Huginn (Raumfahrtmission)

Missionsdaten
MissionHuginn
Besatzung1
RaumstationISS
Beginn27. August 2023, 13:16 UTC
Begonnen durchAndocken des Raumschiffs Endurance des Flugs SpaceX Crew-7
EndeAnfang 2024 (geplant)
Beendet durchLandung von SpaceX Crew-7 (geplant)
Dauerca. 182 Tage (geplant)
Mannschaftsfoto
Andreas Mogensen
Andreas Mogensen
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MinervaMuninn

Huginn ist eine Raumfahrtmission der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), bei der sich der Astronaut Andreas Mogensen sechs Monate lang an Bord der Internationalen Raumstation (ISS) aufhalten soll.[1] Huginn begann am 27. August 2023 durch das Ankoppeln des Raumschiffs Endurance an der Raumstation.

Name und Emblem

Der Name der Mission stammt aus der nordischen Mythologie, in der der Gott Odin zwei Raben als Begleiter hat: Hugin und Munin. Zusammengenommen stellen sie den menschlichen Geist dar, dabei ist Hugin das Denken und Munin die Erinnerung. Beide sind Berater Odins, die nach ihren Flügen dem Gott Bericht erstatten. Darin sieht Andreas Mogensen Parallelen zur bemannten Raumfahrt, in der Astronauten in den Weltraum fliegen und diese Erkenntnisse zur Erde zurückbringen.

Das Emblem der Mission ist in Anlehnung an die dänische Flagge in rot und weiß gehalten. Es ist der Rabe Hugin abgebildet, der nach rechts, in Richtung Zukunft, über die Erde fliegt. Auf einem Flügel sind die Konturen Dänemarks abgebildet. Zwei Streifen auf dem Rücken des Vogels symbolisieren sowohl die Solarpaneele der Station als auch Mogensens zweiten Raumflug. Sechs Sterne auf dem Emblem formen ein Sternzeichen, das dem Wikingersymbol für „sichere Reise“ ähnelt.[2]

Vorbereitung

Mogensen wurde im Mai 2009 von der ESA als Raumfahrer ausgewählt. 2015 flog er mit dem Raumschiff Sojus TMA-18M zur ISS und verbrachte dort auf der Mission Iriss neun Tage, bevor er mit Sojus TMA-16M wieder zur Erde zurückkehrte.

Der Generaldirektor der ESA teilte am 23. März 2022 mit, dass Andreas Mogensen für einen zweiten Flug zur Internationalen Raumstation von Mitte 2023 bis Anfang 2024 eingeplant sei. Im Juli 2023 gab die ESA bekannt, dass Mogensen während der Mission Huginn das Kommando über die Internationale Raumstation innehaben wird. Er folgt damit den ESA-Astronauten Cristoforetti, Pesquet, Parmitano, Gerst und De Winne in dieser Rolle.[3]

Missionsverlauf

Start mit SpaceX Crew-7

Vier Astronauten in blauen Overalls befinden sich in ihren Sitzen in einem Cockpit, und blicken in die Kamera.
Die Besatzung von SpaceX Crew-7 während eines Trainings für den Raumflug. Von links nach rechts: Borrisow, Mogensen, Moghbeli, Furakawa.

Mogensen startete am 26. August 2023 mit dem Zubringerflug SpaceX Crew-7 zur ISS. 30 Stunden nach dem Start – am 27. August um 13:16 UTC – dockte das Raumfahrzeug an der Station an, womit die Mission Huginn begann.[4][5] Auf dem Flug begleiteten ihn die US-Amerikanerin Jasmin Moghbeli, der Japaner Satoshi Furukawa und der Russe Konstantin Borissow. Die Besatzung von Crew-7 wurde mit dem Andocken Teil der ISS-Expedition 69.

Expedition 70

Mit dem Abdocken von Sojus MS-23 begann im September 2023 die Expedition 70. Mogensen ist der Kommandant der Expedition, er übernahm das Kommando der Station von Sergei Prokopjew am 26. September. Seine Kommandantur ist als die längste eines ESA-Astronauten geplant. Mogensen ist als Kommandant für die Besatzung verantwortlich und wird mit dem Flight Director auf der Erde zusammenarbeiten, um die Aktivitäten auf der Station zu betreuen. Während der Expedition sollen mehrere Frachtraumschiffe andocken, zudem soll der Flug Axiom Mission 3 die Station besuchen. Diesem Flug ist auch ESA-Astronaut Marcus Wandt zugeteilt, sodass zum ersten Mal zwei Skandinavier gleichzeitig im Weltraum sein werden.[6]

Außenbordeinsatz

Andreas Mogensen und NASA-Astronautin Loral O'Hara während Reinigungsarbeiten an den Raumanzügen bei der Vorbereitung ihres gemeinsamen Außenbordeinsatz

Mogensen sollte Anfang Oktober zusammen mit Loral O’Hara einen Außenbordeinsatz durchführen, um einerseits eine Erdbeobachtungskamera durch ein höher auflösendes Pendant zu ersetzten und andererseits Arbeiten am Alpha-Magnet-Spektrometer (AMS-2) durchzuführen. Der Einsatz wurde wegen eines Lecks im Kühlkreislauf des russischen Forschungsmoduls Nauka verschoben. Es war das dritte Leck eines in Russland hergestellten Kühlkreislaufs innerhalb eines Jahres. Zuvor waren Schäden an der Raumfähre Sojus MS-22 und dem Raumfrachter Progress MS-23 identifiziert worden. Mogensen war an der Analyse des Schadens an Nauka beteiligt und fotografierte die Leckstelle.[7][8]

Missionsende

Anfang 2024 soll Mogensen zusammen mit Moghbeli, Furukawa und Borissow zur Erde zurückkehren. Mit der Landung wird auch die Mission Huginn enden.

Forschung

Andreas Mogensen während der Demonstration eines Experiments zur Messung der Luftqualität in der Raumstation

Während der Mission Huginn soll Andreas Mogensen über 30 europäische Experimente durchführen. Diese sind in drei Kategorien eingeteilt: Klima, Gesundheit, und Nutzung des Weltraums für Anwendungen auf der Erde. Zu dem geplanten Versuchsspektrum zählen beispielsweise Experimente zum Filtern von Wasser und die Untersuchung von Gewittern. Mogensen soll sich mit dem Schlaf und der mentalen Gesundheit von Astronauten befassen, aber auch an additive Fertigungsverfahren und Robotik forschen.[9]

Klima und Weltraumwetter

Zur Optimierung von Klimamodellen soll Mogensen das Experiment Earthshine durchführen. Es soll dabei helfen, die Messung der Albedo, also dem Rückstrahlvermögen von Sonnenlicht, der Erde zu verbessern. Dafür soll Mogensen den Mond fotografieren, der dabei als Projektionsfläche dient: Das vom Mond reflektierte Licht kann während des Neumonds darauf untersucht werden, ob es direkt von der Sonne kommt, oder von der Erde zurückgestrahlt wurde. Mogensens Fotografien sind dabei durch die Erdatmosphäre weitestgehend unbeeinträchtigt und liefern Erkenntnisse, wie eine zukünftige optische Kamera zur Albedo-Messung im Weltraum aufgebaut sein könnte.[10]

Circa einen Monat vor dem Beginn von Huginn erreichte mit dem Raumfrachter Cygnus NG-19 die sogenannte Multi-Needle Langmuir Probe die Raumstation. Die Langmuir-Sonde soll von Andreas Mogensen während eines Außenbordeinsatzes an der Bartolomeo-Plattform des europäischen Columbus-Moduls montiert werden. Dort soll sie die Dichte der geladenen Teilchen, die von der Sonne ausgestrahlt werden, messen. Die Sonde misst die Plasma-Dichte bis auf einen Meter genau, mit einer Frequenz von bis zu 5000 Mal die Sekunde. Das Experiment ist der Nachfolger einer einfacheren Sonde anbord des norwegischen Satelliten Norsat-1 sowie einiger suborbitaler Vorgänger. Es soll Daten über das den Einfluss des Weltraumwetters auf die Drahtloskommunikation von Satelliten sammeln. Die Multi-Needle Langmuir Probe soll den Weg für eine zukünftige Konstellation zur Vorhersage des Weltraumwetters ebnen.[11][12]

Die Untersuchung Thor-Davis hat zum Ziel, Gewitter auf der Erde besser zu verstehen. Dabei soll Mogensen mit einer speziellen Kameravorrichtung durch das Cupola-Fenster auf der Station Bilder von Gewittern in der Erdatmosphäre aufnehmen. Die sogenannte Davis-Kamera zeichnet dabei Änderungen in der Intensität des Lichts auf. Diese Methode wird bei Thor-Davis dazu verwendet, Blitze zu dokumentieren. Insbesondere Blitzphänomen in den oberen Schichten der Atmosphäre („transient luminous events“, kurz TLEs) sind bislang noch nicht vollständig erforscht. Das Experiment Thor-Davis untersucht dabei auch Wechselwirkungen mit Treibhausgasen und Aerosolen. Thor-Davis knüpft dabei an die Versuchsreihe Thor an, die Mogensen 2015 während seiner Mission Iriss durchführte.[13] Federführend bei den Untersuchungen ist die Technische Universität Dänemarks (DTU).[14]

Gesundheit

Andreas Mogensen untersucht mit dem Experiment Circadian Light den Einfluss von Licht in verschiedenen Stimmungen und Wellenlängen auf die Circadiane Rhythmik von Astronauten. Dazu hat er in seiner Schlafkabine eine Lampe installiert, die vorher auf der Erde getestet wurde und die unterschiedlichen Lichtstimmungen nachahmt, die durch natürliches Sonnenlicht im Laufe des Tages auf der Erde herrschen.[15][16]

Mit dem Sensor SpaceMonitor wurde eine mehrstündige Messreihe am Körper von Mogensen durchgeführt. Dabei wurden Daten über den Kreislauf des Astronauten, darunter Herzfrequenz und Atmung gesammelt, auch während der routinemäßigen Ertüchtigungsübungen.[17][18]

Folgemission

Im Juni 2023 gab die ESA bekannt, dass der schwedische Astronautenanwärter Marcus Wandt auf einem Raumflug des privaten Unternehmen Axiom die Mission Muninn zur Internationalen Raumstation durchführen würde.[19] Diese Mission soll während der Mission Huginn stattfinden. Der Missionsname ist dabei nach dem zweiten Raben Odins, Munin, gewählt.[20]

Trivia

Briefmarke

Die Postunternehmen Grönlands, Tusass, und der Färöer-Inseln, Posta, geben zusammen eine Briefmarke anlässlich der Mission aus. Grönland und die Färöer gehören als autonome Regionen zum Königreich Dänemark. Die Briefmarke im Wert von 31 Kronen (Färöer) bzw. 32 Kronen (Grönland) zeigt einen Raben im Flug vor einem Globus, der so gedreht ist, dass Grönland, die Färöer und Skandinavien zu sehen sind. In der oberen rechten Ecke ist eine schematische Zeichnung der ISS zu erkennen. Neben dem ESA-Logo wird in den jeweiligen Sprachen auf die Mission Huginn verwiesen. Das Design der Briefmarke wurde von dem färöischen Grafiker Anker Eli Petersen entworfen.[21][22][23]

Petzi als Maskottchen

In Mogensens Ausrüstung befindet sich auch die dänische Zeichentrick-Figur Rasmus Klump, in Deutschland bekannt als Petzi. Mogensen erklärte, Petzi sei bekannt für seine Wissbegierigkeit und dafür, dass er die Welt erkunde, Eigenschaften, die er laut Mogensen mit Astronauten teile.[24][25]

Food Processor

Andreas Mogensen hat bei dem Experiment Food Processor der französischen Raumfahrtagentur CNES auf der Raumstation Mousse au Chocolat hergestellt. Das Experiment stellt eine Abwechslung von der typischen Astronautennahrung dar, die meist aus Konserven und Pulvern besteht. Laut ESA war die Mousse ein Erfolg, sie habe eine luftige Konsistenz gehabt und gut geschmeckt, Mogensen freue sich darauf, mehr Nahrung für die Crew zuzubereiten.[17]

Einzelnachweise

  1. ESA-Astronaut Andreas Mogensen kehrt zurück ins Weltall abgerufen am 7. Dezember 2022
  2. Introducing Huginn. In: www.esa.int. European Space Agency, 18. August 2022, abgerufen am 28. April 2023 (englisch).
  3. Commanding role for Andreas in space. In: www.esa.int. European Space Agency, 3. Juli 2023, abgerufen am 8. Juli 2023 (englisch).
  4. Huginn flies as Andreas arrives at the Space Station. In: esa.int. European Space Agency, 27. August 2023, abgerufen am 27. August 2023 (englisch).
  5. Watch Huginn launch. In: www.esa.int. European Space Agency, 18. August 2023, abgerufen am 20. August 2023 (englisch).
  6. Andreas Mogensen: International Space Station commander. In: www.esa.int. European Space Agency, 25. September 2023, abgerufen am 22. Oktober 2023 (englisch).
  7. Justin Davenport: ISS Roundup: Expedition 70 underway, Rubio’s record stay in space, technical issues, upcoming EVAs. In: NASASpaceFlight.com. 20. Oktober 2023, abgerufen am 22. Oktober 2023 (amerikanisches Englisch).
  8. UPDATE: First spacewalk for Andreas Mogensen. In: www.esa.int. European Space Agency, 3. Oktober 2023, abgerufen am 22. Oktober 2023 (englisch).
  9. The Huginn mission – an overview. In: www.esa.int. European Space Agency, 22. Mai 2023, abgerufen am 8. Juli 2023 (englisch).
  10. Illuminating Earth’s shine. In: esa.int. European Space Agency, 14. August 2023, abgerufen am 27. August 2023 (englisch).
  11. Probe the space weather around Earth. In: www.esa.int. European Space Agency, 24. Juli 2023, abgerufen am 27. August 2023 (englisch).
  12. Robert Lea: Space weather forecasts to get a boost from new probe on the International Space Station. In: Space.com. 1. August 2023, abgerufen am 27. August 2023 (englisch).
  13. Red sprites and blue jets. In: www.esa.int. European Space Agency, 9. Mai 2016, abgerufen am 22. Oktober 2023 (englisch).
  14. Lightning in a camera – from above. In: www.esa.int. European Space Agency, 7. September 2023, abgerufen am 22. Oktober 2023 (englisch).
  15. Circadian Light for ISS. SAGA Space Architects, abgerufen am 3. September 2023 (englisch).
  16. A good night’s sleep in orbit. In: www.esa.int. European Space Agency, 31. August 2023, abgerufen am 3. September 2023 (englisch).
  17. a b First month of science for Huginn. In: esa.int. European Space Agency, 10. Oktober 2023, abgerufen am 22. Oktober 2023 (englisch).
  18. Fitness tracker beyond Earth. In: www.esa.int. European Space Agency, 15. September 2023, abgerufen am 22. Oktober 2023 (englisch).
  19. Jeff Foust: Swedish astronaut to fly to ISS on Axiom mission. In: SpaceNews. 21. April 2023, abgerufen am 8. Juli 2023 (amerikanisches Englisch).
  20. New ways to space. Abgerufen am 8. Juli 2023 (englisch).
  21. Putting a stamp on Huginn. In: www.esa.int. European Space Agency, 11. August 2023, abgerufen am 14. August 2023 (englisch).
  22. Stamps.fo. In: Färöische Post. Posta, abgerufen am 14. August 2023 (englisch).
  23. Buy ESA astronaut Andreas Mogensen to ISS - Mint - Souvenir sheet. In: Grönländische Post. tusass, abgerufen am 14. August 2023.
  24. New crew on the block. In: www.esa.int. European Space Agency, 21. August 2023, abgerufen am 26. August 2023 (englisch).
  25. Ditte O. Lynge: Afslører overraskende gave til Andreas Mogensen. In: Ekstra Bladet. 26. August 2023, abgerufen am 26. August 2023 (dänisch).

Auf dieser Seite verwendete Medien

Jsc2023e037685.jpg
SpaceX USCV-7 (Crew 7) Imagery provided by SpaceX
Andreas Mogensen official portrait.jpg
Official photograph of Mogensen wearing his blue flight suit with ESA and Danish flag patches.
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iss070e003131 (10/12/2023) --- European Space Agency (ESA) astronaut Andreas Mogensen is seen filling an ANITA-2 sampling bag a measurement demonstration. The ANITA-2 is a compact gas analyzer which can analyze and quantify 33 trace contaminants in the atmosphere aboard the ISS automatically.
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iss070e001172 (Oct. 2, 2023) --- Astronauts Andreas Mogensen of ESA (European Space Agency) and Loral O'Hara of NASA service spacesuits inside the Quest airlock. The duo took turns cleaning cooling loops inside the suits ahead of a spacewalk planned for Oct. 12 to collect microbe samples from specific areas outside of the International Space Station. Scientists want to analyze the types of microbes that may be able to survive the harsh environment of outer space.