“. In diesem Zusammenhang wurde in der DDR-Geschichtsschreibung nie Herbert Wehner als Tagungsteilnehmer erwähnt.[27] Es müsse darüber hinaus überprüft werden, wer in seiner Teilnahme ebenso ausgeklammert wurde oder sogar zu Unrecht als Teilnehmer Erwähnung fand.[28] Ebenso wird der Charakter der Tagung als illegales Zusammenkommen des Zentralkomitees der KPD in Frage gestellt und das Wesen einer Reichsfunktionärsversammlung der Tagung betont.[29] Ebenso spricht Henryk Skrzypczak wegen des Charakters der Versammlung und der nicht vorhandenen Illegalität von einer geheime(n) Reichsfunktionärskonferenz der KPD am 7. Februar 1933 in Ziegengals (Zeuthener Konferenz).[30] Bezeichnung der Tagung vor. Hinterfragt wird ebenso der Ablauf des Fluchtgeschehens nach dem Ende der Tagung, das sich teilweise per Motorboot gestaltet haben soll, obwohl der See eine dicke Eisschicht getragen habe.[8]

Einzelnachweise

  1. a b c d Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED (Hrsg.): Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Band 5. Von Januar 1933 bis Mai 1945, Dietz Verlag, Berlin, 1966, S. 20ff.
  2. Angelika Voss-Louis, Ursula Büttner, Hermann Weber (Hrsg.): Vom Hamburger Aufstand zur politischen Isolierung. Kommunistische Politik 1923–1933 in Hamburg und im Deutschen Reich, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, Hamburg, 1983, S. 235.
  3. Bernd Langer, in: Verein zur Förderung antifaschistischer Kultur e.V. (Hrsg.): 80 Jahre Antifaschistische Aktion, S. 23.
  4. Die Rote Fahne, Nr. 20a, vom 24. Januar 1933, S. 1f., zitiert nach: Hartmut Mehringer, Klaus Schönhoven, Anton Grossmann (Hrsg.): Die Parteien KPD, SPD, BVP in Verfolgung und Widerstand, De Gruyter, Berlin, 2018, S. 68
  5. Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED (Hrsg.): Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Band 5. Von Januar 1933 bis Mai 1945, Dietz Verlag, Berlin, 1966, S. 13f.
  6. Horst Duhnke: Die KPD von 1933 bis 1945, Kiepenheuer & Witsch, Köln, 2018, S. 102.
  7. Museum für Deutsche Geschichte, Abteilung Gedenkstätten (Hrsg.): Die illegale Tagung des Zentralkomitees der KPD am 7. Februar 1933 in Ziegenhals bei Berlin, Dietz Verlag, Berlin, 1961, S. 53.
  8. a b c Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Treptow-Köpenick, Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin, 2010, S. 105ff.
  9. Gerhard Jahn (Hrsg.): Herbert Wehner. Zeugnis, Kiepenheuer & Witsch, Köln, 1982, S. 67.
  10. Ernst Thälmann: Referat auf der Tagung des ZK der KPD im Sporthaus Ziegenhals, in: Ernst Thälmann: Ausgewählte Reden und Schriften. Band 2, Marxistische Taschenbücher, Frankfurt/Main, 1977, S. 345ff.
  11. a b Annemarie Lange: Berlin. Hauptstadt der DDR, Brockhaus Verlag, Leipzig, 1966, S. 204.
  12. a b c d Wir erfüllen Ernst Thälmanns Vermächtnis. In: Neues Deutschland, 8. Februar 1953, S. 1; online.
  13. Vgl. Günter Hortzschansky (Hrsg.): Die illegale Tagung des Zentralkomitees der KPD am 7. Februar 1933 in Ziegenhals bei Berlin, Dietz Verlag, Berlin, 1984.
  14. Vgl. Horst Duhnke: Die KPD von 1933 bis 1945, Kiepenheuer & Witch, Köln, 2018, S. 102f., Fußnote 8.
  15. a b c d e f Vgl. Hermann Weber: Kommunismus in Deutschland 1918–1945, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 1983, S. 14–17.
  16. Udo Grashoff: Gefahr von Innen. Verrat im kommunistischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Wallstein, Göttingen, 2021, S. 33.
  17. Pfeiffer, Hans Walter. In: Hermann Weber, Andreas Herbst: Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945. 2., überarbeitete und stark erweiterte Auflage. Dietz, Berlin 2008.
  18. Henryk Skrzypczak: "Vertrauliche 09 Verschlußsache". Zur angeblichen Tagung des Zentralkomitees der KPD am 7. Februar 1933. Ein quellenkritischer Exkurs, in: IWK - Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 3/93, Berlin, S. 314ff.
  19. Henryk Skrzypczak: "Vertrauliche 09 Verschlußsache". Zur angeblichen Tagung des Zentralkomitees der KPD am 7. Februar 1933. Ein quellenkritischer Exkurs, in: IWK - Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 3/93, Berlin, S. 314.
  20. Barthel, Karl. In: Hermann Weber, Andreas Herbst: Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945. 2., überarbeitete und stark erweiterte Auflage. Dietz, Berlin 2008.
  21. Henryk Skrzypczak: "Vertrauliche 09 Verschlußsache". Zur angeblichen Tagung des Zentralkomitees der KPD am 7. Februar 1933. Ein quellenkritischer Exkurs, in: IWK - Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 3/93, Berlin, S. 318.
  22. Henryk Skrzypczak: "Vertrauliche 09 Verschlußsache". Zur angeblichen Tagung des Zentralkomitees der KPD am 7. Februar 1933. Ein quellenkritischer Exkurs, in: IWK - Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 3/93, Berlin, S. 314, Fußnoten 97/98.
  23. Hans-Ulrich Thamer: Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft. Ausnahmezustand. Bundeszentrale für politische Bildung
  24. Konrad Repgen, Karl-Heinz Minuth: Die Regierung Hitler. Teil 1. 1933/34. In: Akten der Reichskanzlei. Band 1. 30. Januar bis 31. August 1933, Dokumente Nr. 1 bis 206. Harald Boldt Verlag, Boppard am Rhein 1983, ISBN 3-7646-1839-6, Nr. 32 – Ministerbesprechung vom 28. Februar 1933, 11 Uhr, S. 128 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  25. Ernst Thälmann: Referat auf der Tagung des ZK der KPD im Sporthaus Ziegenhals, in: Ernst Thälmann: Ausgewählte Reden und Schriften. Band 2, Marxistische Taschenbücher, Frankfurt/Main, 1977, S. 345, Fußnote 1.
  26. Günter Hortzschansky (Hrsg.): Die illegale Tagung des Zentralkomitees der KPD : am 7. Februar 1933 in Ziegenhals bei Berlin, Dietz Verlag, Berlin, 1984, S. 14f.
  27. Johannes Tuchel (Hrsg.): Der vergessene Widerstand. Zu Realgeschichte und Wahrnehmung des Kampfes gegen die NS-Diktatur, Wallstein Verlag, Göttingen, 2005, S. 16.
  28. Henryk Skrzypczak: "Vertrauliche 09 Verschlußsache". Zur angeblichen Tagung des Zentralkomitees der KPD am 7. Februar 1933. Ein quellenkritischer Exkurs, in: IWK - Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 3/93, Berlin, S. 322.
  29. Ilko-Sascha Kowalczuk: Walter Ulbricht. Der deutsche Kommunist, C.H. Beck, München, 2023, S. 463.
  30. Henryk Skrzypczak: "Vertrauliche 09 Verschlußsache". Zur angeblichen Tagung des Zentralkomitees der KPD am 7. Februar 1933. Ein quellenkritischer Exkurs, in: IWK - Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 3/93, Berlin, S. 320.

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Karl Liebknechthaus in Berlin am Bülowplatz

Das frühere Karl-Liebknecht-Haus in Berlin am Bülowplatz, war Sitz der KPD-Führung.

Wir sehen es anlässlich einer Reichstagswahl im Propagandaschmuck.
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Ernst Thälmann als Kandidat bei der Reichspräsidentenwahl 1932.
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Niederlehme, Jugendstunde, Thälmann-Gedenkstätte Ziegenhals Zum Beitrag: Jugendstunde in der Thälmann-Gedenkstätte-Am Ort der illegalen Tagung des ZK der KPD vor 45 Jahren in Ziegenhals ADN-Z-Sturm-1.2.1978 Jugendweiheteilnehmer der Reinhold-huhn-Oberschule Berlin-Mitte in der Thälmann-Gedenkstätte Ziegenhals (Bze. Potsdam). In diesem Raum trafen sich am 7.Februar 1933, acht Tage nach der Machtergreifung der Faschisten in Deutschland, 35 Mitglieder des ZK der KPD zu einer illegalen Tagung. Ernst Thälmann sprach zu seinen engsten Kampfgefährten. Seit die Thälmann-Gedenkstätte am 7. Februar 1953 eröffnet wurde, kamen Hunderttausende -allein im Jahre 1977 waren es nahezu 63000 aus 39 Ländern-, um sich mit Leben und Kampf Thälmanns vertraut zu machen, des unerschrockenen Kommunisten zu gedenken. (Bitte beachten Sie hierzu auch T0201-308N, 309N, 311N, 312N!)